Entscheidungsdatum: 31.01.2014
1. NV: Die Verwirkung von Gerichtskosten setzt wie die Verwirkung von Steueransprüchen einen Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge voraus .
2. NV: Die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung ist Bestandteil des Verfahrens über den Kostenansatz .
3. NV: Unrichtige Sachbehandlung, die die Nichterhebung von Kosten rechtfertigt, liegt nur bei erkennbaren Versehen oder bei schweren, offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige Vorschriften vor .
4. NV: Die Dauer eines Verfahrens allein rechtfertigt die Nichterhebung von Kosten nicht .
5. NV: Über einen Erlass von Gerichtskosten auf der Grundlage von § 198 Abs. 4 GVG ist ausschließlich im Verfahren nach §§ 198 ff. GVG zu entscheiden .
I. Die Erinnerungsführer wenden sich gegen eine Kostenrechnung für das Revisionsverfahren X R 10/00.
Das Finanzgericht Köln (FG) hatte mit Urteil vom 11. Juni 1999 3 K 9028/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1401) eine Klage des mittlerweile verstorbenen Vaters des Erinnerungsführers zu 1. sowie der mit diesem zusammen veranlagten Erinnerungsführerin zu 2. (Kläger) wegen der Einkommensteuer 1985 und 1986 als unzulässig abgewiesen. Die Kläger hatten sich gegen die Höhe der --nach einer Fahndungsprüfung im Schätzungswege-- angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus Kapitalvermögen gewandt und auf das Vorbringen in bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend andere Veranlagungszeiträume verwiesen. Das FG hatte die Auffassung vertreten, die Klage habe entgegen § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Klagebegehren nicht hinreichend bezeichnet. Es sei nicht erkennbar, in welchem Umfang eine Änderung der angefochtenen Bescheide angestrebt werde. Die Bezugnahme auf andere Verfahren und eine Vielzahl von Schriftsätzen genüge nicht, das Klageziel für die Streitjahre zu präzisieren.
Auf die Beschwerde der Kläger ließ der Senat die Revision zu, hob mit Urteil vom 29. November 2000 X R 10/00 (BFH/NV 2001, 627) die Entscheidung des FG wegen Verletzung rechtlichen Gehörs auf, verwies die Sache an das FG zurück und übertrug diesem die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Senat war der Auffassung, es hätte vor der Abweisung der Klage eines richterlichen Hinweises auf die aus Sicht des FG fehlende Bezeichnung des Klagebegehrens bedurft, da es umstritten sei und von den Umständen des Einzelfalls abhänge, wann den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genügt werde.
Mit Urteil vom 15. August 2005 3 K 1372/01 wies das FG im zweiten Rechtsgang die Klage als unbegründet ab und legte die Kosten den Klägern zu 83 v.H. auf, soweit sie bis zum 22. Juli 2005 angefallen waren, im Übrigen in vollem Umfang. Auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hob der Senat durch Beschluss vom 8. August 2006 X B 169/05 (nicht veröffentlicht --n.v.--) auch dieses Urteil des FG wegen Verletzung rechtlichen Gehörs auf, verwies die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurück und übertrug diesem die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Mit Urteil vom 6. März 2013 entschied das FG im dritten Rechtsgang erneut in der Sache und legte die Kosten den Klägern zu 4/5 und dem Beklagten zu 1/5 auf.
Mit Kostenrechnung vom 29. April 2013 … forderte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) von den Klägern einen Betrag von … € an. Die Kostenstelle legte einen Streitwert von … € zu Grunde, setzte eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (KVNr 3130) von … € sowie eine Gebühr für ein Urteil (KVNr 3135) von … € an und errechnete aus der Summe von … € die Quote von 4/5.
Am 7. Mai 2013 legte der Erinnerungsführer zu 1. Erinnerung gegen die Kostenrechnung ein. Am 15. Mai 2013 berichtigte die Kostenstelle die Rechnung, indem sie statt des zwischenzeitlich verstorbenen Klägers den Erinnerungsführer zu 1. als Kostenschuldner neben der Erinnerungsführerin zu 2. erfasste.
Die Erinnerungsführer erheben ausdrücklich die Einrede der Verjährung und der Verwirkung. Bereits am 15. August 2005 habe das FG im zweiten Rechtszug über die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der Gerichtskosten des BFH im ersten Rechtszug entschieden, so dass bereits 2005 die Kostenrechnung hätte ergehen können.
