Entscheidungsdatum: 26.05.2010
1. NV: Beauftragt das Gericht einen Sachverständigen, so hat es ihm zumindest diejenigen Anknüpfungstatsachen vorzugeben, für deren Feststellung eine besondere Fachkunde nicht erforderlich ist .
2. NV: Stützt das Gericht sein Urteil auf die Bewertung von Tatfragen durch den Sachverständigen, die es selbst hätte feststellen müssen, kann darin ein Verfahrensmangel liegen .
I. Das Finanzgericht (FG) hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers und Beschwerdeführers (Klägers), als EDV-Berater eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausgeübt zu haben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der vom FG bestellte Gutachter hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, zum Nachweis einer ingenieurähnlichen Tätigkeit und entsprechender Kenntnisse weitere Unterlagen vorzulegen, die noch nicht in das Gerichtsverfahren eingeführt waren. Davon hat der Kläger Gebrauch gemacht. Auf der Grundlage u.a. dieser Unterlagen ist der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, er könne nicht treffsicher beantworten, ob der Kläger im streitigen Zeitraum Aufgaben eines Diplom-Informatikers wahrgenommen habe. Die dazu vorliegenden Unterlagen ließen sich nicht eindeutig dem Kläger zuordnen. Der eigenen Darstellung des Klägers sei nicht glaubhaft zu entnehmen, dass der Kläger leitende oder überwachende Funktionen in nennenswertem Umfang ausgeübt habe.
Auf Anregung des Klägers hat das FG dem Sachverständigen sodann aufgegeben, ergänzend dazu Stellung zu nehmen, ob sich die vom Kläger in den Streitjahren ausgeübte Tätigkeit auch in der erforderlichen Breite zumindest auf einen der Hauptbereiche eines Informatikers erstreckte. Dazu hat das FG erstmals die ihm vorliegenden Tätigkeitsnachweise des Klägers an den Gutachter übersandt. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat der Gutachter u.a. ausgeführt, welche Tätigkeiten der Kläger übernommen habe, könne er nicht verlässlich angeben, da hierzu keine eindeutigen Unterlagen eingereicht worden seien. Auch nach der vom Kläger selbst erstellten Tätigkeitsbeschreibung lasse sich dessen Tätigkeitsmittelpunkt nur vermuten. Die vom Kläger mutmaßlich geleisteten Arbeiten könnten auch von Diplom-Informatikern erledigt werden, so dass grundsätzlich von einer Tätigkeit auf einem der Hauptgebiete der Tätigkeiten eines Informatikers auszugehen sei. Der Kläger habe jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass er die Arbeiten auf dem Niveau eines Diplom-Informatikers erbracht habe. Zu den einzelnen vom Kläger vorgelegten Arbeitsnachweisen hat der Gutachter insbesondere hervorgehoben, dass er nicht beurteilen könne, von wem sie erstellt worden seien und ob sie die Tätigkeit des Klägers beträfen.
Auf dieser Grundlage hat das FG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei aufgrund des Gutachtens schon nicht davon überzeugt, dass der Kläger in den Streitjahren eine Tätigkeit ausgeübt habe, die sich in der fachlichen Breite und Tiefe zumindest auf einen Hauptbereich der Informatik schwerpunktmäßig bezogen habe. Die vom Kläger beantragte Wissensprüfung könne deshalb unterbleiben.
II. Die auf die Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
Das FG hat sein Urteil auf die Bewertung von Tatfragen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt, die einem Beweis durch Sachverständigengutachten nicht zugänglich sind. Darin liegt eine Verletzung von Verfahrensrecht. Nach § 82 FGO sind u.a. die §§ 386 bis 414 der Zivilprozessordnung (ZPO) im finanzgerichtlichen Verfahren anwendbar. Gemäß § 404a Abs. 3 ZPO hat das Gericht zu bestimmen, welche (streitigen) Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll. Danach ist es grundsätzlich die Aufgabe des Tatrichters, dem Sachverständigen die notwendigen Anknüpfungstatsachen vorzugeben (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 21. Januar 1997 VI ZR 86/96, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1446). Mit eigenen Ermittlungen von Anknüpfungstatsachen ist der Sachverständige allenfalls ausnahmsweise, nämlich nur "soweit es erforderlich ist" (§ 404a Abs. 4 ZPO) zu beauftragen, wenn bereits hierfür eine dem Gericht fehlende Sachkunde erforderlich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 404a Rz 4).
Diese Grundsätze hat das FG im Streitfall nicht beachtet. Es ist auch nicht etwa von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Vielmehr hat das FG offensichtlich beabsichtigt, eine gesetzeskonforme Beweisaufnahme durchzuführen. Insofern hätte das FG den von ihm beauftragten Sachverständigen aber nicht im Unklaren lassen dürfen, welche Tatsachen er seinem Gutachten zugrunde legen sollte. Dem entsprechend hat der Senat in seinem Urteil vom 22. September 2009 VIII R 31/07 (BFHE 227, 394, BStBl II 2010, 467) ausgeführt, das FG müsse als Tatsacheninstanz feststellen, ob die vom Steuerpflichtigen tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ingenieurtypisch geprägt sei. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sich das FG hierbei generell nicht der Mithilfe eines Sachverständigen bedienen darf, weil es für die Entscheidung, welche Tätigkeit der Kläger tatsächlich ausgeübt hat, auf eine besondere Sachkunde im Regelfall nicht ankommt. Wenn sich das FG in dieser Frage für die Beauftragung eines Sachverständigen entscheidet, hat es ihm gemäß § 404a Abs. 3 ZPO aber zumindest diejenigen Anknüpfungstatsachen vorzugeben, für deren Feststellung es keiner besonderen Fachkunde bedarf. Dazu gehört jedenfalls die Feststellung, ob die vom Kläger vorgelegten Unterlagen und Darstellungen glaubhaft sind und ob sie wirklich eine Tätigkeit des Klägers zum Inhalt haben. Hierüber hat das FG im Zweifel selbst zu entscheiden und darf die Entscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen.
Auf dem Verfahrensfehler kann das angefochtene Urteil auch beruhen. Hätte das FG die Anknüpfungstatsachen selbst festgestellt, ist nicht auszuschließen, dass es insgesamt zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
Die Zurückverweisung ist geboten, weil die Sache nicht spruchreif ist. Das FG wird aufgrund eigener Feststellungen zunächst zu entscheiden haben, welche Tätigkeiten der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich ausgeübt hat. Handelt es sich um eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten, wird das FG weiter zu beurteilen haben, welche Tätigkeit(en) für die gesamte berufliche Tätigkeit des Klägers prägend waren. Sodann wird zu entscheiden sein, ob es sich bei der für die tatsächliche berufliche Tätigkeit prägenden Tätigkeit um eine solche handelt, die durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 227, 394, BStBl II 2010, 467). Eine besondere Breite der Tätigkeit wird dafür nach der Rechtsprechung des BFH nicht vorausgesetzt, weil auch Informatik-Ingenieure in ihrer Berufswirklichkeit nicht stets mit breiten Aufgabenstellungen betraut sind. Sollte sich danach erweisen, dass die Tätigkeit des Klägers derjenigen eines Informatik-Ingenieurs vergleichbar war, wird das FG ggf. den vom Kläger angebotenen Beweis zu erheben haben, dass er auch über die für die Ausübung eines dem Ingenieur ähnlichen Berufs erforderlichen Kenntnisse verfügte.