Entscheidungsdatum: 11.10.2013
1. NV: Strafrechtliche Tatbestandsmerkmale im Strafbefreiungserklärungsgesetz sind unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit auszulegen .
2. NV: Beruht ein Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug/Verlustvortrag, der sich auf einen Feststellungszeitpunkt im Amnestiezeitraum des StraBEG bezieht, auf dem bewussten Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte, werden bei Abgabe einer strafbefreienden Erklärung die nacherklärten Einkünfte steuerrechtlich nach Maßgabe des StraBEG privilegiert, selbst wenn und soweit sie sich im Amnestiezeitraum steuerlich noch nicht auswirken .
1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. September 2013.
2. Im Rahmen der kurzen Begründung des Beschlusses (§ 126a Satz 3 FGO) sieht der Senat von einer Wiedergabe des Tatbestands im Hinblick auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Urteil der Vorinstanz ab.
3. Die in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1924 veröffentlichte Vorentscheidung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Ein zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhafter Grundlagenbescheid kann ein Steuervorteil i.S. von § 370 Abs. 1 (2. Taterfolgsalternative) der Abgabenordnung sein (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. Dezember 2008 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99). Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Steuervorteil in diesem Sinne bereits erlangt, wenn zu Gunsten des Steuerpflichtigen ein fehlerhafter Bescheid über die Feststellung des verbleibenden (vortragsfähigen) Verlustabzugs ergeht (vgl. BGH-Beschluss vom 2. November 2010 1 StR 544/09, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2011, 294).
Ungeachtet der hieran von Teilen der Literatur geübten Kritik ist diese höchstrichterliche Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit bei der Auslegung der strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale im Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) maßgeblich zu berücksichtigen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Kläger und Revisionsbeklagte durch die Abgabe inhaltlich falscher Steuererklärungen für den Amnestiezeitraum unter Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte bereits vor dem maßgeblichen Stichtag des 18. Oktober 2003 (§ 1 Abs. 7 StraBEG) eine vollendete Steuerhinterziehung und damit eine Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG begangen hat. Er war deshalb zur Abgabe einer strafbefreienden Erklärung berechtigt. Die von ihm abgegebene Erklärung unter Angabe der bisher verschwiegenen, im Amnestiezeitraum erzielten Einkünfte hat die formellen und tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt, die zur Strafbefreiung (§ 4 StraBEG) führen.
Der Konzeption des StraBEG entspricht es, dass sich die Strafbefreiung auch steuerrechtlich auswirkt (§§ 8 ff. StraBEG). Der Gesetzeszweck, dem Steuerpflichtigen eine Brücke zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu bauen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2007 X R 31/06, BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344; BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 IX B 59/05, BFH/NV 2005, 1498), wird somit durch eine (doppelte) Privilegierung in strafrechtlicher und in steuerlicher Hinsicht verfolgt. Diesem Gesetzeszweck wird nur eine Gesetzesauslegung gerecht, bei der sich die Privilegierung jedenfalls auf die Nacherklärung von solchen Einkünften erstreckt, die in das zu versteuernde Einkommen von Veranlagungszeiträumen des Amnestiezeitraums einfließen, selbst wenn und soweit sie im Amnestiezeitraum noch keine konkrete steuerliche Auswirkung haben.
Hiervon ausgehend waren die Voraussetzungen für eine Aufhebung der mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG) nicht erfüllt, sodass das Finanzgericht den Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Recht aufgehoben hat.