Außerdem seien die Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht zu erheben. Bei Zurückverweisung an ein Erstgericht wegen eines offensichtlichen schweren Verfahrensfehlers, erst recht bei wiederholter Zurückweisung der erstinstanzlichen Entscheidung wegen wesentlicher, offenkundiger Mängel liege ein Fall des § 21 GKG vor. Die unrichtige Sachbehandlung des FG im ersten Rechtszug sei kausal für die Gerichtskosten des BFH im ersten Rechtszug gewesen, denn bei Erlass eines Sachurteils hätte es der Entscheidung des BFH im ersten Rechtszug nicht bedurft.
Hilfsweise seien die Gerichtskosten nach § 198 Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) zu erlassen. Danach sei im Falle überlanger Verfahrensdauer Wiedergutmachung auch auf andere Weise möglich und könne in schweren Fällen neben einer Entschädigung ausgesprochen werden. Als "andere Weise" i.S. von § 198 Abs. 4 GVG komme die Niederschlagung von Gerichtskosten in Betracht. Die Verfahrenslaufzeit betrage über alle drei Rechtszüge mittlerweile ca. 15 Jahre (1998 bis 2013). Zudem handele es sich "gefühlt" um den vierten Rechtszug, denn das Einspruchsverfahren habe bis zu dem am 10. Januar 1997 ergangenen Urteil des FG wegen der Einkommensteuer 1977 bis 1984, in dem die gleichen rechtlichen und tatsächlichen Fragen streitig gewesen seien, geruht. Die "gefühlte" Gesamtverfahrensdauer betrage bei Einbeziehung des --untechnisch gesehen-- Vorgängerverfahrens etwa 23 Jahre (1990 bis 2013).
Schließlich sei der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Erinnerung begründet. Zum einen seien die Voraussetzungen der Niederschlagung gegeben. Zum anderen stehe noch nicht fest, ob die Nichtzulassungsbeschwerde und bei Zulassung die Revision Erfolg haben werden. Im Falle des Obsiegens müsste die Bundeskasse die Gerichtsgebühren wieder erstatten.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im dritten Rechtsgang hat der Senat am 31. Januar 2014 zurückgewiesen (X B 52/13).
II. Die Erinnerung ist unbegründet.
Zweifel am Ansatz des Streitwerts oder der Berechnung als solcher haben die Erinnerungsführer nicht geäußert. Der Senat geht davon aus, dass die Erinnerung im Namen beider Kostenschuldner eingelegt wurde (1.). Die in Rechnung gestellten Kosten sind weder verjährt noch verwirkt (2.) und auch nicht wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben (3.). Über einen Erlass auf der Grundlage von § 198 Abs. 4 GVG kann im Erinnerungsverfahren nicht entschieden werden (4.). Die aufschiebende Wirkung der Erinnerung erledigt sich mit Entscheidung in der Hauptsache (5.).
1. Die Erinnerung ist für beide Kostenschuldner eingelegt. Dies ergibt sich zwar aus dem Erinnerungsschreiben nicht ausdrücklich. Das Erinnerungsschreiben datiert aber zu einem Zeitpunkt, als nur die erste Kostenrechnung bekannt gegeben worden war. Diese war angesichts der Erbfolge fehlerhaft, weil sie den Erinnerungsführer zu 1. noch nicht als Kostenschuldner benannt hatte. Sie war dem Erinnerungsführer zu 1. lediglich in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter seiner Eltern bekannt gegeben worden. Es ist daher davon auszugehen, dass er die Erinnerung auch in dieser Eigenschaft und damit für beide Kostenschuldner hat einlegen wollen.
2. Die Kosten sind fällig, indes weder verjährt noch verwirkt.
a) Nach der Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. von Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718) werden in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Das gilt nach Satz 2 nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Nach § 72 Nr. 1 GKG sind u.a. in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden, außer im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist, das GKG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I 1975, 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I 2004, 390), und Verweisungen hierauf weiter anzuwenden.
Der Rechtsstreit ist im Jahre 1998 anhängig geworden, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Jahre 1999 und die Revision im Jahre 2000. Im Streitfall gilt daher das Kostenrecht des GKG in der durch Art. 6 Nr. 1 KostRMoG aufgehobenen Fassung (GKG a.F.).
b) Die Gebühren für das Revisionsverfahren X R 10/00 sind erstmals mit der Entscheidung des FG vom 15. August 2005 3 K 1372/01 fällig geworden.
