Entscheidungsdatum: 08.01.2014
NV: Grundsätzlich bewirkt weder ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1 Satz 4 AO noch gegen die Unterbrechungspflicht des § 10 Abs. 1 Satz 3 BpO 2000, dass Erkenntnisse aus einer solchen Außenprüfung im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen.
I. Im Jahr 2005 begann bei den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) eine Außenprüfung für die Streitjahre 2001 bis 2003, die mit Erstellung des Prüfungsberichts vom 26. April 2006 abgeschlossen wurde. Am 29. Mai 2006 wurde gegen den Kläger aufgrund der Erkenntnisse aus der Außenprüfung ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger behauptet, die Einleitung dieses Verfahrens sei ihm zunächst nicht bekanntgegeben worden. Am 2. Mai 2007 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2001 bis 2003, die auf dem Ergebnis der Außenprüfung beruhten. Die Kläger legten hiergegen Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens wurde das gegen den Kläger gerichtete Ermittlungsverfahren am 21. Mai 2008 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Nach Zurückweisung des Einspruchs erhoben die Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) kam es am 25. März 2011 zu einer tatsächlichen Verständigung, wonach das FA sich bereit erklärte, 50 % bestimmter streitiger Aufwendungen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt; das FG traf eine verfahrensabschließende Kostenentscheidung.
Das FA erließ zur Umsetzung der tatsächlichen Verständigung am 24. Juni 2011 Teilabhilfebescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2003. Zudem setzte es Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2003 fest, soweit der Rechtsbehelf erfolglos geblieben war. Gegen diese Bescheide legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die vorangegangenen Bescheide vom 2. Mai 2007 hätten nicht ergehen dürfen, weil zu diesem Zeitpunkt das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger noch anhängig gewesen sei. Steuerbescheide, die während eines laufenden Ermittlungsverfahrens erlassen würden, seien nichtig. Daher sei die Festsetzungsfrist bei Erlass der Teilabhilfebescheide abgelaufen gewesen, so dass diese nicht mehr hätten ergehen dürfen. Zugleich beantragten die Kläger, die Nichtigkeit der Bescheide vom 2. Mai 2007 festzustellen.
Das FA verwarf den Einspruch gegen die Teilabhilfebescheide vom 24. Juni 2011 als unzulässig und wies den Einspruch gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen als unbegründet zurück. Hiergegen erhoben die Kläger die unter dem Az. 2 K 508/11 vom FG bearbeitete Klage.
Den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit lehnte das FA ab. Nach erfolgloser Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhoben die Kläger auch insoweit Klage (2 K 134/12).
Beide Klagen blieben ohne Erfolg. Das FG sah die Klage gegen die Teilabhilfebescheide sowie die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide vom 2. Mai 2007 als unzulässig an, weil die Bescheide durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen unanfechtbar geworden seien. Im Übrigen fehle es für die Auffassung der Kläger, die Bescheide seien nichtig, an einer Rechtsgrundlage. Die Klage gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen sei unbegründet, weil die Zinsfestsetzung zutreffend sei.
Mit ihren Beschwerden begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz und schwerwiegender Rechtsfehler.
Das FA hält die Beschwerden für unzulässig.
II. Die Beschwerden sind unzulässig.
Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) entsprechenden Weise dargelegt.
1. Wird die Beschwerde darauf gestützt, dass die Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) erforderlich sei, weil das FG von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen sei, setzt die Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.). Daran fehlt es.
a) Die von den Klägern gewählte Formulierung, ihre Auffassung, das Besteuerungsverfahren sei bis zum Abschluss eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auszusetzen, werde "mehr oder weniger" auch vom FG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil vom 21. August 2002 3 K 284/00 (wistra - Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2003, 473) vertreten, stellt bereits keine formgerechte Divergenzrüge dar, weil es an der Herausarbeitung abstrakter Rechtssätze fehlt. Im Übrigen lag der vermeintlichen Divergenzentscheidung kein Verstoß gegen die Belehrungspflichten nach § 393 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung (AO) oder § 10 der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) zugrunde, sondern eine Verletzung der §§ 136, 136a StPO. Mit dem von den Klägern angenommenen Verbot des Erlasses von Steuerbescheiden bzw. der Nichtigkeit gleichwohl erlassener Steuerbescheide befasst sich die genannte Entscheidung ohnehin nicht.
b) Auch das von den Klägern angeführte BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04 (BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364) äußert sich nicht zur Nichtigkeit von Steuerbescheiden.
c) Das von den Klägern darüber hinaus herangezogene BFH-Urteil vom 19. August 2009 I R 106/08 (BFH/NV 2010, 5) enthält die --ihrer Rechtsauffassung entgegenstehende-- Aussage, Verfahrensfehler im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren bewirkten grundsätzlich kein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren.
