Entscheidungsdatum: 18.10.2011
NV: Stellt der Kläger Beweisanträge, um eine vom FA im Wege des inneren Betriebsvergleichs (Nachkalkulation) vorgenommene Schätzung der Betriebseinnahmen zu widerlegen, und erhebt das FG die angebotenen Beweise nicht, weil es seine Entscheidung auf einen äußeren Betriebsvergleich (Anwendung der Richtsätze) stützt, verletzt es seine Pflicht zur Sachaufklärung jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt einer Nichterhebung der angebotenen Beweise, da diese auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung unerheblich waren.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2000 und 2001 insgesamt fünf Gewerbebetriebe, darunter zwei Gaststätten. Er reichte seine Steuererklärungen für die Streitjahre erst im Jahr 2007 --während des bereits anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens-- ein.
Zunächst waren zahlreiche Einzelpunkte streitig, über die in insgesamt fünf mündlichen Verhandlungen vor dem Finanzgericht (FG) weitgehend Einigkeit erzielt werden konnte. Streitig blieb die Gewinnermittlung für eine der Gaststätten, weil die Rohgewinnaufschlagsätze, die sich aus der Gewinnermittlung des Klägers ergaben (33 % für das Streitjahr 2000), weit unterhalb der Spanne der Richtsätze (150 bis 317 %) lagen. Insoweit führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Jahr 2010 eine auf die Gaststätte beschränkte Außenprüfung beim Kläger durch, um die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Die Prüfung führte wegen erheblicher Buchführungsmängel zu Hinzuschätzungen in Höhe von brutto 80.000 DM (2000) bzw. 90.000 DM (2001) und zu entsprechend geänderten Steuerbescheiden. Der Kläger brachte hiergegen im Schriftsatz vom 29. April 2010 zahlreiche Einwendungen vor, u.a. zur Höhe des Schank- und Anzapfverlusts beim Fassbierausschank. Er benannte hierzu eine Zeugin und beantragte hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Das FG setzte die Hinzuschätzungen auf 64.774 DM (2000) bzw. 81.014 DM (2001) herab und wies die Klage im Übrigen ab. Dem Grunde nach sei die Schätzungsbefugnis wegen der gravierenden Mängel der Kassenbuchführung des Klägers gegeben. Der Kläger habe weder Kassenberichte gefertigt noch Ursprungsaufzeichnungen über die Einnahmen aufbewahrt. Er habe lediglich Blätter vorlegen können, auf denen er die täglichen Kasseneinnahmen --zudem noch gerundet-- monatsweise zusammengeschrieben habe. Barausgaben, Einlagen, Entnahmen, Kassenbestände, Bankkontoeinzahlungen oder Bewegungen zwischen den verschiedenen vom Kläger geführten Kassen seien nicht dokumentiert worden.
Hinsichtlich der Höhe der Schätzung seien die zahlreichen vom Kläger erhobenen Einwendungen durch das FG nur eingeschränkt überprüfbar. Daher sei in Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis des FG ein Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe der Untergrenze der für die Streitjahre geltenden Richtsatzspanne (150 %) zugrunde zu legen. Die Erhebung der vom Kläger angebotenen Beweise erübrige sich daher.
Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.
Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichterhebung angebotener Beweise würde u.a. voraussetzen, dass das FG die beantragte Beweiserhebung auch auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung hätte durchführen müssen. Ob die materiell-rechtliche Auffassung des FG zutreffend ist, ist im Rahmen der Prüfung entsprechender Verfahrensrügen ohne Belang (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.b, m.w.N.).
Vorliegend hat das FG die Beweiserhebung für nicht erforderlich gehalten, weil es im Gegensatz zum FA seine Schätzung nicht auf einen inneren Betriebsvergleich durch Nachkalkulation der Umsätze des Klägers gestützt hat --allein hierauf bezogen sich die Beweisanträge des Klägers--, sondern eine pauschale Schätzung anhand der Richtsätze (äußerer Betriebsvergleich) vorgenommen hat. In Bezug auf diese Schätzungsmethode waren die Beweisanträge des Klägers ersichtlich ohne Belang.
Die Beschwerde des Klägers könnte daher nur Erfolg haben, wenn er dargelegt hätte, dass hinsichtlich der Wahl einer abweichenden Schätzungsmethode durch das FG ebenfalls ein Zulassungsgrund vorliege. Hierzu hat er indes lediglich --in pauschaler Weise-- vorgetragen, das FG habe in anderen Klageverfahren des Klägers, die sich auf frühere Veranlagungszeiträume bezogen hätten, "bei teilweise gleichem Sachverhalt" eine Beweisaufnahme durchgeführt. Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme habe erkennen lassen, dass die amtlichen Richtsätze auf den Betrieb des Klägers keine Anwendung finden könnten, da "einzelne Sachverhalte" in den Richtsätzen nicht berücksichtigt seien.
Mit diesem Vorbringen kann der Kläger jedoch weder einen Verfahrensmangel des FG noch die Voraussetzungen eines der materiell-rechtlichen Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO darlegen. Es fehlt an jeglichen Ausführungen dazu, welche Beweise das FG in den früheren Klageverfahren erhoben hat, welches Ergebnis die Beweisaufnahmen hatten, und welche "einzelnen Sachverhalte" in den Richtsätzen nicht berücksichtigt sein sollen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger im Schriftsatz vom 30. September 2009 während des finanzgerichtlichen Verfahrens ausdrücklich die Vergleichbarkeit der sich für die Vorjahre 1998 und 1999 ergebenden Werte mit denen der Streitjahre 2000 und 2001 bestritten hatte. Vor diesem Hintergrund hätte seine nunmehrige pauschale Einlassung, es liege ein "teilweise gleicher Sachverhalt" vor, näherer Erläuterungen bedurft.