Entscheidungsdatum: 08.12.2011
NV: Die im BFH-Urteil vom 4. November 1981 II R 119/79 (BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270) getroffene Aussage, nach der die Abgabe einer stillschweigenden Erledigungserklärung durch den Einspruchsführer nicht darin zu sehen sei, dass dieser auf einen Hinweis im Abhilfebescheid, wonach durch diesen Bescheid der Einspruch erledigt werde, nicht reagiert, bezieht sich auf einen Sachverhalt, in dem nicht sämtliche Streitpunkte eines Rechtsbehelfsbegehrens ausgeräumt waren .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nicht gegeben.
1. Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) weicht nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO von der von den Klägern bezeichneten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab.
Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn die tragenden Ausführungen des FG in dem angefochtenen Urteil und diejenigen der Divergenzentscheidung bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage voneinander abweichen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Die Kläger machen geltend, der BFH habe in dem Urteil vom 4. November 1981 II R 119/79 (BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270) den Rechtssatz aufgestellt, die Abgabe einer stillschweigenden Erledigungserklärung durch den Einspruchsführer sei nicht darin zu sehen, dass dieser auf eine Erklärung im Abhilfebescheid, der Einspruch werde durch den Abhilfebescheid erledigt, nicht reagiert. Demgegenüber habe das FG angenommen, die Kläger hätten auf das Schreiben des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) reagieren müssen, um die Annahme einer Erledigungserklärung zu verhindern.
Die von den Klägern geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor, denn dem angefochtenen FG-Urteil und der benannten BFH-Entscheidung liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.
Die BFH-Entscheidung in BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270 betraf einen Fall, in dem das FA zwar einen Abhilfebescheid erlassen hatte, dieser aber dem bei Einlegung des Einspruchs gestellten Rechtsbehelfsantrag nicht in vollem Umfang entsprach. Demgegenüber waren im vorliegenden Streitfall die ursprünglichen Streitpunkte vollständig ausgeräumt. Die Kläger hatten zwar in ihrem das Streitjahr betreffenden Einspruch nicht nur geltend gemacht, bestimmte Einkünfte seien doppelt erfasst, sondern sich zugleich auf das Vorliegen von Festsetzungsverjährung berufen. Sie haben jedoch in ihrem Schreiben an das FA vom 28. Februar 2006, auf welches das FG Bezug genommen und dessen Inhalt es somit festgestellt hat, nicht nur ihr Einverständnis damit erklärt, den Steuerbescheid des Streitjahres 1988 unverändert zu lassen und eine erforderliche Korrektur erst im Bescheid des Folgejahres 1989 vorzunehmen. Vielmehr haben sie in diesem Schreiben (auf der letzten Seite) zugleich erklärt, "bezüglich des Streitjahrs 1988 sei unstreitig keine Festsetzungsverjährung eingetreten". Die rechtskundig vertretenen Kläger haben damit zum Ausdruck gebracht, dass die gesamten in Bezug auf das Streitjahr 1988 aufgeworfenen Streitpunkte ausgeräumt waren.
2. Das angefochtene Urteil leidet auch nicht an einem qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO.
Dieser Revisionszulassungsgrund ist nur dann gegeben, wenn das angefochtene Urteil unter einem besonders schwerwiegenden Mangel leidet, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein solcher liegt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung nur vor, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Unterhalb dieser Schwelle liegende Rechtsfehler begründen die Revisionszulassung nicht (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
Ein solch schwerwiegender Mangel ist im Streitfall nicht gegeben. Es ist zwar fraglich, ob die Annahme des FG rechtlich zutreffend ist, die Kläger hätten stillschweigend eine Erledigungserklärung abgegeben, weil sie auf das Schreiben des FA vom 12. Juni 2006 nicht reagiert hätten. Denn die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger hatten in ihrem zuvor ergangenen Schreiben vom 28. Februar 2006 ausdrücklich mitgeteilt, für das Streitjahr 1988 "könnte eine Einspruchsentscheidung ergehen". Dementsprechend hätte das FG auch diese Äußerung bei der Beurteilung, ob das Schweigen der Kläger auf das Schreiben des FA vom 12. Juni 2006 als Erledigungserklärung zu werten war, mitberücksichtigen müssen.
Ungeachtet dessen, dass Rechtskundige mit ihren Erklärungen beim Wort zu nehmen sind (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. August 2009 VIII B 95/09, BFH/NV 2010, 217), ist die Würdigung des FG nicht völlig unvertretbar. Nach dem eigenen Vortrag des Prozessvertreters der Kläger waren für das Streitjahr 1988 alle Streitpunkte ausgeräumt. Da der Prozessvertreter auf den Hinweis des FA auf das Fehlen offener Streitpunkte für das Streitjahr 1988 nicht reagiert hat, kann in der stillschweigenden Annahme, das Begehren auf Erlass einer Einspruchsentscheidung für das Jahr 1988 sei überholt, keine greifbare Gesetzwidrigkeit gesehen werden.