Entscheidungsdatum: 26.09.2012
1. NV: Der von der Haftung umfasste Steuerschaden durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuerbeträge aus einer Eingangsrechnung wird nicht kompensiert durch Entrichtung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer durch den Lieferanten .
2. NV: Der im Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs kann auf die steuerliche Haftung ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden, wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm .
3. NV: Würde ein Schaden des Fiskus ungerechtfertigt überkompensiert, weil bei der Ermittlung der Haftungssumme die vom Lieferanten abgeführte Umsatzsteuer unberücksichtigt bleibt, müsste dies ggf. mit den im Umsatzsteuerrecht vorgesehenen Instrumentarien korrigiert werden. Denn eine solche Überkompensation hätte --läge sie vor-- ihre Ursache nicht im Haftungsrecht .
4. NV: Die dem Neutralitätsprinzip geschuldete Korrekturmöglichkeit bietet das UStG, das ein gesondertes Verfahren zur Berichtigung der geschuldeten Umsatzsteuer vorsieht, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens --etwa durch Rückzahlung der geltend gemachten Vorsteuer-- beseitigt worden ist. Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, für die es auf die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ankommt, wird durch die Möglichkeit einer späteren Rechnungskorrektur nicht berührt .
I. Im Streit sind Haftungsbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gegen den Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) als ehemaligen Geschäftsführer und den Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) als ehemaligen faktischen Geschäftsführer der A-GmbH für deren rückständige Umsatzsteuern und Zinsen aus den Jahren 1999 und 2000.
Nach den Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung bei der A-GmbH ergaben sich die den Haftungsbescheiden zu Grunde liegenden Umsatzsteuerschulden aus Scheingeschäften in einer Lieferkette, an der die A-GmbH beteiligt war. Die A-GmbH habe von der C-AG fakturierte hardware-Lieferungen und "Leistungen aus Mietverträgen/Projektgeschäften/Lizenzen" an die C-GmbH --eine Tochtergesellschaft der C-AG ohne aktiven Geschäftsbetrieb-- mit einem Aufschlag von 1 % Provision weiterberechnet, ohne dass diesen Geschäften tatsächliche Umsätze zugrunde gelegen hätten. Nach den Feststellungen im Strafurteil gegen den Geschäftsführer der C-AG und C-GmbH dienten die Scheinverkäufe der C-AG an die --unternehmensfremde-- A-GmbH und dann weiter an die Tochterfirma der C-AG, die C-GmbH, der Schönung des Forderungsbestandes in der Bilanz der C-AG.
Aufgrund der in der Umsatzsteuererklärung 1999 der A-GmbH geltend gemachten Vorsteuern aus den von der C-AG gestellten Rechnungen war der Umsatzsteuerbescheid 1999 mit einem erheblichen Erstattungsbetrag ergangen. In den Umsatzsteuervoranmeldungen 2000 hatte die A-GmbH die Umsatzsteuer aus den Umsätzen angegeben, die sie an die C-GmbH fakturiert hatte, und wiederum die sich aus den Rechnungen der C-AG ergebenden Vorsteuern abgezogen. Eine Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 reichte sie nicht ein.
Die C-GmbH machte aus den ihr von der A-GmbH erteilten Rechnungen keinen Vorsteuerabzug geltend.
In Auswertung der Fahndungsprüfung erließ das FA am 3. Februar 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1999 und 2000 gegen die A-GmbH, in denen es die Vorsteuer u.a. um die Umsatzsteuer aus den Rechnungen der C-AG kürzte. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die A-GmbH waren erfolglos.
Mit Haftungsbescheid vom gleichen Tag nahm das FA die Kläger nach § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sowie nach § 71 i.V.m. § 370 AO für rückständige Umsatzsteuer und Nachzahlungszinsen der A-GmbH aus den Jahren 1999 und 2000 gesamtschuldnerisch in Anspruch.
Im Einspruchsverfahren wurde die zunächst erfasste Umsatzsteuer aus den der C-GmbH erteilten Rechnungen wieder herausgenommen, weil die C-GmbH keine Vorsteuern geltend gemacht und der Fiskus insoweit keinen Schaden erlitten habe. Außerdem wurde ein Rechenfehler im Umsatzsteuerbescheid 2000 korrigiert. Die Haftungssumme wurde dementsprechend reduziert.
