Entscheidungsdatum: 13.06.2013
1. NV: Es ist geklärt, dass aufschiebend bedingte Forderungen grundsätzlich noch nicht zu aktivieren sind, weil sie vor Eintritt der Bedingung rechtlich und regelmäßig auch wirtschaftlich noch nicht entstanden sind.
2. NV: Eine Aktivierung kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn die aufschiebend bedingte Forderung im Einzelfall hinreichend konkretisiert erscheint, weil der Bedingungseintritt zumindest so gut wie sicher ist.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte der Firma X in verschiedenen Verträgen ein Nutzungsrecht eingeräumt. Diese Verträge sollten ursprünglich ab 1985 bis zum Jahr 1992 laufen, wurden dann jedoch wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten von X vorzeitig beendet. Im Gegenzug verpflichtete sich X im Jahr 1988, sofort einen Betrag von … sowie bis zum Erreichen eines Betrags von … jährlich … % ihres Gewinns, höchstens … pro Jahr, zu zahlen.
Aufgrund dieser Vereinbarung errechnete X erstmals für das Jahr 1991 und dann erst wieder für die Streitjahre (1994, 1995, 1996, 1997, 1999 und 2000) Ansprüche des Klägers in unterschiedlicher Höhe, der hieraus keine steuerlichen Konsequenzen zog. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) gelangte demgegenüber zu der Auffassung, die von X geschuldeten Beträge seien unter Berücksichtigung damit zusammenhängender Betriebsausgaben jeweils als in den Streitjahren entstandene Forderungen gewinnerhöhend bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb zu erfassen.
Die gegen die Änderungsbescheide geführten Einspruchsverfahren blieben ebenso wie die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat im Wesentlichen die Auffassung, das dem Kläger aus der Vereinbarung aus dem Jahr 1988 zustehende Recht auf weitere Zahlungen bis zu einem Betrag von … sei von zukünftigen ungewissen Ereignissen --nämlich dem wiederholten Ausweis eines Gewinns im Jahresabschluss von X-- abhängig und somit aufschiebend bedingt gewesen. Im Jahr 1988 sei das Recht deshalb noch nicht zu einer zu aktivierenden Forderung erstarkt, da eine solche zu diesem Zeitpunkt weder rechtlich noch unter den Umständen des Streitfalles wirtschaftlich entstanden sei. Zwar seien mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1988 die wirtschaftlichen Ursachen für die künftigen Forderungen gesetzt gewesen, deren tatsächliches Entstehen sei jedoch mit dem Risiko behaftet gewesen, dass X nicht die erforderlichen Gewinne erzielen werde. Mit dem Entstehen des Anspruchs habe der Kläger zu dieser Zeit auch nicht fest rechnen können.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), Divergenzen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), sowie einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt mangelnder Sachaufklärung durch Übergehung eines Beweisantrags geltend.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
a) Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob bei der Aktivierbarkeit von Forderungen, deren Erfüllung von einer aufschiebenden Bedingung i.S. des § 158 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abhänge, nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und dem Realisationsprinzip zu differenzieren sei, um die Forderungen dem zutreffenden Wirtschaftsjahr zuordnen zu können.
b) Damit legt er indes keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar.
