Entscheidungsdatum: 05.03.2013
NV: Nicht jeder erledigte Eingriff in Grundrechte rechtfertigt eine Fortsetzungsfeststellungsklage .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat im April 2010 bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Steuerberaterkammer) erfolglos beantragt, zur Steuerberaterprüfung zugelassen zu werden. Die Steuerberaterkammer war der Ansicht, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG); sie sei nicht sieben Jahre lang im Sinne dieser Vorschrift steuerrechtlich tätig gewesen. Die Klägerin sei in der betreffenden Zeit Angestellte eines Buchführungsbüros gewesen; dass zwischen diesem und einer Steuerberaterin ein Vertrag über freie Mitarbeit bestanden habe und die Klägerin im Rahmen dieses Vertrages nach den Vorgaben der Steuerberaterin und unter deren Aufsicht und Verantwortung steuerrechtlich tätig gewesen sein möge, könne insbesondere angesichts des Fehlens einer vertraglichen Beziehung zwischen der Klägerin und der Steuerberaterin bei der Zulassungsentscheidung nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden.
Die von der Klägerin mit dem Antrag erhobene Klage, sie zur Steuerberaterprüfung zuzulassen, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Der erkennende Senat hat aufgrund der vom FG zugelassenen Revision der Klägerin dieses Urteil durch --nach Antrag der Steuerberaterkammer auf mündliche Verhandlung später wirkungslos gewordenen-- Gerichtsbescheid aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen, damit dieses kläre, ob die Klägerin in dem erforderlichen zeitlichen Umfang für die Steuerberaterin auf steuerrechtlichem Gebiet gearbeitet habe; nach den im Übrigen vom FG im ersten Rechtsgang getroffenen tatsächlichen Feststellungen erfülle jedoch diese Tätigkeit die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG.
Durch Bescheid vom 4. Oktober 2012 hat die Steuerberaterkammer die Klägerin zur Steuerberaterprüfung 2013 zugelassen; sie hat den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Klägerin ist jedoch zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergegangen, die sie in erster Linie wegen ihres Rehabilitationsinteresses, ferner zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage für zulässig hält. Sie trägt dazu vor, die Nichtzulassung zur Steuerberaterprüfung 2010 stelle "einen erheblichen Eingriff in ihre [der Klägerin] Persönlichkeitssphäre im Bereich der Berufsfreiheit" dar. Des Weiteren ergebe sich das Rehabilitationsinteresse daraus, dass das FG ihr sinngemäß vorgeworfen habe, unbefugt auf dem Gebiet der Steuern tätig gewesen zu sein. Im Übrigen habe sie sich bei Ablehnung ihrer Zulassung zur Steuerberaterprüfung in "einem optimalen Vorbereitungsstand durch ... berufsbegleitende Wochenendkurse" befunden; einen "Ersatzanspruch zumindest auf die Entschädigung der nochmalig angefallenen Ausbildungskosten" geltend zu machen, sei nicht offensichtlich aussichtslos, da das FG "die maßgebliche Vorschrift ... fehlerhaft ausgelegt [habe], obwohl aufgrund der größeren Sachnähe und anvertrauten Spezialmaterie bei einer ordnungsgemäßen Abwägung unter Beachtung der Rechtseinheit die Rechtswidrigkeit ... erkennbar hätte sein müssen".
Die Klägerin beantragt, die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides der Zulassung zur Steuerberaterprüfung vom 15. Juli 2010 festzustellen.
Die Steuerberaterkammer hält die Fortsetzungsfeststellungsklage für unbegründet.
Es sei abwegig, Schadensersatzforderungen damit zu begründen, dass eine Behörde eine abweichende Rechtsauffassung zu einer bisher nicht entschiedenen Frage gehabt habe, die im Übrigen erstinstanzlich bestätigt worden sei. Zudem sei der Klägerin keinerlei Schaden entstanden.
II. Der Senat kann erneut durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Klägerin ihren Klageantrag umgestellt hat (vgl. schon Urteil des Senats vom 9. Juni 1988 VII K 14/84, BFHE 153, 507, BStBl II 1988, 840).
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Urteil des FG verletzt zwar, wie der erkennende Senat in seinem wirkungslos gewordenen Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2012 im Einzelnen ausgeführt hat, Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO), ist aber im Ergebnis der Abweisung der Klage hinsichtlich seines Entscheidungsausspruches, auf den es allein ankommt, richtig, sodass die Revision gegen dieses Urteil gemäß § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen ist.
Der von der Klägerin nach dem jetzt erreichten Streitstand erhobene Feststellungsantrag (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), der für die Entscheidung des Senats allein maßgeblich ist, ist (anders als die Steuerberaterkammer meint, nicht unbegründet, sondern) unzulässig, weil der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung fehlt, welches der letzte Halbsatz vorgenannter Vorschrift verlangt.