Im Rahmen der hiergegen erhobenen Klagen hat das FA am 10. November 2009 geänderte Haftungsbescheide erlassen, in denen es die Haftungssumme --aus hier nicht interessierenden Gründen-- nochmals geringfügig ermäßigte.
Das Finanzgericht (FG) hat die gegen die Haftungsbescheide erhobenen Klagen abgewiesen, weil das FA die Kläger zu Recht als Haftungsschuldner nach § 71 AO in Anspruch genommen habe. Die von der C-AG der A-GmbH in Rechnung gestellten Lieferungen und sonstigen Leistungen seien in Wirklichkeit nicht erbracht worden, so dass Scheingeschäfte vorgelegen hätten. Durch die Einreichung von (berichtigten) Umsatzsteuervoranmeldungen für 1999 und 2000 sowie die Umsatzsteuerjahreserklärung 1999 mit dem Ziel der unberechtigten Anrechnung von Vorsteuern aus dem angeblichen Geschäft mit der C-AG habe der Kläger zu 1 bedingt vorsätzlich eine vollendete Steuerhinterziehung begangen. Dem Kläger zu 2 sei Steuerhinterziehung deshalb vorzuwerfen, weil er den Kläger zu 1 vorsätzlich zur Einreichung der unrichtigen Steuervoranmeldungen bzw. der Steuererklärung veranlasst habe. Auch habe das FA das ihm obliegende Entschließungs- und Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Mit der Revision machen die Kläger zusammengefasst geltend, im Streitfall habe das FA per Saldo --bezogen auf die gesamte Lieferkette-— mehr Umsatzsteuer erhalten als Vorsteuer ausbezahlt worden sei. Den Umsatzsteuerzahlungen der C-AG aus den Scheinrechnungen an die A-GmbH und der A-GmbH aufgrund der Scheinlieferungen an die C-GmbH stünden geringere Vorsteuern aufgrund der Scheinlieferungen der C-AG an die A-GmbH gegenüber. Da die Haftungsvorschriften der §§ 69 und 71 AO keine Sanktionsnormen seien, sondern allein den Vermögensschaden des Fiskus absicherten, komme die Haftungsinanspruchnahme nur insoweit in Betracht, als durch das die Ersatzpflicht begründende Ereignis das Vermögen des Geschädigten gemindert sei. Bei der danach gebotenen Betrachtung des mit dem Gesamtplan verfolgten Systems sei beim Fiskus kein Vermögensschaden eingetreten. Das habe das FG nicht berücksichtigt.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die erstinstanzliche Entscheidung sowie die Haftungsbescheide in der Fassung der Änderung vom 10. November 2009 aufzuheben.
Das FA hält die Entscheidung des FG für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FA hat die Kläger zu Recht als Haftungsschuldner gemäß § 191 i.V.m. § 71 AO in Anspruch genommen, da sie durch den Vorsteuerabzug, der auf Scheinrechnungen der C-AG beruhte, eine Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begangen haben.
1. Gemäß § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.
a) Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme ist mithin zunächst die Feststellung, dass eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO vorliegt. Dem FA müssen vorsätzlich unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht und dadurch Steuern verkürzt, d.h. nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sein (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Steuerhinterziehung muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden sein (Senatsurteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).
b) Nach den Feststellungen des FG, die die Kläger mit der Revision nicht angegriffen haben und die den Senat deshalb binden (§ 118 Abs. 2 FGO), haben die Kläger eine Steuerhinterziehung begangen. Der Kläger zu 1 hat auf Veranlassung des Klägers zu 2 die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1999 bzw. die Umsatzsteuerjahreserklärung 1999 und die Umsatzsteuervoranmeldung III. Quartal bzw. die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung IV. Quartal 2000 beim Finanzamt X eingereicht. Das FG hat in eingehender Auseinandersetzung mit den festgestellten Tatumständen nachvollziehbar dargelegt, dass die A-GmbH zur Anrechnung der in den genannten Erklärungen ausgewiesenen Vorsteuern nicht berechtigt war, weil die in § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) normierten Tatbestandsvoraussetzungen für den Abzug der Vorsteuern aus den Rechnungen der C-AG nicht vorlagen. Der dieser nationalen Vorschrift zu Grunde liegende Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145/1), heute Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1) bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die (im Inland) geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder geleistet wurden, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, heute Art. 168 MwStSystRL). Abziehbar ist die in einer Rechnung ausgewiesene, gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und Leistungen (Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, heute Art. 203 MwStSystRL). Demnach erstreckt sich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 13. Dezember 1989 C-342/87 --Genius-- Slg. 1989, 4227; vom 19. September 2000 C-454/98 --Schmeink & Cofreth und Strobel-- Slg. 2000, I-6973).
