Entscheidungsdatum: 08.12.2011
1. NV: Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Urteilsberichtigung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich die Berichtigung auf einen Umstand beziehe, auf den es nach der Auffassung des Finanzgerichts nicht ankomme, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist mit dem Ziel, die Rechtsauffassung des Finanzgerichts in diesem Punkt zu überprüfen .
2. NV: Gehen die Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit aus und hat das Finanzgericht in dem die Berichtigung ablehnenden Beschluss sogar mitgeteilt, wie sie zu beseitigen wäre, kann der Bundesfinanzhof die Berichtigung selbst vornehmen .
I. Das Finanzgericht (FG) hat die begehrte Urteilsberichtigung durch Beschluss vom 16. Dezember 2010 abgelehnt. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatten u.a. geltend gemacht, das FG sei in den Entscheidungsgründen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der zugestellte Briefumschlag mit der Steuernummer der Kläger beschriftet gewesen sei. Die Steuernummer habe unstreitig nicht auf dem Umschlag gestanden. Die Beteiligten und das Gericht hätten den Umschlag in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Das Gericht habe außerdem im Tatbestand seines Urteils die Beschriftung des Umschlags vollständig und richtig wiedergegeben. Danach befand sich die Steuernummer nicht auf dem Umschlag.
Das FG hat zwar das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bejaht und ausgeführt, es hätte an der entsprechenden Stelle in den Entscheidungsgründen lauten müssen: "..., dass auf der Zustellungsurkunde nur die Steuernummer der Kläger angegeben, die zuzustellenden Schriftstücke dort und auf dem Umschlag jedoch nicht näher konkretisiert worden sind". Das FG hat den Antrag gleichwohl abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle das für eine Berichtigung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn nach der Rechtsauffassung des Gerichts komme es nicht darauf an, ob der Umschlag überhaupt beschriftet gewesen sei. Im Übrigen lägen keine offenbaren Unrichtigkeiten vor.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Mit der Beschwerde wird nur noch geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses für den Berichtigungsantrag verneint. Das im Ausgangsverfahren beklagte Finanzamt ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Urteilsberichtigung gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde gegeben (§ 128 Abs. 1 FGO; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Februar 2011 IX B 160/10, BFH/NV 2011, 831).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Soweit das FG den Berichtigungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt hat, kann die Entscheidung keinen Bestand haben.
a) Jede Rechtsverfolgung vor Gericht setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Februar 1987 VIII S 14/86, BFH/NV 1987, 786; vom 18. August 1992 V B 209/91, BFH/NV 1993, 479, m.w.N.). Auch ein Berichtigungsbegehren ist deshalb nur zulässig, wenn eine Beschwer dargetan ist (BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2005 VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565; vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 107 Rz 1). Das Rechtsschutzbedürfnis kann aber nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich die Berichtigung auf einen Umstand beziehe, auf den es nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht ankomme, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist mit dem Ziel, die Rechtsauffassung des FG in diesem Punkt überprüfen zu lassen.
b) So liegt es im Streitfall. Ob die Beschriftung des zuzustellenden Umschlags, wie vom FG angenommen, bei der Zustellung nach § 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes für die Wirksamkeit der Zustellung generell unerheblich ist, wollen die Antragsteller im Revisionsverfahren überprüfen lassen. Sie haben deshalb mit der gegen das zu berichtigende Urteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde u.a. die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage geltend gemacht. Bei dieser Sachlage muss das Gericht in der Sache über das Berichtigungsbegehren entscheiden.
3. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der ablehnenden Vorentscheidung und zur Stattgabe des Berichtigungsantrags. Der BFH kann die Berichtigung selbst vornehmen.
a) Für die Entscheidung über die Berichtigung des Urteils ist der BFH zuständig, wenn gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. März 2004 VII B 239/02, BFH/NV 2004, 1114).
b) Eine offenbare Unrichtigkeit liegt vor, soweit das FG in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, der Umschlag sei mit der Steuernummer der Kläger versehen gewesen. Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch die Entscheidungsgründe betreffen (BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 IV B 125/01, BFH/NV 2002, 1032). Vom Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit sind im Streitfall nicht nur die Beteiligten ausgegangen. Auch das FG hat in dem die Berichtigung ablehnenden Beschluss eingeräumt, dass insofern eine offenbare Unrichtigkeit vorliege und angegeben, wie sie zu beseitigen sei. Danach besteht keine Veranlassung, die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, da die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hat. Anders als für das zur jeweiligen Instanz gehörende Berichtigungsverfahren selbst besteht für das Beschwerdeverfahren keine Kostenfreiheit (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 1032; vom 19. November 2003 I B 47/03, BFH/NV 2004, 515).