Entscheidungsdatum: 04.08.2010
1. NV: Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist nur gegeben, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung nach Lage der Akten hätte aufdrängen müssen.
2. NV: Eine abweichende Sachverhaltsdarstellung ist für sich nicht geeignet, die Bindung des Bundesfinanzhofs an den vom FG festgestellten Sachverhalt zu beseitigen.
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.
Um die Zulassung der Revision zu erreichen, muss der Beschwerdeführer substantiiert geltend machen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 FGO).
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt nur in Betracht, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 91). Diese abstrakte Rechtsfrage muss in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig sein.
Nach Auffassung des Klägers ist die Rechtsfrage entscheidungserheblich, ob eine Schätzung rechtswidrig ist, die zwar den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzrahmen nicht verlässt, jedoch nicht das Verhandlungsergebnis einer getroffenen tatsächlichen Verständigung im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung widerspiegelt. Im Zuge einer tatsächlichen Verständigung sei im Rahmen der Schlussbesprechung im Streitfall ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlag im Prüfungszeitraum in Höhe von 303 % bezogen auf den korrigierten Wareneinsatz vereinbart worden.
Die von dem Kläger gestellte Rechtsfrage ist in diesem Rechtsstreit nicht klärungsfähig. Soweit er vorträgt, im Rahmen der Schlussbesprechung sei es zu einer tatsächlichen Verständigung gekommen, ist zu berücksichtigen, dass das Urteil keine Feststellungen über die Schlussbesprechung und eine mögliche tatsächliche Verständigung des Klägers und des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) enthält. Im Tatbestand des Urteils wird lediglich ausgeführt, der Betriebsprüfer habe aufgrund bestimmter Einwände des Klägers den Aufschlag auf Speisen auf 200 % reduziert und auf dieser Grundlage einen Aufschlagsatz auf den gesamten Wareneinsatz für 1999 von 361 %, für 2000 von 321 % sowie für 2001 von 326 % ermittelt.
Abgesehen davon, dass das FA das Zustandekommen einer tatsächlichen Verständigung bestreitet, handelt es sich bei der vom Kläger behaupteten Verständigung auf einen Rohgewinnaufschlag von 303 % auf den korrigierten Wareneinsatz um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung findet (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2008 X B 102/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R702-R705, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Eine abweichende Sachverhaltsdarstellung ist für sich nicht geeignet, die Bindung des BFH an den vom Finanzgericht (FG) festgestellten Sachverhalt zu beseitigen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1995 III R 125/93, BFHE 179, 115, BStBl II 1996, 91, m.w.N.).
2. Soweit der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag bzw. dessen Rügeverlust von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) den Sachverhalt weiter aufklären müssen, wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist nur gegeben, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung nach Lage der Akten hätte aufdrängen müssen (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 91).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers in seiner Beschwerdeschrift nicht. Insbesondere ist nicht vorgetragen oder erkennbar, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf eine tatsächliche Verständigung in der Schlussbesprechung hätte aufdrängen müssen. In dem Erörterungstermin vom 23. April 2009 war dem Vorbringen der Parteien nur zu entnehmen, dass Dissens darüber bestand, welcher Aufschlagsatz auf welchen Wareneinsatz hätte angewendet werden sollen. Auch in der Erklärung des Steuerberaters P vom 23. Januar 2009, in der er ausführt "wie mir in Erinnerung ist, wurde bei der Besprechung von einem durchschnittlichen Rohaufschlag im Prüfungszeitraum von 303 % gesprochen bezogen auf den Wareneinsatz" findet sich kein Hinweis auf eine mögliche tatsächliche Verständigung, dem das FG hätte nachgehen müssen.
3. Daneben enthält die Beschwerdebegründung lediglich Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Das Vorliegen einer solchen Konstellation vermochte der Kläger nicht schlüssig darzulegen. Eine "objektive Willkür" im vorgenannten Sinn hat der BFH im Fall einer auch hier zu beurteilenden Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nur dann bejaht, wenn das vom FG gefundene Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar (wirtschaftlich unmöglich) war (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25) oder krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abwich und in keiner Weise erkennbar war, dass überhaupt Schätzungserwägungen angestellt worden waren (BFH-Beschluss vom 16. Mai 2003 II B 50/02, BFH/NV 2003, 1150; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69).
Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht die Rede sein. Die vom FA und vom FG geschätzten Einkünfte aus dem Restaurantbetrieb des Klägers erweisen sich in der Höhe als realistisch; der Kläger selbst gibt durch die Formulierung der unter 1. behandelten Rechtsfrage zu, dass die "Schätzung nicht den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzrahmen verlässt". Die Erwägungen des Betriebsprüfers und des FG, die zu dem Schätzungsergebnis geführt haben, sind nachvollziehbar und vertretbar.