Entscheidungsdatum: 07.09.2011
Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr tatsächlich kein Erstattungsanspruch besteht (Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV) ?
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich dagegen, dass gegen sie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) eine Verwaltungssanktion im Zusammenhang mit zwischen 1997 und 1998 durchgeführten Ausfuhren in sog. Isolierschlachtbetrieben erschlachteten Rindfleisches verhängt worden ist. Da solches Fleisch nicht "von gesunder und handelsüblicher Qualität" und daher nicht erstattungsfähig ist, wie der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 26. Mai 2005 C-409/03 --SEPA-- (Slg. 2005, I-4321) entschieden hat, hat das HZA die der Klägerin gewährten Vorschüsse auf die Ausfuhrerstattung durch inzwischen bestandskräftige Rückforderungsbescheide zurückgefordert.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid hat das HZA darüber hinaus gegen die Klägerin eine Sanktion mit der Begründung verhängt, die Klägerin habe eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt und dadurch den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 der (hier noch anzuwendenden, insoweit durch die Verordnung (EG) Nr. 495/97 vom 18. März 1997, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 77/12 geänderten) Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwirklicht (im Folgenden: VO Nr. 3665/87; heute: Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 vom 7. Juli 2009, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 186/1).
Die Klägerin hatte die betreffenden Sendungen beim Ausfuhrzollamt zur Ausfuhr angemeldet und den Anmeldungen Genusstauglichkeitsbescheinigungen der Veterinärbehörde beigefügt, aus denen sich ergab, dass das Fleisch in Isolierschlachtbetrieben erschlachtet worden ist. Das Zollamt hatte die Ausfuhranmeldungen gleichwohl angenommen und an das beklagte HZA als zentrale nationale Zahlstelle weitergeleitet. Die Genusstauglichkeitsbescheinigungen hat es jedoch dem HZA nicht mit übersandt.
Das Finanzgericht (FG) hat den Sanktionsbescheid für rechtmäßig gehalten und deshalb die gegen diesen erhobene Klage abgewiesen. Gegen sein Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die hervorhebt, bei der Ausfuhranmeldung nach Art. 3 VO Nr. 3665/87 durch die Beifügung der Genusstauglichkeitsbescheinigungen offengelegt zu haben, dass es sich um Fleisch aus einem Isolierschlachtbetrieb handelt. Das HZA hingegen hält für entscheidend, dass die Klägerin die Herkunft der Ware aus einem Isolierschlachtbetrieb in der Ausfuhranmeldung selbst nicht angegeben hat.
II. Der beschließende Senat möchte auf die Revision der Klägerin den angefochtenen Sanktionsbescheid aus den unter 3. näher erläuterten Gründen aufheben, weil die Klägerin bei der gebotenen Auslegung ihrer Ausfuhranmeldung keine höhere als die ihr zustehende Ausfuhrerstattung beantragt und deshalb den Sanktionstatbestand nicht verwirklicht hat. Der Senat ist sich indes seines dieser rechtlichen Würdigung des Streitfalls zugrundeliegenden Verständnisses der Sanktionsvorschrift nicht sicher, so dass er den Gerichtshof gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine diesbezügliche Klärung ersucht.
1. Die für die Entscheidung über die Revision einschlägigen Rechtsvorschriften finden sich im Wesentlichen in den Art. 3, 5 und 11 VO Nr. 3665/87.
Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 sieht die Verhängung einer Sanktion gegen den Ausführer vor, wenn festgestellt wird, dass dieser eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat. Die für die betreffende Ausfuhr zu zahlende Erstattung entspricht dann der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung. Ergibt sich aus dieser Berechnung --wie im Streitfall-- ein Negativbetrag, hat der Ausführer diesen zu zahlen (Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 3665/87). Als beantragte Erstattung gilt gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 3665/87 der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Art. 3 bzw. Art. 25 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 berechnet wird.
Der in diesem Zusammenhang maßgebliche "Antrag" wird durch die Abgabe einer Ausfuhranmeldung nach Art. 3 VO Nr. 3665/87 gestellt (Urteile des Gerichtshofs vom 14. April 2005 C-385/03 --Käserei Champignon Hofmeister--, Slg. 2005, I-2997, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 234, und vom 27. April 2006 C-27/05 --Elfering Export--, Slg. 2006, I-3681, ZfZ 2006, 235).
