Entscheidungsdatum: 10.12.2012
1. NV: Für eine zulässige Divergenzrüge sind die divergierenden abstrakten Rechtssätze der behaupteten Divergenzentscheidung und der angefochtenen Entscheidung deutlich herauszuarbeiten.
2. NV: Allein mit dem Vortrag, das FG-Urteil sei rechtlich fehlerhaft, wird eine Divergenz nicht dargelegt.
3. NV: Eine Verletzung rechtlichen Gehörs wird nicht dargetan, wenn lediglich geltend gemacht wird, das FG sei dem (wenn auch inhaltlich zutreffenden) Klägervortrag nicht gefolgt.
4. NV: Wird eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweisanträgen gerügt, so sind diese Beweisanträge genau zu bezeichnen. Eine pauschale Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren genügt nicht.
5. NV: Die Prüfung, ob eine zulässige Klageänderung vorliegt, findet im Revisionsverfahren nur statt, wenn die Revision aus anderen Gründen zuzulassen wäre.
I. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) eine Klage auf Aufhebung von Aufteilungsbescheiden nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung abgewiesen hat. Die Klägerin rügt Verfahrensmängel, namentlich die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Übergehen von Beweisangeboten, Verstöße gegen den klaren Inhalt der Akten sowie gegen die Gesetze der Logik und Denkgesetze. Letztlich sei auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Klägerin genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.
1. Die von der Klägerin gerügte Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden.
a) Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes Finanzgericht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2012 X B 1/12, BFH/NV 2012, 1616; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075, und vom 20. Juli 2009 X B 238/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R913; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 54).
Dies ist deutlich herauszuarbeiten (vgl. z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 2075, m.w.N.).
b) Die Rüge der Klägerin, das angefochtene Urteil verstoße gegen die BFH-Rechtsprechung zu der Frage, wann eine Klageänderung i.S. des § 67 FGO zu verneinen sei, genügt dem nicht.
Die Klägerin stellt in Bezug auf die behauptete Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 den Rechtssatz auf, keine Klageänderung i.S. des § 67 FGO sei der Austausch der Klagebegründung, und belegt diesen mit Literaturstimmen und den BFH-Urteilen vom 14. November 1995 VIII R 3/95, 4/95, 5/95 (BFH/NV 1996, 481) und vom 11. Februar 2009 X R 51/06 (BFHE 226, 1, BStBl II 2009, 892). Im Übrigen erschöpft sich ihre Beschwerdebegründung im Wesentlichen in den Aussagen, dass nach ihrer Rechtsauffassung keine Klageänderung (im Wege der nachträglichen Klagehäufung) nach § 67 FGO gegeben sei, weil lediglich die Klagebegründung dahin ergänzt worden sei, dass die Nichtigkeit der den streitgegenständlichen Aufteilungsbescheiden zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 auf die Aufteilungsbescheide durchgreife. Dem von ihr aufgestellten Rechtssatz hat sie jedoch keinen --abweichenden-- Rechtssatz aus dem FG-Urteil gegenübergestellt, sondern lediglich die Richtigkeit des Urteils anhand dieser Maßstäbe bestritten.
Im Übrigen lässt sich dem FG-Urteil tatsächlich kein divergierender Rechtssatz entnehmen. Die Klägerin verkennt augenscheinlich, dass sie nicht nur --mit Schriftsatz vom 26. Januar 2011-- ihre Klagebegründung erweitert hat, sondern dass sie nunmehr --daneben-- auch die Feststellung der Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 begehrt (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2011). Dies ist unzweifelhaft eine Erweiterung des Klagebegehrens, ungeachtet der Frage, welche Bedeutung im Übrigen der Vortrag für die Aufteilungsbescheide hat.
c) Das Vorbringen der Klägerin, das FG weiche von dem Rechtssatz ab, dass die Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 dazu führe, dass die streitgegenständlichen Aufteilungsbescheide (zumindest) rechtswidrig und deshalb aufzuheben seien, rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Es handelt sich schon nicht um einen abstrakten Rechtssatz, sondern um ein fallbezogenes Subsumtionsergebnis. Es fehlt dementsprechend an der Bezeichnung einer Divergenzentscheidung, die einen solchen Rechtssatz enthält.
