Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 14.05.2014


BFH 14.05.2014 - X R 27/14

Bei Zusammenveranlagung von Ehegatten Stellung eines Änderungsantrags nur durch einen der Ehegatten


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
14.05.2014
Aktenzeichen:
X R 27/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Hamburg, 18. Juni 2012, Az: 6 K 181/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Hat im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer nur einer der Ehegatten einen Antrag auf Änderung des Steuerbescheids gestellt, lehnt das FA den Änderungsantrag aber gegenüber beiden Ehegatten ab, ist der Ablehnungsbescheid rechtswidrig und daher aufzuheben, soweit er gegen den Ehegatten ergangen ist, der keinen Änderungsantrag gestellt hat.

2. NV: Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist auch im Fall der Zusammenveranlagung für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen.

3. NV: Eine Heilung des bisherigen Fehlens eines für einen Verwaltungsakt erforderlichen Antrags durch nachträgliche Stellung des Antrags (§ 126 Abs. 1 Nr. 1 AO) kann nicht mehr eintreten, wenn im Zeitpunkt der Nachholung der Antragstellung die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde für das Streitjahr 2003 mit ihrem Ehemann (E) zusammenveranlagt. Am 7. November 2007 stellte E einen Antrag auf Änderung u.a. des noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids 2003. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Änderungsantrag am 10. November 2009 sowohl gegenüber E als auch gegenüber der Klägerin ab. Hiergegen legten sowohl E als auch die Klägerin Einspruch ein, den das FA gegenüber beiden Einspruchsführern zurückwies. Die Klage wurde von beiden Eheleuten erhoben; auch das angefochtene Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen hat, ist gegen beide Eheleute ergangen.

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Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10. November 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2010 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 20. Januar 2006 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften ihres Ehemanns aus Gewerbebetrieb weitere Betriebsausgaben für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe von 280.400 € berücksichtigt werden.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist teilweise begründet.

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1. Sie hat insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und der Ablehnungsbescheid vom 10. November 2009 aufzuheben sind, soweit diese Entscheidungen gegen die Klägerin ergangen sind.

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Der Änderungsantrag für das Streitjahr 2003 vom 7. November 2007 war allein von E gestellt worden. Gleichwohl hat das FA den Antrag gegenüber beiden Eheleuten abgelehnt, zudem noch ohne Differenzierung zwischen der Einkommensteuer und dem Gewerbesteuermessbetrag. Auch das Einspruchs- und Klageverfahren ist durch beide Eheleute geführt worden, wobei die Klägerin ihre Klage in Bezug auf den Gewerbesteuermessbescheid 2003 im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens zurückgenommen hat. Entsprechend ist das angefochtene Urteil hinsichtlich der Einkommensteuer 2003 gegen beide Eheleute und hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags 2003 allein gegen E ergangen. In diesem Sinne legt der erkennende Senat auch die --in Bezug auf die beteiligten Personen nicht weiter differenzierende-- Revisionsschrift aus.

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Das FG hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe mit Einlegung des Einspruchs die zuvor unterbliebene Stellung eines Änderungsantrags nachgeholt, was gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) möglich sei, zumal der Einkommensteuerbescheid 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei.

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Dem kann der Senat nicht folgen, da in Bezug auf die Klägerin die Festsetzungsfrist bei Eingang ihres Einspruchs bereits abgelaufen und damit ihr gegenüber auch der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen war. Weil die Klägerin und E ihre Einkommensteuererklärung 2003 im Jahr 2004 abgegeben hatten, endete die reguläre Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Weil der Eintritt der Festsetzungsverjährung auch im Fall der Zusammenveranlagung für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. April 2006 X R 42/05, BFHE 212, 421, BStBl II 2007, 220; betreffend § 171 Abs. 4 AO), konnte der von E am 7. November 2007 gestellte Änderungsantrag den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 AO nur in Bezug auf sein Steuerfestsetzungsverfahren hemmen. Bei Eingang des --auch durch die Klägerin eingelegten-- Einspruchs am 26. November 2009 war die Festsetzungsfrist in Bezug auf die Klägerin bereits abgelaufen; ebenso war der Vorbehalt der Nachprüfung insoweit entfallen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Nach Eintritt sowohl der materiellen Bestandskraft als auch der Festsetzungsverjährung kann ein bisher unterbliebener Antrag aber auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr in wirksamer Weise nachgeholt werden.

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Danach hat das FG die Klage zu Unrecht auch insoweit abgewiesen, als es um die Einkommensteuer 2003 der Klägerin ging. In diesem Umfang ist die Klage vielmehr begründet, weil das FA den Ablehnungsbescheid --mangels Antragstellung-- nicht auch gegen die Klägerin hätte richten dürfen und ebenso den Einspruch der Klägerin nicht hätte zurückweisen dürfen. Ablehnungsantrag und Einspruchsentscheidung für die Einkommensteuer des Jahres 2003 sind daher insoweit aufzuheben, als diese Verwaltungsakte gegenüber der Klägerin ergangen sind.

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2. Soweit die Klägerin die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2003 begehrt, ist ihre Revision unbegründet. Die Klägerin kann die Änderung dieses Bescheids im Revisionsverfahren schon deshalb nicht begehren, weil sie beim FA keinen wirksamen Änderungsantrag gestellt hat.

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3. Die nach dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung.