Entscheidungsdatum: 26.10.2011
1. NV: Ist eine Personengesellschaft zunächst als gewerblich (Grundstückshandel) angesehen worden und ist der gesondert und einheitlich festgestellte Gewinnanteil im Einkommensteuerbescheid eines Gesellschafters erfasst worden, bedarf es keiner Änderung dieses Einkommensteuerbescheids, wenn die Personengesellschaft in einem später ergehenden Feststellungsbescheid als vermögensverwaltend angesehen wird, das Wohnsitz-FA aber zu dem Schluss kommt, der Gesellschafter habe seine Beteiligung im Betriebsvermögen eines in seiner Person bestehenden gewerblichen Grundstückshandels gehalten.
2. NV: Der erforderliche Rechtsschutz wird dem Gesellschafter in derartigen Fällen dadurch gewährt, dass er Anspruch auf Bescheidung eines auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten Antrags auf Änderung seines Einkommensteuerbescheids hat.
3. NV: Wer einem Ruhen des Verfahrens zustimmt, kann sich später nicht auf eine überlange Verfahrensdauer berufen.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war zu 50 % an einer GbR beteiligt, die ein im Juli 1992 erworbenes unbebautes Grundstück bebaute und im Juli 1993 --noch vor Fertigstellung des Gebäudes-- wieder veräußerte. Ferner war die Klägerin zu 50 % an einer gewerblich geprägten KG beteiligt, die in den Jahren 1994 bis 1996 insgesamt drei Objekte erwarb und wieder veräußerte.
Für die GbR stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 12. Januar 1998, gegen den die GbR Einspruch einlegte, für das Jahr 1993 zunächst Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 946.603 DM fest. Am 11. Februar 1998 erging ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid gegen die Klägerin, in dem deren Gewinnanteil aus der GbR (473.301 DM) sowie die Einkünfte aus der KG (./. 4.936 DM) angesetzt wurden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig; er wurde am 28. August 2000 --aus hier nicht im Streit befindlichen Gründen-- geändert.
Das Einspruchsverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für die GbR ruhte zunächst gemäß § 363 Abs. 2 AO. Nach Ergehen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. April 2005 GrS 2/02 (BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679) erließ das FA am 24. Februar 2006 einen Teilabhilfebescheid, mit dem es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 0 DM feststellte, dafür aber Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 15.985 DM ansetzte. Im Übrigen wies es den Einspruch am 27. Februar 2006 zurück. Zur Erledigung des nachfolgenden Klageverfahrens der GbR erging am 8. Mai 2006 ein weiterer Änderungsbescheid, mit dem das FA die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften auf ./. 6.744 DM herabsetzte.
Am 28. Februar 2006 stellte die Klägerin den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids 1993 im Hinblick auf den geänderten Feststellungsbescheid (Anpassung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Das FA lehnte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, nach dem BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 seien die von der GbR zunächst erzielten nichtgewerblichen Einkünfte auf der Ebene der Klägerin in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren. Da die Klägerin sonach im Ergebnis Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der im Bescheid vom 28. August 2000 angesetzten Höhe erzielt habe, komme eine Änderung dieses Bescheids nicht in Betracht. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur insoweit statt, als es um 300 DM geringere anteilige Einkünfte der Klägerin aus der Veräußerung des Grundstücks durch die GbR ermittelte. Im Übrigen wies es die Klage ab. Auf der Ebene der Klägerin sei ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen. Die Klägerin habe über ihre beiden Beteiligungen innerhalb von fünf Jahren mindestens vier Objekte veräußert. Die daraus resultierende Indizwirkung habe sie nicht widerlegen können.
Das FG hat im Tenor seiner der Klägerin am 8. November 2010 zugestellten Entscheidung die Revision nicht zugelassen, in der Rechtsmittelbelehrung jedoch ausgeführt, dass die Revision gegeben sei. Mit einem auf § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Berichtigungsbeschluss vom 16. November 2010 (der Klägerin zugestellt am 25. November 2010) hat das FG die Rechtsmittelbelehrung dahingehend berichtigt, dass nunmehr über die Voraussetzungen der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde belehrt wurde.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängeln.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind entweder bereits nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden, oder sie liegen jedenfalls nicht vor.
1. Der Senat kann offenlassen, ob die von der Klägerin in ihrem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsatz vom 26. April 2011 (vgl. zum Fristenlauf in Fällen der späteren Berichtigung einer zunächst unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 55 Rz 22, m.w.N.) formulierte Rechtsfrage nur als --zulässige-- Erläuterung der Ausführungen im fristgerecht eingegangenen Schriftsatz vom 4. Februar 2011 anzusehen ist oder ob damit erstmals der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vorgetragen worden ist. In jedem Fall liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht vor.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 X B 43/10, BFH/NV 2011, 636, unter II.1.).
Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (Senatsbeschluss vom 6. November 2002 X B 30/02, BFH/NV 2003, 169). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2011, 636, unter II.1., und vom 14. April 2011 X B 104/10, BFH/NV 2011, 1343, unter b).
b) Die Klägerin hält es für klärungsbedürftig, ob es auf der Grundlage des BFH-Beschlusses in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 zulässig ist, "einen in jeder Hinsicht bestandskräftigen Verwaltungsakt außerhalb des dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahrens (Veranlagungsverfahrens) mit einer völlig neuen Begründung zu versehen" und außerhalb des dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahrens die fehlende Anhörung und fehlerhafte Begründung des Verwaltungsakts zu heilen. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 11. Februar 1998 habe der Klägerin kein Rechtsbehelf zur Verfügung gestanden. Sie sei vielmehr in das Verfahren über einen Änderungsantrag nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gedrängt worden. Dies verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Richtigerweise hätte das FA den Einkommensteuerbescheid zunächst an die Änderung des Feststellungsbescheids anpassen müssen. Die vom Großen Senat des BFH vorgesehene Umqualifizierung hätte das FA erst danach, und auch nur im Zuge eines neuen Veranlagungsverfahrens durchführen dürfen. Dann hätte die Klägerin sich aber erfolgreich auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung berufen können.
c) Eine Klärungsbedürftigkeit in dem von der Klägerin begehrten Sinne besteht nicht. Sowohl die Grundsätze, die zur Umqualifizierung der aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft bezogenen Einkünfte auf der Ebene des Gesellschafters gelten, als auch die Grundsätze zur Auslegung der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 177 Abs. 2 AO sind in dem Sinne geklärt, wie sie das FA in seiner Einspruchsentscheidung erläutert hat, der das FG im Ergebnis gefolgt ist.
Das FA hat dort zu Recht ausgeführt, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nur hätte vorgenommen werden können, wenn die Höhe der Steuer unzutreffend festgesetzt worden wäre. Denn in Bestandskraft erwächst allein die Höhe der Steuer, nicht aber eine bestimmte Begründung des Bescheids. Selbst wenn aufgrund des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorgelegen hätten, wäre zu prüfen gewesen, ob wegen anderweitiger Rechtsfehler --hier: der bisher unterbliebenen Erfassung der Einkünfte aus einem in der Person der Klägerin bestehenden gewerblichen Grundstückshandel-- eine Saldierung auf der Grundlage des § 177 Abs. 2 AO vorzunehmen gewesen wäre (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 10. August 2006 II R 24/05, BFHE 214, 105, BStBl II 2007, 87, unter II.5.a).
Diese Grundsätze sind geklärt. Die Vorstellung der Klägerin, es sei zunächst eine isolierte Anpassung an den geänderten Grundlagenbescheid vorzunehmen und erst in einem anschließenden, neuen Veranlagungsverfahren --nach Eintritt der Festsetzungsverjährung-- zu prüfen, ob auf der Ebene der Klägerin eine Umqualifizierung der Einkünfte vorzunehmen sei, wird in Rechtsprechung und Literatur --soweit ersichtlich-- nirgends geteilt. Auch die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung keine entsprechenden Fundstellen angeben können.