Nach § 63 Abs. 1 GKG a.F. werden im Übrigen --§§ 61, 62 GKG a.F. betrafen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (§ 61 GKG a.F.), die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (§ 62 GKG a.F.)-- die Gebühren fällig, sobald eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist oder das Verfahren oder die Instanz durch Vergleich, Zurücknahme oder anderweitige Erledigung beendigt ist (heute auch im Finanzprozess abweichend, § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 2 GKG). Nachdem das Urteil des Senats vom 29. November 2000 keine Kostenentscheidung enthielt, hat erstmals das FG im zweiten Rechtszug unbedingt über die Kosten entschieden. Zwar wurde die Entscheidung nicht rechtskräftig, doch setzt "unbedingt", wie bereits § 63 Abs. 2 GKG a.F. (heute § 8 GKG) mit seiner ausnahmsweisen expliziten Anknüpfung an die Rechtskraft zeigt, die Rechtskraft nicht voraus.
c) Verjährung ist nicht eingetreten. Nach § 10 Abs. 1 GKG a.F. (heute § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG) verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Eine rechtskräftige Entscheidung gibt es bis heute nicht. Die Bekanntgabe des Senatsbeschlusses vom 31. Januar 2014 im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren X B 52/13 steht noch aus. Das Verfahren ist noch nicht beendet.
d) Auch Verwirkung ist nicht eingetreten.
aa) Das Rechtsinstitut der Verwirkung, das auch im Steuerrecht existiert, setzt hinsichtlich seines Tatbestandes neben einem bloßen Zeitmoment (zeitweiliges Untätigwerden des Anspruchsberechtigten) zum einen ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, das den Verpflichteten darauf vertrauen lässt, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand). Hinzukommen muss eine Vertrauensfolge. Der Steuerpflichtige muss im Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bestimmte Maßnahmen oder Vorkehrungen getroffen oder unterlassen haben, die für ihn die Entrichtung der nachträglich doch noch festgesetzten Steuer wegen der damit verbundenen Nachteile billigerweise nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Das tatbestandliche Erfordernis einer solchen "Vertrauensfolge" folgt aus dem Zweck des Rechtsinstituts der Verwirkung, den Steuerpflichtigen vor den (erheblichen) Nachteilen zu schützen, die nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig richtig geltend gemacht hätte (grundlegend BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121; Anschluss durch Beschluss vom 4. Oktober 1984 IV R 180/82, BFH/NV 1986, 215).
Diese Rechtsgrundsätze sind allgemeiner Natur, nicht auf Steueransprüche beschränkt und auf die Erhebung der Gerichtskosten übertragbar.
bb) Es fehlt im Streitfall sowohl am Vertrauenstatbestand als auch an der Vertrauensfolge.
aaa) Wenn vorliegend auch ein Zeitmoment vorhanden sein mag, so sind jedoch keine Umstände erkennbar, aus denen die Erinnerungsführer ein Vertrauen hätten schöpfen können, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand).
Zwar wurden die Kosten nach der Kostengrundentscheidung des FG im zweiten Rechtszug nicht erhoben, obwohl sie bereits zum damaligen Zeitpunkt fällig geworden waren. Insofern mag es für die Erinnerungsführer überraschend gewesen sein, wenn die Kostenstelle nunmehr in einer vergleichbaren prozessualen Situation nach der Kostengrundentscheidung im dritten Rechtszug trotz fehlender Rechtskraft die Gebühren in Rechnung gestellt und nicht mehr --wie es aus Sicht der Erinnerungsführer möglicherweise nahe gelegen hätte-- die Rechtskraft abgewartet hat. Letzteres könnte etwaige spätere Berichtigungen vermeiden. Wenn aber nach Lage der Dinge tatsächlich noch eine Kostenrechnung zu erwarten war, nur möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt, kann ein Vertrauen auf eine endgültige Freistellung von den Kosten nicht bereits zum früheren Zeitpunkt entstanden sein.
Sollten die Erinnerungsführer allein wegen der langen Zeiträume tatsächlich nicht mehr mit einer Erhebung der Kosten gerechnet haben, so ist dies lediglich ein Zeitmoment, das für sich genommen die Verwirkung nicht begründet. Es fehlt an einem vertrauensbegründenden Verhalten des Kostengläubigers.
bbb) Erst recht ist nicht erkennbar, inwieweit die Erinnerungsführer in ihrem etwaigen --schon nicht schutzwürdigen-- Vertrauen in die Nichterhebung der Kosten etwas unternommen haben sollten, was die Entrichtung der Kosten nunmehr unzumutbar erscheinen ließe. Für eine derartige Vertrauensfolge ist nichts vorgetragen und auch von Amts wegen nichts erkennbar.