Schließlich hat die Klägerin diese Divergenzrüge erstmalig im Schriftsatz vom 12. August 2011 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 FGO erhoben, so dass sie unbeachtlich ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 22). In der Beschwerdebegründung vom 24. Mai 2011 hatte die Klägerin in diesem Punkt noch keine Divergenz, sondern ein Verkennen ihres Vortrags gerügt.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
a) Die Klägerin beanstandet, das FG habe den eindeutigen Klägervortrag verkannt, dass die Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide zu deren Unwirksamkeit führe, so dass auch keine Steuerschuld hätte aufgeteilt werden können. Hierin ist, wenn die Klägerin dies auch nicht ausdrücklich ausgeführt hat, die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 119 Nr. 3 FGO zu sehen.
Die Klägerin hat jedoch nicht dargelegt, woraus sie folgert, das FG habe sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Vielmehr ist den Entscheidungsgründen zu entnehmen, dass das FG dies getan hat, wenn auch wohl in rechtlich fehlerhafter Weise: Eine etwaige Nichtigkeit der Steuerbescheide dürfte auf die Aufteilungsbescheide durchgreifen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 1. März 2001 VIII B 134/00, nicht veröffentlicht, juris), weil die Aufteilung sich denknotwendig nur auf rückständige, also existente Steuern beziehen kann.
Das FG hat unter II.1. --wenn auch unter dem Thema der Klageänderung-- ausgeführt, es sei ein völlig neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt worden. Dem ist zu entnehmen, dass es den Vortrag der Klägerin in Bezug auf die Aufteilungsbescheide aus Rechtsgründen nicht für relevant hielt. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass das Gericht den Kläger "erhören", sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste (BFH-Beschluss vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397). Ob es dies richtigerweise hätte tun müssen, ist eine Frage der materiell-rechtlichen Richtigkeit der Entscheidung, die grundsätzlich die Zulassung der Revision nicht ermöglicht. Rechtsfehler können nur unter engen Voraussetzungen die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bewirken, wenn sie besonders schwerwiegend sind (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 22. August 2012 X B 155/11, BFH/NV 2012, 2015). Eine entsprechende Rüge hat die Klägerin nicht erhoben, erst recht die Voraussetzungen nicht im Einzelnen dargelegt.
b) Soweit die Klägerin das Übergehen von Beweisanträgen rügt, fehlt es an einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Darlegung des Verfahrensmangels.
Das FG verletzt seine Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn es einen aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblichen Beweisantrag ablehnt (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2011 X B 138/10, BFH/NV 2012, 595).
Die Klägerin hat es bereits versäumt, bestimmte Beweisanträge zu bezeichnen, denen das FG nicht nachgekommen sei. Ihre pauschale Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren wird dem Zweck des Begründungszwangs bei der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht, den BFH davon zu entlasten, selbst das Vorliegen etwaiger Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO anhand der Akten ermitteln zu müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. September 2011 X B 144/10, BFH/NV 2012, 3; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 26).
Zudem fehlt es an einem substantiierten Vortrag, inwiefern das Urteil des FG auf dem Übergehen der Beweisanträge beruhen kann. Insbesondere soweit es die Nichtigkeit der den streitgegenständlichen Aufteilungsbescheiden zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 betrifft, war die Frage aus der --maßgebenden-- materiell-rechtlichen Sicht des FG nicht erheblich, nachdem die Einkommensteuerbescheide durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde X B 190/07 mit Beschluss vom 11. November 2008 rechtskräftig geworden waren.
c) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten rügt, hat sie ebenfalls entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nichts dazu vorgetragen, worin dieser Verstoß liegen soll. Dasselbe gilt für das Vorbringen, das FG habe gegen die Gesetze der Logik und Denkgesetze verstoßen.
3. Soweit die Klägerin erstmalig mit Schriftsatz vom 12. August 2011 (sinngemäß) rügt, die von dem FG (fälschlich) angenommene Klageänderung wäre zulässig gewesen, kann auch dieses Vorbringen nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist gemäß § 67 Abs. 3 FGO nicht selbständig anfechtbar, sodass eine Überprüfung in einem Revisionsverfahren nur dann in Betracht käme, wenn die Revision aus anderen Gründen zuzulassen wäre (BFH-Beschluss vom 10. Juli 2007 VII S 25/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2240; vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 FGO Rz 63). Dies ist vorliegend hingegen nicht der Fall. Im Übrigen ist dieses Vorbringen verspätet.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.