Eine solche Ausfuhranmeldung enthält (zumindest stillschweigend) die Versicherung der gesunden und handelsüblichen Qualität der angemeldeten Ware, welche Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattung ist (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Dezember 2005 C-309/04 --Fleisch-Winter--, Slg. 2005, I-10349).
2. Der beschließende Senat hat erwogen, ob eine Sanktion stets verwirkt wird, wenn durch die Abgabe einer Ausfuhranmeldung Ausfuhrerstattung beantragt wird, welche dem Ausführer tatsächlich nicht zusteht, eine Sanktion also auch dann verwirkt ist, wenn sich aus den in der Ausfuhranmeldung im Einzelnen enthaltenen Angaben bei zutreffender rechtlicher Würdigung ergibt, dass dem Ausführer keine Ausfuhrerstattung zu zahlen ist.
Dies könnte aus den Ausführungen des Gerichtshofs in dem Urteil vom 24. April 2008 C-143/07 --AOB Reuter-- (Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008, 158) gefolgert werden. Dort wird der Ausführer dafür in "Haftung" genommen, dass die Ausfuhr der hierzu von ihm angemeldeten Ware tatsächlich stattfindet (was in dem diesem Urteil zugrundeliegenden Streitfall nicht geschehen war, ohne dass der Ausführer dafür verantwortlich gemacht worden wäre), und vom Gerichtshof hervorgehoben, der abschließenden Liste der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 bezeichneten Ausnahmetatbestände, bei denen die Erhebung einer Sanktion unterbleibt, dürfe kein neuer, "namentlich auf mangelndes Fehlverhalten des Ausführers gestützter Befreiungstatbestand", hinzugefügt werden.
Das in diesem Urteil vom Gerichtshof vertretene Verständnis des Art. 11 VO Nr. 3665/87 scheint mithin nicht unzutreffende oder unvollständige Angaben des Ausführers in seinem Erstattungsantrag sanktionieren zu wollen, sondern das Stellen eines solchen (unberechtigten) Antrages als solches. Dies mag damit gerechtfertigt werden können, dass ungeachtet etwaiger falscher Angaben des Ausführers in seinem Antrag von jedwedem unberechtigten Antrag die Gefahr ausgeht, es werde (aufgrund eines Irrtums der Zahlstelle) zu Unrecht Erstattung gezahlt.
Eine so weite Ausdehnung der Sanktionsvorschrift erschiene dem beschließenden Senat indes nicht mehr hinreichend durch deren Sinn und Zweck gerechtfertigt, die Ausführer zu veranlassen, das Unionsrecht einzuhalten, und Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker zu bekämpfen (vgl. in diesem Sinne das Urteil in Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008, 158, Rz 15). Anders als in dem der vorgenannten Entscheidung des Gerichtshofs zugrundeliegenden Fall des Ausbleibens künftiger den Erstattungsanspruch begründender Ereignisse wie der Ausfuhr der Ware würde bei Anwendung der Sanktionsvorschrift auf den Streitfall ein Antrag sanktioniert, welcher rechtsirrtümlich, jedoch in gutem Glauben gestellt sein dürfte.
Das Risiko einer falschen Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften durch die Erstattungsbehörde tragen die Ausführer allerdings grundsätzlich ohnehin: sie müssen zu Unrecht gezahlte Erstattung zurückzahlen (Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87). Ist es aber angemessen, sie darüber hinaus mit einer Sanktion zu belegen, obwohl die Behörde die dem Erstattungsantrag zugrundeliegende unzutreffende rechtliche Beurteilung, mag der Ausführer diese auch in gutem Glauben vorgenommen haben, anhand der tatsächlichen Angaben in dem Antrag hätte erkennen können?
Überdies wäre es nach Ansicht des beschließenden Senats ein rechtsstaatlich kaum hinnehmbares, jedoch bei einer solchen Auslegung eintretendes Ergebnis, dass mit einer Sanktion auch belegt werden müsste, wer einen vermeintlichen (tatsächlich jedoch nicht bestehenden) Erstattungsanspruch im Streit durchsetzen möchte und deshalb, wie er es tun muss, einen rechtsmittelfähigen Bescheid aufgrund der Abgabe einer entsprechenden Ausfuhranmeldung beantragt hat.