aa) Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 des Handelsgesetzbuchs sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Eine Gewinnrealisierung tritt ein, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen in der Weise erbracht hat, dass ihm die Forderung auf die Gegenleistung (z.B. die Zahlung) --von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen-- so gut wie sicher ist (Senatsurteil vom 23. März 2011 X R 42/08, BFHE 233, 398, BStBl II 2012, 188). Dies ist der Fall, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Januar 2013 I R 33/11, BFHE 240, 226). Demgegenüber kann eine aufschiebend bedingte Forderung grundsätzlich nicht aktiviert werden (Senatsurteil in BFHE 233, 398, BStBl II 2012, 188, m.w.N.; Adler/Düring/Schmaltz --ADS--, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 246 Rz 53), weil sie erst mit Eintritt der Bedingung (= Realisationsereignis) entsteht (§ 158 Abs. 1 BGB). Auch von einer wirtschaftlichen Entstehung kann bei einer echten aufschiebenden Bedingung, bei der der Eintritt noch ungewiss ist, nicht ausgegangen werden (BFH-Urteile vom 26. April 1995 I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594; vom 9. Januar 2013 I R 33/11; vgl. z.B. auch Ellrott/Roscher in Beck Bil-Komm., 8. Aufl., § 247 Rz 77; Kleinle/Dreixler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 6 EStG Rz 906; Schuster, jurisPR-SteuerR 45/2011, Anm. 3, unter C; Bode, Finanz-Rundschau 2011, 1004). Ausnahmsweise kommt eine Aktivierung dann in Betracht, wenn die aufschiebend bedingte Forderung im Einzelfall hinreichend konkretisiert erscheint, was angenommen werden kann, wenn der Bedingungseintritt zumindest so gut wie sicher ist (ADS, a.a.O., HGB § 246 Rz 53; Ellrott/Roscher, a.a.O., § 247 Rz 77).
bb) Auf dieser Grundlage ist die von dem Kläger formulierte Frage dahingehend zu beantworten, dass eine Differenzierung zwischen "wirtschaftlicher Betrachtungsweise" und "Realisationsprinzip" bei der Frage des Zeitpunkts der Aktivierung einer aufschiebend bedingten Forderung nicht in Betracht kommt. Die Aktivierung setzt vielmehr die Realisation voraus, die wiederum erfordert, dass die Forderung entweder rechtlich oder doch zumindest wirtschaftlich entstanden ist, wobei dann weiter mit der künftigen rechtlichen Entstehung fest zu rechnen sein muss.
2. Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene FG-Urteil weiche von den Entscheidungen des BFH vom 3. August 2005 I R 94/03 (BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20) und vom 31. August 2011 X R 19/10 (BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190) ab, genügt diese Rüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 11/02 (BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400) liegt jedenfalls nicht vor.
a) Rügt der Beschwerdeführer --wie hier-- eine Abweichung des angegriffenen FG-Urteils von Entscheidungen des BFH, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten höchstrichterlichen Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 X B 59/05, BFH/NV 2006, 597).
b) Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
aa) Zwar führt der Kläger aus, nach den Urteilen in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 und in BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190 seien Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu aktivieren, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt worden seien und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs rechnen könne. Diese Voraussetzungen seien gegeben, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht, d.h. seine Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt habe, so dass dem Schuldner der Gegenleistung nicht mehr die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zustehe.
Hiervon geht auch --wie aus den Ausführungen auf S. 10 des Urteils ersichtlich-- das FG aus. Entsprechend führt der Kläger im Wesentlichen lediglich aus, dass "so" der Sachverhalt im Streitfall liege. Das FG hätte deshalb zu dem Ergebnis kommen müssen, dass seine gesamte Forderung über … in der Vergangenheit rechtlich entstanden, wirtschaftlich verursacht und damit --soweit nicht zuvor durch Zahlung erfüllt-- bereits zum 31. Dezember 1998 (gemeint ist offensichtlich 1988) als realisiert zu aktivieren gewesen sei. Auf die vom FG als maßgeblich herangezogene Tatsache, dass X nur aus künftigen Gewinnen zu zahlen gehabt habe, käme es damit nicht an.
Mit diesem Vortrag macht der Kläger keine Abweichung im Grundsätzlichen, sondern allenfalls eine Abweichung in der Subsumtion des Einzelfalles geltend, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 X B 17/05, BFH/NV 2006, 761, unter II.6.).
c) Die von dem Kläger gerügte Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400 liegt jedenfalls nicht vor.
Die Ausführungen des I. Senats, wonach ein --ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr betreffender-- Zinsanspruch auch dann in der Bilanz des Gläubigers zu aktivieren sei, wenn nach den Genussrechtsbedingungen der Schuldner die Ansprüche nicht bedienen müsse, solange hierdurch bei ihm ein Bilanzverlust entstehen oder sich erhöhen würde, sind davon getragen, dass es sich um eine "aufschiebend bedingte Entfallensklausel" handelte (vgl. HHR/Kleinle/Dreixler, § 6 EStG Rz 906). Die mögliche Entstehung eines Bilanzverlustes sollte sich mithin nicht auf die Entstehung, sondern nur auf die Fälligkeit des Zinsanspruchs auswirken (BFH-Urteil in BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400, unter II.4.).