Die Klägerin hat kein Rehabilitationsinteresse, weil die (unberechtigte) Ablehnung ihrer Zulassung zur Steuerberaterprüfung 2010 durch die Steuerberaterkammer bei verständiger Würdigung kein Rehabilitationsinteresse zur Folge haben kann. Denn sie beruht nicht auf einer ungerechtfertigten Herabwürdigung der bisherigen beruflichen Leistung der Klägerin oder gar ihrer Eignung und Befähigung für den Beruf des Steuerberaters oder irgendwelchen sonstigen diskriminierenden Vorwürfen oder Bewertungen, sondern auf einer --zudem jedenfalls nicht abwegigen-- Rechtsansicht, dass nämlich im Interesse der Praktikabilität des Prüfungszulassungsverfahrens eine berufspraktische Tätigkeit i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG nur anerkannt werden könne, wenn ihr klare und nachprüfbare vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Zulassungsbewerber und einem zur Steuerberatung befugten Berufsträger zugrunde liegen. Dass die unberechtigte Ablehnung der Prüfungszulassung einen Eingriff in das "Persönlichkeitsrecht" der Klägerin darstelle, mag, wenn es dahin verstanden wird, dass sie einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt, zutreffend sein; nicht jeder erledigte Eingriff in Grundrechte rechtfertigt indes ohne Weiteres eine Fortsetzungsfeststellungsklage.
Ein Rehabilitationsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass die Steuerberaterkammer sinngemäß die bisherige berufspraktische Tätigkeit der Klägerin als unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen bewertet hat; denn dies beruhte lediglich auf vorgenannter, erkennbar angreifbarer Auslegung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG, ohne dass damit der Vorwurf verbunden gewesen wäre, die Klägerin habe wissentlich die Vorschriften des StBerG missachtet.
Die Klägerin kann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides auch nicht daraus herleiten, dass sie Interesse an einer solchen Feststellung wegen eines ihr zustehenden Amtshaftungsanspruches gegen die Steuerberaterkammer hat. Dem Vorbringen der Revision ist nicht einmal --was Voraussetzung für die Anerkennung eines diesbezüglichen Feststellungsinteresses wäre-- hinreichend deutlich zu entnehmen, die Klägerin beabsichtige ernstlich, einen (in seinem Ausgang allemal offenen) Amtshaftungsprozess gegen die (offenkundig nicht ersatzbereite) Steuerberaterkammer anzustrengen. Auch ist nicht substantiiert dargelegt, dass der Klägerin durch die von ihr beklagte Verzögerung ihrer Prüfungsteilnahme um drei Jahre ein Schaden entstanden ist. Im Übrigen ist ein Feststellungsinteresse der Klägerin schon nicht anzuerkennen, weil eine Amtshaftungsklage offensichtlich aussichtslos wäre.
Von offensichtlicher Aussichtslosigkeit einer Amtshaftungsklage ist auszugehen, wenn erkennbar ist, dass der betreffende zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Kollegialgericht das Verhalten eines Beamten als rechtmäßig gewertet hat und deshalb diesem gegenüber grundsätzlich nicht der Vorwurf erhoben werden kann, er habe offensichtlich fehlerhaft gehandelt und damit schuldhaft eine ihm obliegende Amtspflicht verletzt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 21. Dezember 2010 7 C 23.09, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2011, 618). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos. Er gilt dann nicht, wenn das betreffende Gericht die Rechtslage trotz eindeutiger und klarer Vorschriften verkannt oder eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt hat oder wenn sonst besondere Umstände dafür sprechen, dass der verantwortliche Beamte es kraft seiner Stellung oder seiner besonderen Einsichten "besser" als das Kollegialgericht hätte wissen müssen (BVerwG-Urteile in NVwZ 2011, 618, und vom 30. Juni 2004 4 C 1.03, BVerwGE 121, 169).
Von diesen vom BVerwG nach Ansicht des erkennenden Senats zutreffend formulierten Ausnahmetatbeständen kommt im Streitfall allenfalls die Annahme in Betracht, dass die Steuerberaterkammer aufgrund ihrer Vertrautheit mit dem Prüfungszulassungsrecht bessere Rechtseinsicht hätte haben müssen als das FG. Woraus sich solche überlegenen Erkenntnismöglichkeiten im vorliegenden Zusammenhang ergeben sollten, ist jedoch nicht ersichtlich. Es handelte sich bei der strittigen Rechtsfrage vielmehr um eine mit allgemeinen juristischen Auslegungsmethoden und der Bewertung der von der Steuerberaterkammer maßgeblich geltend gemachten Erfordernisse der Verwaltungspraktikabilität zu lösende Frage, in der von der Steuerberaterkammer kein sichereres Urteil verlangt werden kann als von einem mit drei Berufsrichtern besetzten FG.
Da die Revision mithin erfolglos bleibt, hat die Klägerin gemäß § 135 Abs. 2 FGO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.