2. Auch die Voraussetzungen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ausnahmsweise zur Revisionszulassung führen kann, sind nicht hinreichend dargelegt. Ein solcher Rechtsfehler liegt im Übrigen auch nicht vor.
Die Kläger meinen, die unterbliebene Belehrung bewirke nicht nur ein strafrechtliches, sondern auch ein steuerrechtliches Verwertungsverbot sowie die Nichtigkeit erlassener Steuerbescheide. Vertrete das FA zunächst die Auffassung, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung, leite es danach aber gleichwohl ein Ermittlungsverfahren ein, würden die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen so erheblich verletzt, dass nicht erwartet werden könne, dies als verbindlich anzuerkennen.
Indes führt eine Verletzung der in § 393 Abs. 1 Satz 4 AO angeordneten Belehrungspflicht nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht dazu, dass ermittelte Tatsachen im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen (ausführlich BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328; aus jüngerer Zeit nochmals BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2011 V B 37/11, BFH/NV 2012, 956).
Erst recht muss diese Beurteilung für die von den Klägern gesehene Verletzung des § 10 Abs. 1 Satz 3 BpO 2000 gelten, da es sich herbei lediglich um eine --die Gerichte grundsätzlich nicht bindende-- Verwaltungsvorschrift handelt.
3. Auch die weiteren Rügen der Kläger erfüllen die Anforderungen, die an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen zu stellen sind, nicht.
a) Das --nicht näher begründete-- Vorbringen, die Teilabhilfebescheide vom 24. Juni 2011 hätten nicht ergehen dürfen, weil das finanzgerichtliche Verfahren erledigt gewesen sei, lässt nicht erkennen, welcher Zulassungsgrund hiermit geltend gemacht werden soll. Im Übrigen waren die Kläger durch diese Teilabhilfebescheide nicht beschwert, weil im Falle ihres Wegfalls die --nach der zutreffenden Auffassung des FG wirksamen-- vorangegangenen Bescheide vom 2. Mai 2007, die höhere Festsetzungen enthielten, wieder aufgelebt wären.
b) Die Kläger sehen darin, dass das FG ihren Vortrag zu angeblichen Mängeln der ihnen während der Außenprüfung zu erteilenden Belehrungen als unschlüssig angesehen hat, eine Verletzung der dem FG obliegenden Hinweispflichten. Sie setzen sich jedoch nicht damit auseinander, dass das FG im angefochtenen Urteil darauf verwiesen hat, es habe bereits in seinem im vorangehenden Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluss vom 14. Juni 2012 2 V 41/12 auf die Unschlüssigkeit des Sachvortrags hingewiesen.
c) Unschlüssig ist auch das Vorbringen der Kläger, das FG hätte sich damit auseinandersetzen müssen, dass Änderungsbescheide im Anschluss an die Außenprüfung unter Beachtung der Festsetzungsfrist nur bis zum "31.06.2012" hätten ergehen können, die Bescheide tatsächlich aber "erst" am 2. Mai 2007 erlassen worden seien. An dem von den Klägern genannten Bescheiddatum war die Festsetzungsfrist auch nach ihrem eigenen Vorbringen noch nicht abgelaufen.
d) Soweit die Kläger im Beschwerdeverfahren X B 113/12 anführen, das FG hätte sich damit auseinandersetzen müssen, weshalb aufgrund der Einigung in der mündlichen Verhandlung am 25. März 2011 nur ein Teil des Rechtsstreits erledigt gewesen sein soll, ist darauf zu verweisen, dass Streitgegenstand des Klageverfahrens allein die Nichtigkeit der vorangegangenen Bescheide vom 2. Mai 2007 war. Für die Beurteilung, ob diese Bescheide nichtig waren, sind Ereignisse in einer mehrere Jahre später stattfindenden mündlichen Verhandlung ohne Belang.