Entscheidungsdatum: 16.04.2013
Wird in einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage aufgrund von Wartungs- und Reparaturarbeiten eine Dampfturbine mit der Folge des Ausfalls der Stromerzeugung abgeschaltet und die zu ihrem Betrieb erforderliche Wärme in einem Abhitzekessel zusätzlich erhitzt, um sie an Kunden als Nutzwärme abzugeben, kommt eine Steuerbegünstigung für das zur Erhitzung des Kessels verwendete Erdgas nicht in Betracht, weil dessen konkrete Verwendung nicht der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme dient.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt u.a. drei Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlage). Mit den Anlagen werden zunächst jeweils zwei Gasturbinen betrieben, die durch den Einsatz von Generatoren elektrischen Strom erzeugen. Die Abhitze der Gasturbinen wird sodann in einem Abhitzekessel mit einem Zusatzfeuer erhitzt. Damit wird die Abhitze auf eine für den Betrieb einer nachgeschalteten Dampfturbine erforderliche Temperatur gebracht. Die nachgeschaltete Dampfturbine dient zum einen mittels eines angeschlossenen Generators ebenfalls der Erzeugung von elektrischem Strom; im Übrigen wird die in der Dampfturbine anfallende Wärme der Dampfturbine als Nutzwärme entnommen. Bei dem beschriebenen Betrieb der KWK-Anlage handelt es sich um den Regelbetrieb. Zu Wartungs- und Reparaturarbeiten ist eine zeitweise Abschaltung der Dampfturbine erforderlich. Während dieser Zeiträume wird die Abwärme der Gasturbinen gleichwohl weiterhin im Abhitzekessel von einem Zusatzfeuer erhitzt und anschließend über eine sog. Reduzierstation direkt als Nutzwärme entnommen.
Für das im Streitjahr in den KWK-Anlagen eingesetzte Erdgas gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) zunächst eine Vergütung nach § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993). Aufgrund des Ergebnisses einer Außenprüfung gelangte das HZA zu der Auffassung, das während der Wartungs- und Reparaturarbeiten zur Befeuerung des Abhitzekessels verwendete Erdgas diene nicht der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme, so dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG 1993 nicht erfüllt seien. Infolgedessen setzte das HZA die zuvor gewährte Vergütung unter Anwendung des in § 25 Abs. 3a Nr. 3.2 MinöStG 1993 festgelegten Steuersatzes herab und forderte den sich aus der Neuberechnung ergebenden Differenzbetrag von der Klägerin zurück. Einspruch und Klage gegen den Rückforderungsbescheid blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Entlastung sei die konkrete Verwendung des Mineralöls zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme. Nicht ausreichend sei der bloße Verbrauch im Rahmen des Betriebs einer KWK-Anlage. Während der Abschaltphasen diene das von der Klägerin verwendete Erdgas nur der Erhitzung eines Abhitzekessels, mit dessen Hilfe bestimmten Abnehmern Wärme als Nutzenergie zur Verfügung gestellt werde. Unbeachtlich sei es, dass die Zusatzbefeuerung des Abhitzekessels im Regelbetrieb der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme diene. Abzustellen sei allein auf den Einsatz des Erdgases in der konkreten Betriebssituation.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass sich das FG nur unzureichend mit der Funktion der Zusatzfeuerung des Abhitzekessels auseinandergesetzt habe. Die Zusatzfeuerung sei technisch notwendiger Bestandteil der KWK-Anlage, ohne den die Anlage nicht betrieben werden könne. Allein durch die Abgase der Gasturbine könnten die betriebsnotwendigen Parameter nicht erreicht werden, weshalb zum effizienten Betrieb der Dampfturbine der Einsatz einer Zusatzfeuerung erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne selbst das in einer nachgeschalteten Rauchgasentschwefelungsanlage eingesetzte Mineralöl als im Rahmen eines KWK-Prozesses verwendet angesehen werden. In diesem Fall diene es auch nicht unmittelbar der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme. Infolgedessen könne für das bei notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten in einer KWK-Anlage eingesetzte Erdgas nichts anderes gelten. Es entspreche allgemeiner Erfahrung, dass das vollständige Abschalten eines Großkraftwerks zur Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten technisch aufwändig und wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Zu berücksichtigen sei auch der Versorgungsauftrag, den Betreiber von KWK-Anlagen übernähme. Durch außergewöhnliche Betriebszustände werde die Förderwürdigkeit einer KWK-Anlage nicht beeinträchtigt.
Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des FG an. Unstreitig sei die Zusatzfeuerung in den KWK-Prozess integriert. Allerdings werde in den Zeiträumen, in denen Wartungs- und Reparaturarbeiten ausgeführt würden, mit dem in der Zusatzfeuerung eingesetzten Erdgas kein Strom erzeugt. Die Wartung und Reparatur einer KWK-Anlage könne nicht als unverzichtbarer Bestandteil des eigentlichen KWK-Prozesses angesehen werden.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG 1993 (in der damals anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 16. August 2001, BGBl I 2001, 2081) wird u.a. eine Entlastung von der Mineralölsteuer für versteuertes Erdgas gewährt, das von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, von Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft und von Versorgern, die nicht Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sind, zu den nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 3 sowie § 32 Abs. 1 MinöStG 1993 begünstigten Zwecken oder in sonstigen Anlagen zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme verwendet worden ist. Nach § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG beträgt die Entlastung für 1 MWh Erdgas, das von Betreibern nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a MinöStG 1993 in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 % verwendet worden ist, 3,476 €. Dagegen will das HZA aufgrund des angefochtenen Rückforderungsbescheids lediglich eine Vergütung in Höhe von 1,308 € je MWh gewähren (§ 25 Abs. 3a Nr. 3.2 MinöStG 1993).