Nach dem maßgeblichen Rechtsstandpunkt des FG handelte es sich im Streitfall bei der relevanten Vereinbarung aber gerade anders um eine erst aufschiebend bedingte Forderung. Entsprechend hat sich das FG mit der vom Kläger bereits im Klageverfahren angeführten Entscheidung in BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400 auseinandergesetzt und begründet, warum der Kläger sein Klagebegehren hierauf nicht stützen könne.
Eine Abweichung rührt zudem nicht daher, dass der I. Senat des BFH alternativ ausführt, etwas anderes ergäbe sich im Streitfall auch dann nicht, wenn die Klausel im Sinne einer aufschiebenden Bedingung zu verstehen und hieraus zu folgern wäre, dass die zivilrechtliche Entstehung des Zinsanspruchs vertraglich von der Feststellung des Jahresabschlusses der Schuldnerin abhängig gewesen sei. Diese --auf das Ergebnis des konkreten Falles bezogenen-- Ausführungen basieren darauf, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz die Höhe der zu zahlenden Zinsen in den Genussrechtsbedingungen festgelegt war, die Schuldnerin die versprochenen Zinszahlungen in der Vergangenheit jeweils in vollem Umfang geleistet hatte und am maßgeblichen Stichtag Anhaltspunkte für einen vollständigen oder teilweisen Ausfall der Zinsansprüche nicht gegeben waren. Bei diesem konkreten Sachverhalt war nach Ansicht des I. Senats (ausnahmsweise) ein hinreichend sicherer künftiger Anspruch gegeben. Nach der Rechtsauffassung des FG stand demgegenüber im Streitfall Ende des Jahres 1988 keineswegs sicher fest, ob die ergriffenen Maßnahmen langfristig Wirkung zeigen würden und X in den folgenden Jahren einen ausreichenden "profit" erwirtschaften würde. Tatsächlich ist es erstmals im Jahr 1991 zu einem geringen Gewinn bei X und dann erst wieder regelmäßig ab dem Jahr 1994 zu einem solchen gekommen.
3. Auch die Rüge eines übergangenen Beweisantrags laut Sitzungsniederschrift führt nicht zur Zulassung der Revision. Das angefochtene Urteil leidet nicht an dem gerügten Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO).
a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten worden sind. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene (substantiierte) Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (z.B. BFH-Beschluss vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561).
b) Nach den Ausführungen des FG erlaubte die von den Vertragsparteien in der Vereinbarung aus dem Jahr 1988 gewählte Formulierung nicht den Schluss, dass X neben dem Betrag von … auch einen Betrag von … fest zugesagt habe und dieser vom Kläger lediglich gestundet worden sei. Selbst wenn die Vertragsparteien dieses Ziel --wie unter Beweis gestellt-- "ursprünglich" verfolgt haben sollten, ändere dies nichts daran, dass dieser Wille in der tatsächlichen Vereinbarung keinen Niederschlag gefunden habe. Dass der Kläger entgegen der Formulierung seines Antrags darüber Beweis erhoben haben wollte, welches Ziel "mit" der Vereinbarung aus dem Jahr 1988 verfolgt worden sei, könne der Senat ausschließen, da dieser eine diesbezüglich vorgeschlagene Ergänzung nicht aufgegriffen habe.
Ausgehend von dieser Sachverhaltswürdigung und der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG kam es auf die unter Beweis gestellten ursprünglichen Zielvorstellungen nicht entscheidungserheblich an. Infolge der laut der Auffassung des FG im Hinblick auf den Beweisantrag anzunehmenden Differenzierung, gegen die der Kläger sich auch in der Beschwerdebegründung nicht wendet, ist nicht ersichtlich, dass das Urteil bei durchgeführter Zeugenvernehmung anders ausgefallen wäre.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.