Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 12.02.2018


BFH 12.02.2018 - X B 64/17

Sachaufklärungspflicht - vorweggenommene Beweiswürdigung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
12.02.2018
Aktenzeichen:
X B 64/17
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2018:B.120218.XB64.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Münster, 21. März 2017, Az: 2 K 502/15 E, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann. Liegen diese Ausnahmetatbestände nicht vor, muss das FG angebotene Beweisunterlagen auch dann entgegennehmen und würdigen, wenn es nicht davon ausgeht, dass diese die im Beweisantrag enthaltene Tatsachenbehauptung bestätigen .

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21. März 2017  2 K 502/15 E aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2006 und 2007 einen Einzelhandel mit gebrauchten Kfz. Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes.

2

Im Rahmen einer im Jahr 2009 vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) durchgeführten Außenprüfung fielen dem Prüfer Zahlungseingänge aus dem Ausland in Höhe von insgesamt 181.788 € (Jahr 2006) und 209.751 € (Jahr 2007) auf, die auf dem Betriebskonto des Klägers verbucht worden waren. Nach Angaben des Klägers sollte es sich hierbei um Darlehenszahlungen der Firma X, Dubai handeln. Zur Aufklärung des Sachverhalts forderte der Prüfer vom Kläger u.a. die Vorlage des Darlehensvertrages und Nachweise zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Darlehensgebers.

3

Der Kläger legte u.a. eine vor einem deutschen Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung des Inhabers der Firma X, Herrn A (A) vor. Danach bestätigte A, dass es sich bei den Überweisungen um ein Darlehen mit einem Zinssatz von 2 % pro Jahr handelte. Die Tilgung sollte nach den Möglichkeiten des Klägers erfolgen. Einen entsprechenden Darlehensvertrag legte der Kläger nicht vor.

4

Das FA kam zu dem Ergebnis, dass die Geldzuflüsse den Betriebseinnahmen zuzurechnen seien, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sei. In der Buchführung des Klägers seien weder Zinsverbindlichkeiten noch Tilgungsleistungen ausgewiesen worden. Zu beachten sei auch, dass im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung beim Kläger ein mit Unterschrift versehener Blankobrief der Firma X beschlagnahmt worden sei.

5

Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das FA habe zu Recht die als Darlehen deklarierten Geldzuflüsse im Wege der Schätzung als Betriebseinnahmen qualifiziert, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung nicht in der gebotenen Art und Weise nachgekommen sei. Der Senat sei nicht zur weiteren Sachaufklärung verpflichtet.

6

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts und wegen Verfahrensmängeln. Der Kläger habe dem Gericht in der mündlichen Verhandlung Buchungsbelege überreichen wollen, die zeigen würden, dass der Kläger in den Jahren 2012 bis 2016 Tilgungsleistungen erbracht habe. Das FG habe die angebotenen Belege nicht beachtet.

7

Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Bei Berücksichtigung der angebotenen Nachweise für die behaupteten Tilgungsleistungen wäre das Urteil des FG nicht anders ausgefallen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

9

Das FG hat gegen die ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es die in der mündlichen Verhandlung angebotenen Nachweise hinsichtlich der Tilgungsleistungen des Klägers in den Jahren 2012 bis 2016 nicht gewürdigt hat, obwohl hierzu Anlass bestand. Danach liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

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1. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben.

11

a) Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn das FG einen entscheidungserheblichen Beweisantrag übergeht (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2015 X B 6/15, BFH/NV 2015, 1265, Rz 12). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650, unter II.1.a, sowie Senatsbeschlüsse vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32, Rz 13, und vom 8. Januar 2014 X B 68/13, BFH/NV 2014, 566, Rz 13).

12

b) Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags bezüglich der Tilgungsleistungen des Klägers in den Jahren 2012 bis 2016 vor. Aus dem Beschluss des FG zum Antrag des Klägers auf Protokollberichtigung ergibt sich, dass der Klägervertreter dem Gericht angeboten hatte, Buchungsbelege zu überreichen, welche die Rückzahlung des Darlehens dokumentieren sollten. Dieser Beweisantrag war hinreichend substantiiert und auch nicht offensichtlich untauglich. Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Inhalt der Buchungsbelege für die Entscheidung des Streitfalls erheblich ist. Vorliegend war streitig und nach Ansicht des FG nicht feststellbar, ob die Zahlungseingänge auf dem Konto des Klägers auf einem Darlehensvertrag beruhten oder ob es sich dabei um Betriebseinnahmen handelte. Sofern der Kläger in den Jahren 2012 bis 2016 tatsächlich Tilgungsleistungen erbracht hätte, wäre dies ein Indiz für das Vorliegen eines Darlehensvertrages. Dem Beweisantrag ist das FG jedoch nicht nachgekommen. Sollte das FG die Auffassung vertreten haben, seine Beurteilung könne in keinem Fall durch die angebotenen Buchungsbelege geändert werden, so wäre dies --ungeachtet der vom FG zutreffend erkannten zahlreichen Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der angeblichen Darlehensgewährung-- eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses. Nachdem das FG die vom Kläger behaupteten Tilgungsleistungen nicht als wahr unterstellte, hätte es die angebotenen Buchungsbelege entgegennehmen und würdigen müssen, anstatt die Buchungsbelege unbesehen zurückzuweisen. Unerheblich ist deshalb die auch aus Sicht des Senats fragwürdige Qualität der angebotenen Unterlagen. Schließlich handelt es sich lediglich um Buchungsbelege, die nur sehr bedingt geeignet erscheinen, Rückschlüsse auf Tilgungsleistungen in den Streitjahren zuzulassen. Unklar bleibt auch die Art und Weise der Zahlungen, die anscheinend im Wege der Verrechnung vorgenommen worden sind. Nicht alle Gegenkonten erschließen sich auf Anhieb und ohne weitere Erläuterungen. Zinszahlungen sind lediglich in Höhe von 0,01 € (31. Dezember 2014) erkennbar. All dies hätte das FG (auch) im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigen können, vorausgesetzt, es hätte die Unterlagen beachtet.

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2. Da das Urteil bereits aufgrund dieses Verfahrensfehlers keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen des Klägers.

14

3. Der beschließende Senat hält es für angezeigt, gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren.

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4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, der auch für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt, abgesehen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2001 VI B 156/00, BFH/NV 2001, 808).

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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.