Entscheidungsdatum: 25.07.2012
1. NV: Die Ablehnung eines Beweisantrags ist u.a. dann kein Verfahrensfehler, wenn das FG die Wahrheit der unter Beweis gestellten Tatsache unterstellt .
2. NV: § 96 FGO gebietet es nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Es ist vielmehr im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen teils der Sache nach nicht vor, teils sind sie nicht ordnungsgemäß dargelegt worden.
1. Es liegt kein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in der Entscheidung des Finanzgerichts (FG), die von dem Kläger benannten Zeugen M, G, N, S, K, L sowie Ö nicht zu vernehmen.
Die Ablehnung eines Beweisantrags ist u.a. dann kein Verfahrensfehler, wenn das FG --wie hier-- die Wahrheit der unter Beweis gestellten Tatsache unterstellt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2008 X B 118/08, BFH/NV 2009, 152; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 76 Rz 29; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Rz 47, jeweils m.w.N.).
a) Das FG hat in den Urteilsgründen erläutert, warum es auf die Vernehmung der Zeugen verzichtet hat. Dazu hat es ausgeführt, dass es sich bei den benannten Zeugen --mit Ausnahme von Ö-- lediglich um Personen gehandelt habe, denen gegenüber C behauptet habe, für die Firma E als Subunternehmer tätig zu sein. Diese Aussagen sind aber --als wahr unterstellt-- für die Beurteilung des Sachverhalts, insbesondere der von dem Kläger durchgeführten geschäftsleitenden Tätigkeiten, nicht relevant. Das gilt auch für die --ebenfalls als wahr unterstellte-- Aussage des Zeugen L, der C als den Ansprechpartner der Firma A für eine bestimmte Tätigkeit im Zusammenhang mit der Abwicklung der Aufträge der Firma E, nämlich der Anmietung von Bürocontainern, angesehen hat. Die Anmietung eines Bürocontainers ist jedoch keine Tätigkeit, die sichere Rückschlüsse für die Entscheidung, ob der Kläger Unternehmerinitiative und –risiko getragen hat, zulässt.
b) Das Vorbringen des Klägers, die Zeugen S und K hätten als seine ehemalige Kollegen bei der Firma B, der Firma, in dessen Diensten er in der Zeit von 1991 bis 1998 gestanden hatte, bestätigen sollen, er --der Kläger-- habe seine Arbeitskraft zu 100 % seinem damaligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, ergibt sich nicht aus seinen Beweisanträgen vom 14. August 2011.
Danach sollte der Zeuge S, der als Baggerfahrer tätig war, zusätzlich zur Tatsache, dass C behauptet habe, der Subunternehmer bei den Arbeiten der Firma E zu sein, bekunden, der Kläger habe der Firma A lediglich beratend und vermittelnd zur Seite gestanden. Aus der eidesstattlichen Erklärung des Zeugen aus dem Jahr 2008 im Rahmen des Verfahrens zum vorläufigen Rechtsschutz ergibt sich jedoch nur, dass C ihm gegenüber geäußert habe, der Kläger sei für ihn beratend tätig. Dieses konnte wie oben dargestellt als wahr unterstellt werden.
Der Zeuge K sollte zudem aussagen, dass er C und den Zeugen X in einem Gespräch gesehen habe, woraus geschlossen werden könne, dass die beiden Kontakt gehabt hätten. Diese Tatsache war jedoch nicht streitig, so dass es auch insofern keiner Vernehmung bedurfte.
c) Das Beweisthema, zu dem der Zeuge Ö gehört werden sollte, war, dass er Arbeitnehmer bei der Firma A eingewiesen und eingestellt sowie im Zusammenhang mit den Aufträgen der Firma E Bußgelder und Geldstrafen beglichen habe. Das Letztere konnte das FG bereits deswegen als wahr unterstellen, als entsprechende Bußgeldbescheide sowie das Urteil des Amtsgerichts H vom 18. Juli 2002 bereits dem Schriftsatz des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 3. März 2006 als Anlagen beigefügt worden waren. Dass der Zeuge Ö das Personal teilweise eingestellt und eingewiesen hat, konnte ebenfalls als wahr unterstellt werden, da das FG davon ausging, dass die vier Brüder A selbst aktiv, z.B. als Kolonnenführer, mit der Erfüllung der Aufträge der Firma E befasst waren.
d) Soweit der Kläger meint, das FG hätte unter Berücksichtigung der Wahrunterstellung zu einer anderen tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung gelangen müssen, wendet er sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336, und vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289). Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
2. Das Vorbringen des Klägers, das FG habe mehrere wesentliche nach dem Akteninhalt klar feststehende Tatsachen nicht beachtet, kann die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ebenfalls nicht rechtfertigen.
Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist dann gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 9. März 2004 X B 68/03, BFH/NV 2004, 1112, m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 96 FGO nicht gebietet, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Es ist vielmehr im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 X B 89/07, BFH/NV 2008, 599, m.w.N.).
a) Der Vorwurf, das FG habe sich nicht mit den notariellen Erklärungen von C vom 28. Mai 2002 und 12. Juni 2002 auseinandergesetzt, ist vor diesem Hintergrund nicht begründet. Das FG ist in dem Tatbestand seines Urteils ausdrücklich auf die Existenz der notariellen Erklärungen des C eingegangen. Dass der Inhalt der Erklärungen in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich gewürdigt wurde, ist vor dem Hintergrund des geringen Beweiswertes der Erklärungen --der Inhalt der Erklärung war vom Kläger vorformuliert worden-- nicht zu beanstanden.
b) Nicht nachvollziehbar ist das klägerische Vorbringen, das FG habe sich nicht mit dem Verbleib des Geldes beschäftigt, und zwar insbesondere mit der Tatsache, dass C auf einem Konto bei der I Bank ein Guthaben von 284.753,82 DM angespart habe, während bei ihm, dem Kläger, keine nennenswerten Beträge gefunden worden seien. Auf S. 13 des Urteils weist das FG darauf hin, dass zum einen der Kläger einen vergleichbaren Geldbetrag für Autos ausgegeben und zum anderen C neben seinem Gehalt weitere Einkommensquellen gehabt habe.
c) Dass die schriftliche Zeugenaussage der Pensionsinhaberin D im Urteil keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden hat, bedeutet ebenfalls nicht, dass sich das FG nicht mit ihr beschäftigt hat. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Zeugin erscheint vor allem deswegen entbehrlich, weil sie lediglich die Modalitäten der Anmietung der Zimmer für die Arbeiter schildern konnte. Diese Informationen spielen aber für die Frage, wer die Geschäftsleitung der Firma A im Zusammenhang mit den Aufträgen der Firma E innehatte, keine Rolle.
d) Auch die Tatsache, dass im Rahmen der Vernehmung des Zeugen Y das Thema der Unfälle im Zusammenhang mit der Firma A angesprochen wurde, zeigt, dass das FG von diesem Tatsachenkomplex Kenntnis hatte, auch wenn er keinen ausdrücklichen Niederschlag in dem Urteil gefunden hat.
3. Schwerwiegende Rechtsanwendungsfehler, die gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnten, sind nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.
Eine Zulassung der Revision wegen fehlerhafter Rechtsanwendung oder fehlerhafter Beweiswürdigung durch das FG kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG im Sinne einer objektiv willkürlichen und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 9. November 2011 II B 105/10, BFH/NV 2012, 254; vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455). Eine Beweiswürdigung ist nur dann willkürlich, wenn sie so schwerwiegende Fehler aufweist, dass sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und offensichtlich jedem Zweck einer Beweiswürdigung zuwiderläuft, so dass ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht (BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2007 IV B 124/06, BFH/NV 2008, 781). In der Beschwerdebegründung muss bei Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden, weshalb die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschluss vom 3. November 2005 V B 9/04, BFH/NV 2006, 248).
Derartig schwerwiegende Rechtsfehler wurden vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Er rügt im Kern die seiner Meinung nach unrichtige Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtssätze zur Unternehmereigenschaft auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt sowie eine fehlerhafte Würdigung der Aussagen der diversen Zeugen durch das FG. Diese behaupteten schlichten Rechtsanwendungsfehler können nicht zur Zulassung der Revision führen.
4. Die vom Kläger gegen die Höhe der Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen.
Wie gerade dargestellt, ist die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2004 X B 142/03, nicht veröffentlicht --n.v.--). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2007 X B 36/07, n.v.). Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich, damit schlechthin unvertretbar ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951; siehe auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht vorgetragen worden. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bei der Schätzung seiner gewerblichen Einkünfte die potentiellen Zahlungen an C hätten berücksichtigt werden müssen, rügt er lediglich eine fehlerhafte Schätzung. Sie ist jedoch nicht willkürlich, da der grundsätzliche Schätzungsansatz des FG, wie er in dem Urteil auf S. 5 beschrieben wird, vom Kläger nicht angegriffen wird. Der Kläger macht lediglich geltend, das FG habe bestimmte --in der Höhe mangels konkreter Anhaltspunkte kaum zu beziffernde-- Zahlungen an C nicht gewinnmindernd berücksichtigt.