a) Wie der BFH entschieden hat (Senatsurteil vom 11. November 2008 VII R 33/07, BFH/NV 2009, 610), kommt es nach dem Sinn und Zweck der Regelung zur mineralölsteuerrechtlichen Förderung von KWK-Anlagen und der Systematik des Mineralölsteuergesetzes entscheidend auf die konkrete Verwendung des Mineralöls zur Erreichung des begünstigten Zwecks und nicht auf den bloßen Verbrauch von Mineralöl im Rahmen des Betriebs einer KWK-Anlage an. Denn nicht die KWK-Anlage als solche ist Gegenstand der steuerlichen Förderung, sondern die ressourcenschonende Verwendung des Mineralöls unter optimaler Nutzung der durch die Verbrennung gewonnenen Energie. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/440, S. 13) wollte der Gesetzgeber mit der Einführung einer vollständigen Steuerentlastung für das in KWK-Anlagen mit einem Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 % verwendete Mineralöl aus ökologischen Gründen, wie z.B. der Ressourcenschonung oder der Emissionsverminderung, die besonders effiziente Nutzung der durch Verbrennung fossiler Energieträger gewonnenen Energie fördern. Entscheidendes Kriterium für die Begünstigung ist die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme, also die doppelte und möglichst effiziente Nutzung des Energiegehalts des eingesetzten Mineralöls (Senatsurteil vom 1. April 2008 VII R 26/06, BFHE 221, 355, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 273 sowie Bongartz in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rz J 121).
b) Infolgedessen kommt die steuerliche Freistellung aller Mineralöle, die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer KWK-Anlage eingesetzt werden, nicht in Betracht. Abzustellen ist vielmehr auf den konkreten Verwendungszweck. Für den Fall des Betriebes einer Rauchgasentschwefelungsanlage, in der das in einer KWK-Anlage entstandene Rauchgas unter Verwendung von Erdgas aufgeheizt wird, hat der Senat entschieden, dass die im Erdgas enthaltene Energie zwar nicht in Kraft und Wärme umgewandelt, jedoch innerhalb eines einheitlichen, wenn auch aus verschiedenen, aufeinander bezogenen physikalischen Prozeduren bestehenden Prozesses verwendet wird, der nicht auf das Geschehen in der Kesselanlage beschränkt werden kann. Aufgrund umweltrechtlicher Vorgaben war der Betrieb der Rauchgasentschwefelungsanlage zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme erforderlich. Dieser Umstand rechtfertigte die Einbeziehung des zur Rauchgasentschwefelung eingesetzten Erdgases in die steuerliche Entlastung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit dem Streitfall vergleichbar, in dem das Erdgas nicht in einem "vollständigen" KWK-Prozess verbrannt wird.
2. Wartungs- und Reparaturarbeiten, die eine teilweise Abschaltung der KWK-Anlage erfordern, hängen nicht unmittelbar mit dem Betrieb der Anlage und der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme zusammen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass eine KWK-Anlage zur Gewährleistung ihrer dauerhaften Funktion ständiger Wartung und Reparatur bedarf, jedoch wird dadurch das Erfordernis der konkreten Verwendung des --auch während dieser Arbeiten-- verbrauchten Mineralöls zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme nicht entbehrlich. Die von der Klägerin begehrte Entlastung kann deshalb nur für den Zeitraum gewährt werden, in dem die unstreitig als fester Bestandteil der KWK-Anlage anzusehende und zu ihrem eigentlichen Betrieb auch erforderliche Zusatzfeuerung des Abhitzekessels die Erzeugung von Strom und Wärme bewirkt. Denn nur durch eine möglichst effiziente Ausnutzung der durch die Verbrennung des Erdgases erzeugten Energie kann das gesetzgeberische Ziel erreicht und die beträchtliche Steuerverschonung legitimiert werden. Wird dagegen eine KWK-Anlage --aus welchen Gründen auch immer-- ohne Stromerzeugung betrieben, so dass nur die ausgekoppelte Wärme genutzt werden kann, wird der eigentliche Zweck der Steuerentlastung verfehlt, denn die energetische Nutzung des Mineralöls --hier die Verbrennung von Erdgas zur zusätzlichen Befeuerung eines Abhitzekessels-- dient ausschließlich der für sich allein nicht begünstigten Wärmeerzeugung.
3. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine vollständige Abschaltung einer KWK-Anlage während notwendiger Wartungs- und Reparaturarbeiten sei unüblich und wirtschaftlich nicht vertretbar, weil durch das erneute Anfahren vermehrt Energie verbraucht werde. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise wird ein solches Vorgehen durch das Mineralölsteuerrecht nicht erzwungen; vielmehr liegt es in der Dispositionsfreiheit des Anlagenbetreibers, ob und in welcher Weise er die Abwärme von Gasturbinen im Falle der Abschaltung nachgeschalteter Dampfturbinen nutzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst in den Abschaltphasen das Erzeugnis "Wärme" am Markt angeboten und von den Kunden gegen Entgelt genutzt werden kann. Auch wird durch eine zeitlich eng begrenzte Verweigerung der maximalen Steuerentlastung die steuerliche Förderungswürdigkeit der Anlage sowie deren Wirtschaftlichkeit nicht grundsätzlich in Frage gestellt.