Entscheidungsdatum: 26.05.2010
1. NV: Es ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges oder Angehörige diese Mitglieds sich mit Erfolg darauf berufen können, sich "nur in dieser Eigenschaft" im Inland aufgehalten zu haben mit der Folge, dass das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts fingiert wird.
2. NV: Die von der Rechtsprechung insofern verlangte Feststellung eines Rückkehrwillens verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
I. Streitig ist, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Jahren 1991 bis 1997 unbeschränkt steuerpflichtig waren.
Der Kläger, amerikanischer Staatsangehöriger, leistete nach abgeschlossenem Hochschulstudium in den 1950er Jahren den Wehrdienst bei den amerikanischen Streitkräften u.a. in der Bundesrepublik Deutschland. Dort lernte er auch seine zukünftige Ehefrau, die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige kennen. Nach seiner Entlassung aus der US-Armee 1955 blieb der Kläger in Deutschland und heiratete die Klägerin; diese nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Der Kläger erhielt zunächst eine Anstellung bei der US-Armee in Deutschland; später wurde er von der US-Armee als Laufbahnbeamter übernommen und machte in Deutschland Karriere als …historiker. Die Töchter der Kläger haben amerikanische Schulen und Colleges besucht und jeweils amerikanische Staatsbürger geheiratet. Die Familien der Töchter leben in den USA. Seit 1967 lebten die Kläger in Deutschland in einem eigenen Einfamilienhaus. Sie waren jedoch nicht in Deutschland gemeldet. In den USA besitzen sie eine Wohnung in einer Altenwohnanlage. Diese Wohnung hat der Kläger 1989 von seinem Vater geerbt. Die Kläger nutzten die Wohnung zu Aufenthalten in den USA. Die Kläger erzielten Einkünfte aus in den USA angelegtem Kapitalvermögen. Ihre Einkommensteuererklärungen gaben sie in den USA ab. Dort zahlten sie auch ihre Steuern vom Einkommen.
Nach einer Durchsuchung der Wohnräume der Kläger ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt), davon aus, dass die Kläger in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig seien und setzte wegen der von den Klägern erzielten Kapitaleinkünfte Einkommensteuer fest. Die vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden bei der Berechnung des Steuersatzes erhöhend berücksichtigt, blieben jedoch steuerfrei. Im Ausland gezahlte Steuern wurden angerechnet.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Senat habe nicht feststellen können, dass die Kläger in den Streitjahren entschlossen gewesen seien, nach Beendigung der Berufstätigkeit des Klägers in die USA zurückzukehren. Die inländische unbeschränkte Steuerpflicht könne deshalb nicht verneint werden. Gegen das Urteil, mit dem das FG die Klage abgewiesen hat, wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Kläger haben nach eigenen Angaben zum … 2010 Deutschland verlassen und sind in die USA zurückgekehrt, nachdem der 1930 geborene Kläger nun auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt worden ist.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
1. Unstreitig hatten die Kläger ihren Wohnsitz im Inland (§ 8 der Abgabenordnung). Sie waren deshalb auch grundsätzlich im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes). Dagegen berufen sich die Kläger auf Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 --NATOTrStat-- (BGBl II 1961, 1190). Nach dieser Vorschrift wird das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts für die Zeitabschnitte fingiert, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates "nur in dieser Eigenschaft" im Aufnahmestaat aufhält. Dasselbe gilt nach Art. 68 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum NATOTrStat vom 3. August 1959 (BGBl II 1961, 1218) für Angehörige der Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges.
2. Der Kläger war unstreitig Mitglied des zivilen Gefolges der amerikanischen Armee; die Klägerin Angehörige eines Mitglieds eines zivilen Gefolges. Streitig war allein, ob sich der Kläger "nur in dieser Eigenschaft" in Deutschland aufgehalten hat. Die bei der Auslegung und Anwendung dieses Merkmals des Abkommenstextes zu beachtenden rechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt.
a) Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift die Fiktion nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 47/04, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374). Die Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht kann deshalb nur bejaht werden, wenn anhand von Indizien festgestellt werden kann, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen war, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (vgl. BFH-Urteile in BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374; vom 22. Februar 2006 I R 17/05, juris; BFH-Beschlüsse vom 28. Februar 2008 VIII B 129/07, BFH/NV 2008, 973; vom 2. Oktober 2008 VI B 132/07, BFH/NV 2009, 21).
b) Die Frage, ob der Aufenthalt ausschließlich auf dem Umstand der Mitgliedschaft bei einer NATO-Truppe oder einem zivilen Gefolge beruht, ist im Wesentlichen eine Frage tatsächlicher Art, die von der zuständigen Finanzbehörde bzw. dem FG als Tatsacheninstanz zu beantworten ist (BFH-Urteile vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; vom 24. Februar 1988 I R 70/84, juris; BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1994 I B 27/94, BFH/NV 1995, 735). Maßgeblich sind die Lebensumstände des jeweiligen Besteuerungszeitraumes, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das jedoch indiziell herangezogen werden darf. Die Beweislast hierfür trifft den Steuerpflichtigen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 973).
c) Nach diesen Maßstäben hat das FG im Streitfall den Rückkehrwillen der Kläger verneint. Diese Würdigung wird nicht schon dadurch widerlegt, dass die Kläger mittlerweile in die USA zurückgekehrt sind. Auch soweit die Kläger die Würdigung des FG für unzutreffend halten, werfen sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, denn das Rechtsmittel der Revision dient nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des FG-Urteils im Einzelfall. An die tatsächliche Würdigung des FG wäre der BFH auch im Rahmen einer Revision grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Soweit die Kläger --gestützt auf ein Rechtsgutachten-- sinngemäß geltend machen, bei der Auslegung von Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat dürfe nicht auf den Rückkehrwillen abgestellt werden, weil der Kläger als loyaler Beamter während seiner aktiven Dienstzeit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht seines Dienstherrn unterfalle und einen davon abweichenden Willen gar nicht bilden könne, erfordert dieser Einwand keine Revision der bisherigen Rechtsprechung. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist der Einwand schon deshalb unerheblich, weil die Rechtsprechung auf die Zeit nach der Beendigung des aktiven Dienstes abstellt. Die Kläger haben selbst nicht behauptet, dass amerikanische Beamte für die Zeit nach der Beendigung ihres aktiven Dienstverhältnisses den Willen, in die USA zurückzukehren, nicht bilden dürfen. Auch der völkerrechtliche Grundsatz der Organhoheit gebietet es nicht, bei der Auslegung von Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat von der Feststellung des Rückkehrwillens abzusehen. Die von den Klägern vorgeschlagene sehr enge Auslegung würde darauf hinauslaufen, dass Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat hinsichtlich der einschränkenden Voraussetzung, dass sich die Person "nur in dieser Eigenschaft" im Inland aufhalten muss, keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte. Dem kann nicht gefolgt werden.