Nach den Feststellungen des FG sind die Lieferungen und Leistungen, die die C-AG der A-GmbH in Rechnung gestellt hat, tatsächlich nicht ausgeführt worden; der A-GmbH ist weder die Verfügungsmacht über die geschuldeten Gegenstände verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG) noch sind die vereinbarten sonstigen Leistungen erbracht worden. Damit hat kein der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz i.S. des § 1 UStG stattgefunden. Die C-AG war nicht berechtigt, die Umsatzsteuer in ihren Rechnungen auszuweisen und die A-GmbH durfte die ausgewiesenen Beträge dementsprechend nicht als Vorsteuer geltend machen.
c) Ohne Rechtsfehler hat das FG auch das Verschulden der Kläger bejaht. Es hat aufgrund des Geständnisses des Klägers zu 2, der die Steuererklärungen erstellt hat, festgestellt, diesem sei der unberechtigte Vorsteuerabzug bewusst gewesen und der Kläger zu 1 habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, indem er angesichts der ungewöhnlichen Gestaltung der Geschäftsbeziehung mit der C-AG und der C-GmbH ohne vorherige Kontrolle die ihm vorgelegten Steuererklärungen unterzeichnet und beim Finanzamt X eingereicht hat.
d) Die Steuerhinterziehung war jeweils mit der Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen vollendet, da die Voranmeldungen nach § 168 i.V.m. § 164 AO zu Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung führen. Die begangene Straftat entfällt nicht rückwirkend dadurch, dass das FA die Abrechnungen als Scheinrechnungen erkannte und den gewährten Vorsteuerabzug in Änderungsbescheiden rückgängig gemacht hat, so dass die Rechnungen der C-AG nur zeitweilig zu dem gewünschten Erfolg der Anerkennung der in ihnen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge geführt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891).
e) Unerheblich ist, dass die gegen die beiden Kläger wegen Steuerhinterziehung eingeleiteten Steuerstrafverfahren eingestellt worden sind. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. November 1973 I R 92/72, BFHE 111, 7, BStBl II 1974, 125, zu § 392 der Reichsabgabenordnung; vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9; vgl. auch Jatzke in Beermann/ Gosch, AO § 71 Rz 12; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 71 Rz 6, m.w.N.).
2. Die Haftung nach § 71 AO umfasst nach dem Wortlaut der Haftungsnorm die verkürzten Steuern bzw. die zu Unrecht gewährten Steuervorteile einschließlich der Nachzahlungszinsen. Gehaftet wird für den vom Hinterziehungsvorsatz umfassten noch nicht erfüllten Steueranspruch (Senatsbeschluss vom 27. März 2006 VII B 117/05, BFH/NV 2006, 1254) bzw. den zu Unrecht in Anspruch genommenen Steuervorteil.
Mit der Haftung nach § 71 AO soll der dem Fiskus entstandene Vermögensschaden ausgeglichen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 71 Rz 14; Klein/Rüsken, a.a.O., § 71 Rz 11, m.w.N.; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 3. Aufl., S. 78, Rz 177). § 71 AO ist keine Sanktionsnorm. Da die Norm Schadensersatzcharakter hat (vgl. zu § 69 AO Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStB1 II 2001, 271), ergibt sich die Höhe der Haftung unabhängig vom Maß des Verschuldens daraus, inwieweit die Pflichtverletzung für den Steuerausfall ursächlich war (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504; vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 71 AO Rz 30).
Durch die von den Klägern begangene Steuerhinterziehung ist dem FA ein Steuerschaden entstanden, weil durch den unberechtigten Vorsteuerabzug rechtsgrundlos ein Umsatzsteuererstattungsanspruch und --mit dem Wegfall der Umsatzsteuerzahllast-- eine ungetilgte Steuerschuld der A-GmbH entstanden sind (Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 891).
a) Anders als die Kläger meinen, wäre das FA auch dann nicht gehindert gewesen, sie --wie geschehen-- in Haftung zu nehmen, wenn feststünde, dass bei einer Gesamtschau der Scheingeschäfte an den Fiskus ein höherer Betrag an Umsatzsteuer abgeführt als an Vorsteuer in Anspruch genommen worden ist. Deshalb bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob die C-AG und die A-GmbH --wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat-- die in deren jeweiligen Ausgangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer an das FA abgeführt haben und ob diese Umsatzsteuerzahlungen ggf. höher oder mindestens gleich hoch waren wie die von der A-GmbH zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuern.