Zudem hat der Gerichtshof sowohl in der eben angeführten Entscheidung wie zuletzt in dem Urteil vom 19. März 2009 C-77/08 --Dachsberger & Söhne-- (Slg. 2009, I-2097, ZfZ 2009, 108) und in Übereinstimmung mit den Erwägungsgründen zu Art. 11 VO Nr. 3665/87 immer wieder auf die Angaben abgestellt, die der Ausführer in seiner Ausfuhranmeldung gemacht hat. Er hat also offenbar eine Verwirklichung des Sanktionstatbestandes in Betracht gezogen, weil diese Angaben unzutreffend gewesen sind, auch wenn sich dies erst aufgrund nach Abgabe der Ausfuhranmeldung eingetretener Ereignisse --wie im Streitfall, der dem Urteil in Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008, 158 zugrunde liegt-- herausstellt. Im Übrigen scheint Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 von dem Antrag als Inbegriff der in der Ausfuhranmeldung enthaltenen Angaben zu sprechen, aus welchen sich im Allgemeinen auch allererst entnehmen lässt, ob der Ausführer "eine höhere" als die für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr zu zahlende Erstattung begehrt hat.
3. Der beschließende Senat ist deshalb der Auffassung --zu welcher er jedoch eine Entscheidung des Gerichtshofs für erforderlich hält--, dass eine Sanktion nur dann verwirkt wird, wenn sich aufgrund der Angaben in der Ausfuhranmeldung --weil diese (gegebenenfalls allerdings auch nur hinsichtlich künftiger Ereignisse) unzutreffend oder unvollständig sind-- ein Erstattungsbetrag ergibt, der für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr nicht beansprucht werden kann.
Die eingangs beschriebene Berechnung würde demgemäß im Streitfall nur dann zu einem von der Klägerin zu zahlenden Negativbetrag führen, nämlich der vom HZA in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Sanktion, wenn die abgegebenen Ausfuhranmeldungen dahin auszulegen sein sollten, dass die Klägerin versichere, das Fleisch habe gesunde und handelsübliche Qualität.
Diese Auslegungsfrage wird der beschließende Senat gegebenenfalls zu entscheiden haben. Er bemerkt dazu jedoch vorab und vorläufig, dass die Frage zu verneinen sein dürfte. Denn der Erstattungsantrag ist, wie bereits erwähnt, bei der Ausfuhrzollstelle abzugeben. Was der Ausführer im Sinne des Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 beantragt hat, ist deshalb grundsätzlich von dem unabhängig, was die Ausfuhrzollstelle der Zahlstelle mitteilt oder mitzuteilen unterlässt. Im Streitfall hat die Klägerin die Genusstauglichkeitsbescheinigungen zum Bestandteil ihrer Ausfuhranmeldung gemacht; sie sind deshalb bei der Bestimmung dessen, was die Klägerin beantragt bzw. welche Angaben sie in ihrem Antrag gemacht hat, zu berücksichtigen. Denn werden der Ausfuhrzollstelle neben dem ausgefüllten amtlichen Formular für eine Ausfuhranmeldung ergänzende Dokumente --hier die veterinärärztliche Genusstauglichkeitsbescheinigung-- vorgelegt, so kann von ihr im Allgemeinen erwartet werden, dass sie bei der ihr obliegenden Prüfung der Warenbeschaffenheit im Rahmen der Prüfung der Ausfuhranmeldung den Inhalt dieser Unterlagen zur Kenntnis nimmt (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 der im Streitzeitraum noch geltenden Verordnung (EG) Nr. 2221/95 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates hinsichtlich der Warenkontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die eine Erstattung gewährt wird, ABlEG Nr. L 224/13). Die demgemäß von der Klägerin bei der Ausfuhranmeldung gemachte Angabe, es handele sich um Fleisch aus einem Isolierschlachtbetrieb, durfte auch nicht aufgrund der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in jeder Ausfuhranmeldung grundsätzlich enthaltenen Versicherung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ware unbeachtet bleiben, zumal die Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe der Ausfuhranmeldungen weder davon ausgehen musste, dass ihre Ware aufgrund ihrer Herkunft aus einem Isolierschlachtbetrieb nicht erstattungsfähig ist, noch erwarten musste, dass jedenfalls das Zollamt oder das HZA dieser Ansicht sind; die Frage, ob in Isolierschlachtbetrieben erschlachtetes Fleisch handelsübliche Qualität hat, war damals jedenfalls nicht klar und eindeutig zu verneinen, wie das diesbezügliche Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats vom 15. Juli 2003 VII R 10/02 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, Band 203, Seite 215) erkennen lässt.