Die Klägerin missversteht das von ihr angeführte BFH-Urteil vom 21. Februar 2006 IX R 80/98 (BFH/NV 2006, 1247), wenn sie dieser Entscheidung entnimmt, die Umqualifizierung dürfe nur in einem neuen Veranlagungsverfahren getroffen werden. Die vom IX. Senat --im Anschluss an den Beschluss des Großen Senats in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679-- verwendete Formulierung, die Beurteilung, ob sich bei dem Gesellschafter die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte umwandeln, bleibe dem für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständigen (Wohnsitz-)Finanzamt "im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer vorbehalten", besagt nicht mehr, als dass die Beurteilung auf der Ebene der Einkommensteuer --und eben nicht bereits im Feststellungsverfahren der Personengesellschaft-- zu treffen ist. Ein neues Veranlagungsverfahren ist hierfür aber nicht erforderlich; vielmehr genügt eine Prüfung im Rahmen der Anwendung der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unter Einschluss der --stets zu bedenkenden-- Saldierungsnorm des § 177 Abs. 2 AO.
Der verfassungsrechtliche Anspruch der Klägerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes wird durch diese Regelungslage ersichtlich nicht verkürzt. Denn wenn die Klägerin nach einer zu ihren Gunsten wirkenden Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids meint, die Voraussetzungen für eine Umqualifizierung auf der einkommensteuerlichen Ebene lägen nicht vor, ist diese Frage in vollem Umfang im Rahmen eines --von der Klägerin im Streitfall tatsächlich gestellten-- Änderungsantrags nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu prüfen. Dass in einem solchen Verfahren eine --von der Klägerin vermisste-- eigenständige Prüfung und Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorzunehmen ist, zeigt sich vorliegend schon daran, dass das FG die Einkünfte aufgrund einer eigenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Vergleich zu dem vom FA ermittelten Betrag herabgesetzt hat.
d) Ob der Bescheid vom 11. Februar 1998 --wie die Klägerin meint-- wegen Fehlens der erforderlichen Anhörung und wegen einer fehlerhaften Begründung formell rechtswidrig war, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich; entsprechende Rechtsfragen wären daher nicht klärungsfähig. Denn der Bescheid vom 11. Februar 1998 ist bestandskräftig geworden und im Übrigen durch den nachfolgenden Änderungsbescheid vom 28. August 2000 in seinen Rechtswirkungen suspendiert worden. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist vielmehr allein die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des von der Klägerin gestellten Änderungsantrags.
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) wegen einer Divergenz zwischen dem finanzgerichtlichen Urteil und dem BFH-Urteil vom 6. März 2007 IX R 31/04 (BFH/NV 2007, 1478) begehrt, genügt die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen.
Es fehlt an der erforderlichen Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.).
3. Auch die von der Klägerin bezeichneten Verfahrensmängel sind nicht hinreichend dargelegt worden.
a) Dies gilt zunächst für das Vorbringen, das FA habe die Klägerin verfahrensfehlerhaft nicht zum Einspruchsverfahren der GbR hinzugezogen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der "Verfahrensmängel" i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht umfasst, die dem FG bei der Handhabung seines Verfahrens unterlaufen, nicht hingegen etwaige Mängel des vom FA geführten, vorangegangenen Verwaltungsverfahrens (BFH-Beschluss vom 22. November 2005 V B 22/05, BFH/NV 2006, 586, unter II.2., m.w.N.).
b) Aus demselben Grund kann auch die von der Klägerin gerügte lange Dauer des von der GbR geführten Einspruchsverfahrens keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen. Dass auch die Dauer des von der Klägerin in eigener Sache vor dem FG geführten Klageverfahrens als in verfassungswidriger Weise zu lang anzusehen sein könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das FA in der Einspruchsentscheidung unwidersprochen ausgeführt hat, das Einspruchsverfahren der GbR habe gemäß § 363 Abs. 2 (gemeint: Satz 1) AO geruht. Ein Ruhen nach dieser Vorschrift setzt indes die Zustimmung des Einspruchsführers voraus. Wer eine solche Zustimmung erteilt, kann sich später nicht auf eine überlange Verfahrensdauer berufen. Hinzu kommt, dass das Ruhen des Einspruchsverfahrens im Hinblick auf das vor dem Großen Senat des BFH anhängige Verfahren sachgerecht war.