Entscheidungsdatum: 04.04.2011
1. NV: Enthält die Klageschrift nur die Anträge, das Vorverfahren für notwendig zu erklären und im Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen und teilt der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzend lediglich mit, der Gewinn sei zu hoch geschätzt, so ist das Klagebegehren jedenfalls dann nicht ausreichend bezeichnet, wenn der Kläger den Einspruch ebenfalls nicht begründet hatte .
2. NV: Das gilt auch dann, wenn der Kläger nach der Beschlagnahme von Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft vorübergehend nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage ist, die ausstehenden Steuererklärungen zu fertigen .
Die Beschwerde ist unbegründet. Zwar stellt es nach ständiger Rechtsprechung einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar, wenn über eine in Wahrheit zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (vgl. nur Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 2003 XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514, m.w.N.). Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, der Gegenstand des Klagebegehrens sei --trotz mehrfacher Verlängerung der dafür vom Gericht bestimmten Ausschlussfrist-- vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht hinreichend bezeichnet worden. Die Entscheidung hält indes rechtlicher Nachprüfung stand. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
1. Der Kläger hat den Gegenstand des Klagebegehrens nicht ausreichend bezeichnet.
a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Eine ausreichende Bezeichnung erfordert zumindest die substantiierte und schlüssige Darlegung, was der Kläger begehrt und worin er eine Rechtsverletzung sieht; dadurch soll das Gericht in die Lage versetzt werden, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Fehlt der Klage diese Voraussetzung, ist sie als unzulässig abzuweisen. Wie weit ein Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483; BFH-Beschluss vom 17. Januar 2002 VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306).
b) Für den Fall, dass sich der Kläger mit der Anfechtungsklage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid wendet, in dem der Gewinn geschätzt worden ist, reicht es aus, wenn der Kläger sein mit der Klage verfolgtes Begehren durch die Angabe des Gewinns präzisiert (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1996 I R 91/95, BFH/NV 1996, 900) oder wenn er einen bezifferten Antrag stellt und der Sachverhalt, um den gestritten wird, in groben Zügen aus der Einspruchsentscheidung oder einer Einspruchsbegründung, auf die Bezug genommen wird, erkennbar ist (BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242; vom 5. Juni 1997 IV R 74/96, BFH/NV 1998, 37). Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch durch die Bezugnahme auf eine bei dem Finanzamt nachträglich eingereichte Steuererklärung bezeichnet werden (BFH-Urteile vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895, und vom 2. Juli 1997 I R 28/97, BFH/NV 1998, 175). Nicht ausreichend ist allerdings die bloße Ankündigung einer noch einzureichenden Steuererklärung (BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 2005 III S 17/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1124; vom 16. August 2005 XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239) oder die Behauptung, die Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch geschätzt (BFH-Urteile vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628; in BFH/NV 1998, 37).
c) Der Senat kann letztlich offenlassen, welche Anforderungen im Streitfall an die hinreichende Bezeichnung des Klagebegehrens gestellt werden müssen und wie der Umstand zu berücksichtigen ist, dass der Kläger nach der Beschlagnahme sämtlicher Akten durch die Staatsanwaltschaft nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen in der Lage gewesen ist, die ausstehende Steuererklärung zu fertigen. Die Angaben des Klägers in der Klageschrift und im finanzgerichtlichen Verfahren reichen zur hinreichenden Bezeichnung des Klagebegehrens ungeachtet dieser tatsächlichen Besonderheiten jedenfalls nicht aus.
Die Klageschrift enthält lediglich die Anträge, das Vorverfahren für notwendig zu erklären und im Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen. Im Übrigen wird darin auf eine nachzureichende Begründung verwiesen, die jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht worden ist. Auch die Einspruchsentscheidung enthält keinen Hinweis auf den Gegenstand des Klagebegehrens, da der Kläger den Einspruch ebenfalls nicht begründet hatte. Im Verlauf des Prozesses hat der Kläger in Bezug auf den Gegenstand des Klagebegehrens lediglich behauptet, der Gewinn sei zu hoch geschätzt. Er werde die Steuererklärung abgeben, sobald die beschlagnahmten Unterlagen wieder zur Verfügung stünden. Im Übrigen hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Auswertung von 60 bis 100 beschlagnahmten Aktenordnern im Wege der Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft unmöglich sei.
Bei dieser Sachlage konnte das FG den Gegenstand des Klagebegehrens selbst bei der gebotenen Auslegung der Klage anhand sämtlicher zur Verfügung stehender Unterlagen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 14; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 FGO Rz 64) nicht hinreichend sicher bestimmen. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass dem Kläger auch ohne vollständige Auswertung sämtlicher beschlagnahmter Akten eine hinreichend genaue Bezeichnung der geltend gemachten Rechtsverletzung in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich gewesen wäre, selbst wenn man berücksichtigt, dass der Gewinnfeststellungsbescheid keine Begründung für die Höhe der Schätzung enthält.
d) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger für Vorauszahlungszwecke im Streitjahr unter Vorlage einer Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) eine erklärungsgemäße Festsetzung des Gewinns erwirkt hatte. Den Gewinn aus der BWA hat der Kläger im vorliegenden Verfahren weder ausdrücklich noch sinngemäß durch Bezugnahme zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, sondern stets auf eine noch zu erstellende Gewinnermittlung verwiesen. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob die Bezugnahme auf eine in einem anderen Verfahren (Herabsetzung der Besteuerungsgrundlagen für Vorauszahlungszwecke) eingereichte BWA zur Bezeichnung des Klagebegehrens unter den Umständen des Streitfalls ausreichen könnte.
2. Unerheblich ist schließlich, ob das FG unter den Umständen des Streitfalls sein Ermessen zur Bestimmung einer Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO) rechtsfehlerfrei ausgeübt hat oder ob es nach der Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen des Klägers auf die damit verbundenen Erschwernisse für den Kläger mehr Rücksicht hätte nehmen müssen. Auf die Wirksamkeit der Ausschlussfrist käme es nur an, wenn der Kläger das Klagebegehren nach Fristablauf, aber noch vor der Entscheidung des Gerichts bezeichnet hätte. Das war jedoch nicht der Fall.