3. Es besteht auch kein Anlass, die Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. (heute § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die Entscheidung hierüber trifft gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (heute § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG) das Gericht.
a) Die Entscheidung über die Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. ist Bestandteil des Verfahrens über den Kostenansatz einschließlich des Erinnerungsverfahrens nach § 66 GKG und deswegen unselbständiger Teil der vorliegenden Entscheidung (Senatsbeschluss vom 25. März 2013 X E 1/13, BFH/NV 2013, 1106; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz 150, 170, m.w.N.).
Die Voraussetzungen der Nichterhebung von Kosten liegen indes nicht vor. Weder erfüllt das Verfahren des FG, das zur Aufhebung und Zurückverweisung geführt hat (dazu b), noch die lange Verfahrensdauer (dazu c) die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
b) Die Abweisung der Klage im ersten Rechtszug als unzulässig war nicht "unrichtig" i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.
aa) Den Erinnerungsführern ist allerdings insoweit zuzustimmen, als die Kosten des Revisionsverfahrens X R 10/00 bei objektiv zutreffender Behandlung der Sache beim FG in dem Klageverfahren 3 K 9028/98 nicht entstanden wären. Das gilt unabhängig von dem Umfang des letztlich erzielten Erfolgs. Hätte das FG die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern sogleich die Sachprüfung vorgenommen, so hätte es des ersten Rechtszuges einschließlich des Revisionsverfahrens nicht bedurft. Die Fehlerhaftigkeit der Sachbehandlung beim FG im ersten Rechtszug ihrerseits ist mit dem Revisionsurteil vom 29. November 2000 unwiderleglich festgestellt.
bb) Der Entscheidung über die Nichterhebung der Kosten stünde nicht entgegen, dass der Fehler nicht in der Instanz geschehen ist, in der die Kosten erhoben werden. § 8 GKG a.F. enthält eine derartige Differenzierung nicht. Soweit der Senat in seinem Beschluss in BFH/NV 2013, 1106 unter Bezugnahme auf weitere Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, die "Sache" im Sinne der Vorschrift sei das Verfahren, in dem die Kosten erhoben werden, enthält auch dies lediglich eine Begrenzung auf das jeweilige Verfahren, nicht jedoch auf bestimmte Verfahrensabschnitte (so auch die den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 27. Januar 1994 V ZR 7/92, n.v., und vom 10. März 2003 IV ZR 306/00, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivildienst --NJW-RR-- 2003, 1294, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2004, 175, m.w.N. zugrunde liegenden Sachverhalte).
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Nichterhebung von Kosten aber ein erkennbares Versehen oder schwere, offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften voraus (Beschlüsse vom 12. Oktober 2005 X E 2/05, BFH/NV 2006, 326; vom 12. Februar 2009 X E 2/09, n.v.; vom 19. Oktober 2009 X E 11/09, BFH/NV 2010, 225; vom 7. Oktober 2010 II E 6/10, BFH/NV 2011, 59). Daran fehlt es.
aaa) Die genannten Entscheidungen beziehen sich auf Konstellationen, in denen eine fehlerhafte Sachbehandlung durch gerade diejenige Entscheidung gerügt wurde, für die die Kosten erhoben wurden.
In anderen Fällen ist § 8 GKG a.F. bzw. § 21 GKG nicht uneingeschränkt anwendbar, weil ansonsten der Rechtsstreit einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung neu aufgerollt werden müsste und das Rechtsbehelfssystem sowie ggf. die Rechtskraft unterlaufen würde.
In diesen Fällen stellt sich nach Überzeugung des Senats nicht in erster Linie in Frage, ob die Sache richtig behandelt wurde --was sie nicht wurde--, sondern ob die unrichtige Behandlung der Sache Kosten verursacht hat, die bei richtiger Behandlung nicht entstanden wären, woran es fehlt. Denn die Kosten sind in solchen Fällen ungeachtet der Kostenfreiheit, die die Finanzämter gemäß § 2 GKG genießen, dem Grunde nach entstanden. In der Sache richten sich derartige Einwände ausschließlich gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der Sachentscheidung, ggf. einschließlich der Kostengrundentscheidung.