Der von der Haftung umfasste Steuerschaden durch die unberechtigte Geltendmachung der Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der C-AG wäre auch nicht kompensiert durch die --vom FG nicht festgestellte-- Entrichtung der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer durch die C-AG. Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der für die Haftung nach § 71 AO maßgebliche Schaden allein nach dem Umfang der tatsächlichen Erfüllung der Steuerschuld, zu deren rechtzeitiger Begleichung der zur Haftung Herangezogene verpflichtet war (Senatsurteil vom 21. Juni 1994 VII R 34/92, BFHE 175, 198, BStBl II 1995, 230). Daran ist festzuhalten. Die abgabenrechtlichen Haftungsnormen ähneln zwar den zivilrechtlichen Schadensersatzvorschriften, gleichen ihnen aber nicht in jeder Hinsicht. Der im Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs kann auf die steuerliche Haftung ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden, wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342, m.w.N.). Denn der Haftungsanspruch nach § 71 AO entsteht, wenn die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind. Für die Berücksichtigung von dort nicht genannten Umständen fehlt es an einer Rechtsgrundlage (Senatsurteil vom 2. August 1988 VII R 60/85, BFH/NV 1989, 150).
Schon nach dem Wortlaut des § 71 AO könnten Umsatzsteuerzahlungen der C-AG die Haftung nicht beeinflussen. Die Vorschrift normiert täterbezogen die Haftung für die durch Steuerhinterziehung verkürzten Steuern ("wer eine Steuerhinterziehung ... begeht, haftet für die verkürzten Steuern"). Der Steuerhinterzieher haftet in Höhe der aufgrund seiner Tat verkürzten bzw. hinterzogenen Beträge (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 891, m.w.N.). Der Tatbeitrag der Kläger, der die ihnen zur Last gelegte Steuerhinterziehung bewirkte, liegt in der Geltendmachung der Vorsteuern aus den Rechnungen der C-AG in der Umsatzsteuererklärung für 1999 und in der Voranmeldung IV. Quartal 2000 für die A-GmbH.
Da die Haftung "für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile" nach § 71 AO mit der Begehung der Steuerhinterziehung entstanden ist, d.h. im Streitfall für die als Vorsteuer unberechtigt angemeldete Umsatzsteuer aus den Rechnungen der C-AG, wäre die Abführung der nämlichen Umsatzsteuer durch den Lieferanten, auch wenn sie in einem Gesamtplan zur Vermeidung eines Steuerschadens vorgesehen sein sollte, unbeachtlich.
Der Vorhalt, ein Schaden des Fiskus werde ungerechtfertigt überkompensiert, wenn bei der Ermittlung der Haftungssumme die vom Lieferanten abgeführte Umsatzsteuer unberücksichtigt bleibe, geht fehl. Denn eine solche Überkompensation hätte --läge sie vor-- ihre Ursache nicht im Haftungs-, sondern im Umsatzsteuerrecht und müsste ggf. mit den dort vorgesehenen Instrumentarien korrigiert werden. Im Fall des unberechtigten Steuerausweises ist das Gebot der Umsatzsteuerneutralität kraft Gesetzes --zunächst-- aufgehoben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1994 V R 43/92, BFH/NV 1995, 358): Einerseits wird die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer allein wegen dieses Steuerausweises geschuldet (§ 14 Abs. 3 UStG a.F., § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG i.d.F. des Art. 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645), andererseits kann Vorsteuer nicht allein deshalb abgezogen werden, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG; EuGH-Urteil in Slg. 1989, 4227). Die dem Neutralitätsprinzip geschuldete Korrekturmöglichkeit bieten die Sätze 3 ff. des § 14c Abs. 2 UStG, indem sie ein gesondertes Verfahren zur Berichtigung der geschuldeten Umsatzsteuer vorsehen, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens --etwa durch Rückzahlung der geltend gemachten Vorsteuer-- beseitigt worden ist.
Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, für die es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ankommt, wird durch die Möglichkeit einer späteren Rechnungskorrektur nicht berührt. Ob und inwieweit sich eine solche auf die Haftungssumme auswirken könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
b) Die vom FG nach mehrfacher Berichtigung als zutreffend erkannte Haftungssumme ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie setzt sich --abgesehen von den geltend gemachten Zinsen-- ausschließlich aus in Rechnungen der C-AG an die A-GmbH zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuern zusammen, die die A-GmbH in ihren Umsatzsteuererklärungen als Vorsteuern geltend gemacht hat und die zu den an sie gezahlten Erstattungen geführt haben.
Auch die Höhe der in der Haftungssumme enthaltenen Nachzahlungszinsen hat das FG zu Recht nicht beanstandet. Sie sind zwar nicht den Reduzierungen der Hauptschuld entsprechend gemindert worden. Diese Reduzierungen beruhen nach den unwidersprochenen und den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG darauf, dass das FA die in den Umsatzsteuerfestsetzungen für 1999 und 2000 enthaltenen Ausgangssteuern für Lieferungen und Leistungen an die C-GmbH aus der Haftung herausgenommen hat. Umsatzsteuerrechtlich aber bleibt die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, auch wenn es sich um einen unberechtigten Steuerausweis handelt, jedenfalls bis zum Zeitpunkt einer Rechnungsberichtigung geschuldet (§ 14 Abs. 3 UStG a.F., § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Rechnungen der A-GmbH an die C-GmbH sind weder in 1999 noch in 2000 berichtigt worden und waren folglich --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- in den jeweiligen Umsatzsteuererklärungen zu erfassen. Ohne die von den Klägern zu Unrecht angesetzten Vorsteuern wäre statt eines Erstattungsbetrags eine Umsatzsteuerzahllast festzusetzen gewesen. Der zu verzinsende Steuervorteil hat sich demgemäß durch die Entlassung der Rechnungen an die C-GmbH aus der Haftung nicht verringert. Für eine Korrektur der ursprünglich ermittelten Zinsen im Rahmen des Haftungsbescheids bestand demgemäß keine Veranlassung.
c) Da das FA die von der A-GmbH in den Rechnungen an die C-GmbH zu Unrecht ausgewiesene, in den Erklärungen für 1999 und 2000 aber angemeldete Umsatzsteuer aus der Haftung genommen hat, weil die C-GmbH insoweit keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, erübrigt sich eine Entscheidung dazu, ob diese Umsatzsteuer --wäre sie tatsächlich nicht gezahlt worden-- ursprünglich zu Recht in die Haftungssumme eingeflossen ist. Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass die A-GmbH zur Abführung dieser unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer --wie bereits ausgeführt-- gemäß § 14 Abs. 3 UStG a.F. verpflichtet war, jedenfalls solange die Rechnungen nicht berichtigt worden sind (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. Juli 2010 16 K 55/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2127, zu § 14c UStG). Da nicht festgestellt ist, dass die A-GmbH ihre Rechnungen von der C-GmbH zurückgeholt hat, schuldete sie den darin ausgewiesenen Steuerbetrag. Ob sie nachträglich noch eine Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags hätte erreichen können (vgl. § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG), kann dahinstehen, da diese in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen (vgl. § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG) und entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG in einem späteren Besteuerungszeitraum vorzunehmen wäre. Eine Reduzierung der Haftungssumme wäre danach nur dann veranlasst gewesen, wenn feststünde, dass die A-GmbH die ausgewiesene Umsatzsteuer abgeführt hat; ob andernfalls sich der Haftungsbetrag --im Falle einer späteren Berichtigung der angemeldeten Umsatzsteuer-- nachträglich verringern könnte, wäre für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids ohne Bedeutung (s.o.).
d) Zu Recht hat das FG die Ermessensentscheidung des FA, die Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht beanstandet. Nach § 191 Abs. 1 AO "kann" gegen den kraft Gesetzes Haftenden ein Haftungsbescheid erlassen werden. Diese Entscheidung unterliegt im Rahmen des § 102 FGO der gerichtlichen Nachprüfung. Die Ermessensentscheidung im Fall einer Steuerhinterziehung ist allerdings in der Weise vorgeprägt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692, 694).