bbb) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gelten die Beschränkungen auf erkennbare Versehen oder schwere, offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften --mit unterschiedlichen Formulierungen im Detail-- aber auch dann, wenn Fehler der Vorinstanz bestimmte Kosten überhaupt erst haben entstehen lassen (vgl. Beschlüsse vom 8. Oktober 1986 VIII ZR 86/84, BGHZ 98, 318, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 1023; vom 27. Januar 1994 V ZR 7/92, n.v.; in NJW-RR 2003, 1294, HFR 2004, 175, m.w.N. [nur Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung, insbesondere ein schwerer Verfahrensfehler, der offen zutage tritt, nicht einfache rechtfehlerhafte Behandlung] sowie vom 4. Mai 2005 XII ZR 217/04, Monatsschrift für Deutsches Recht 2005, 956, NJW-RR 2005, 1230; ebenso ausdrücklich für diese Konstellation Meyer, GKG 13. Aufl., § 21 Rz 5; für den Fall abweichender Rechtsauffassung oder "leichter Verfahrensfehler" Binz/Dörndorfer/Petzold/ Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 21 Rz 6; Oestreich/Hellstab/ Trenkle, GKG, § 21 Rz 9, Rz 13 Buchst. t, Rz 16 Buchst. c; widersprüchlich Rz 25). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.
ccc) Ein schwerer, offensichtlicher Verstoß gegen eindeutige Vorschriften --ein Versehen kommt erkennbar nicht in Betracht-- ist dem FG nicht unterlaufen.
(1) Zwar ist der Anwendungsbereich des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht so klar, dass sich ein Kläger auch ohne richterlichen Hinweis stets im Klaren darüber sein müsste, ob den Anforderungen genügt ist, sondern hängt, wie der Senat im Urteil in BFH/NV 2001, 627 ausgeführt hatte, von den Umständen des Einzelfalls ab. Dies rechtfertigte die Annahme, das FG hätte einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen.
Allerdings hängt auch die Reichweite der richterlichen Hinweispflicht aus § 96 Abs. 2 FGO von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht so klar, dass die Nichterteilung eines Hinweises stets als schwerer und offensichtlicher Verstoß gewertet werden könnte.
(2) Von einem schweren, offensichtlichen Verstoß gegen die Hinweispflicht ist folglich nicht stets dann auszugehen, wenn sich der klägerische Vortrag an beliebiger Stelle im Unschärfebereich des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bewegt. Davon ist erst dann auszugehen, wenn sich der Fall in der Randzone zu demjenigen Bereich bewegt, in dem die ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens und damit die Zulässigkeit der Klage zu bejahen ist.
Hingegen liegt ein schwerer, offensichtlicher Verstoß jedenfalls nicht vor, wenn die Bezeichnung des Klagebegehrens sich in der gegenüberliegenden Randzone des Unschärfebereichs an der Grenze zur eindeutigen Unzulässigkeit der Klage befindet.
(3) In diesem Bereich bewegt sich der Streitfall, über den das FG bzw. der Senat in dem Revisionsverfahren X R 10/00 zu entscheiden hatte. Der Vortrag, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen seien zu hoch, ergänzt durch die Bezugnahme auf den Vortrag in bereits abgeschlossenen Verfahren, ist derart knapp, dass die Würdigung, das Klagebegehren sei nicht bezeichnet, wohl näher lag als ihr Gegenteil.
c) Auch die Dauer des Verfahrens --ungeachtet der Frage, wie diese insgesamt zu bewerten ist-- rechtfertigt die Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. nicht. Die Vorschrift setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen Behandlung der Sache und der Entstehung der Kosten voraus. Der Senat vermag schon nicht zu erkennen, dass das FG das Verfahren im ersten Rechtsgang verzögert hat. Auf etwaigen späteren Verfahrensverzögerungen, sollten diese überhaupt vorliegen, können die Kosten des Revisionsverfahrens X R 10/00 denknotwendig nicht beruhen. Im Übrigen haben die Kosten für ein durch einen Verstoß gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO notwendig gewordenes Revisionsverfahren nichts mit einer Verzögerung des Verfahrens zu tun (vgl. zur Kausalität BFH-Beschluss vom 30. Januar 1990 VIII E 1/90, BFH/NV 1990, 520).
4. Über einen Erlass auf der Grundlage von § 198 Abs. 4 GVG kann im Erinnerungsverfahren nicht entschieden werden. Ungeachtet der Überlegungen unter 3.c ist über eine derartige Wiedergutmachungsleistung ausschließlich in dem Verfahren nach §§ 198 ff. GVG zu entscheiden.
5. Mit der Zurückweisung der Erinnerung erledigt sich der Antrag, nach § 66 Abs. 7 GKG die aufschiebende Wirkung der Erinnerung anzuordnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 1997 VII E 3/97, BFH/NV 1998, 75; vom 7. Dezember 2006 VIII E 8/06, BFH/NV 2007, 736; vom 30. Juli 2007 II E 1/07, n.v.).
6. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).