Entscheidungsdatum: 11.12.2012
NV: Überweist die Bank auf die Pfändung und Einziehung eines Kontoguthabens des Vollstreckungsschuldners dem FA versehentlich einen das Guthaben übersteigenden Betrag, ist der ihr zustehende Rückzahlungsanspruch kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen durch Abrechnungsbescheid festgestellt werden kann .
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Kreditinstitut, bei dem die Fa. C (Vollstreckungsschuldnerin) zwei Guthabenkonten unterhielt. Wegen vollstreckbarer Steuerforderungen in Höhe von 23.787,79 € pfändete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 8. April 2009 (u.a.) gegen die Klägerin bestehende Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin auf Zahlung ihrer gegenwärtigen und künftigen Kontoguthaben und forderte die Klägerin zur Zahlung der gepfändeten Beträge auf. Aufgrund eines Irrtums ihres zuständigen Sachbearbeiters überwies die Klägerin dem FA den gesamten geschuldeten Betrag, obwohl die Konten der Vollstreckungsschuldnerin lediglich Guthaben in Höhe von insgesamt 2.419,72 € aufwiesen.
Nachdem die Klägerin das FA zur Rücküberweisung des überzahlten Betrags aufgefordert hatte, erließ dieses einen Abrechnungsbescheid, mit dem ein Erstattungsanspruch der Klägerin als nicht bestehend festgestellt wurde.
Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1017 veröffentlichten Gründen den Abrechnungsbescheid auf und verurteilte das FA, der Klägerin 21.368,07 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. September 2009 zu zahlen.
Mit seiner Revision vertritt das FA die Auffassung, es habe durch Abrechnungsbescheid entscheiden dürfen, weil es sich bei dem seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des streitigen Betrags um einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) handele. Steuern könnten auch von Dritten mit befreiender Wirkung für den Steuerschuldner gezahlt werden. Die Klägerin habe im Streitfall auf die bestehende Steuerschuld der Vollstreckungsschuldnerin gezahlt und habe diese Schuld insoweit zum Erlöschen gebracht. Die Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zur Vollstreckungsschuldnerin zur Zahlung verpflichtet gewesen sei, betreffe allein dieses Verhältnis zur Vollstreckungsschuldnerin. Rechtliche Grundlage für eine Erstattung des gezahlten Betrags seien § 37 Abs. 2 AO, nicht aber bereicherungsrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein Erstattungsanspruch nach jener Vorschrift könne im Streitfall nur von der Vollstreckungsschuldnerin geltend gemacht werden und bestehe im Übrigen wegen ihrer Steuerschuld nicht.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Auffassung des FG an.
II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 218 Abs. 2 AO wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. Abrechnungsbescheid) entschieden; dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, der nach § 37 Abs. 1 AO ebenfalls ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist. Gegenstand des Abrechnungsbescheids ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche; er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) noch bestehen oder durch einen der in § 47 AO aufgeführten Erlöschenstatbestände ganz oder teilweise erloschen sind (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 218 Rz 13, m.w.N.).
Ob ein Steuerpflichtiger einen Erstattungsanspruch hat, hängt nach § 37 Abs. 2 AO davon ab, ob auf seine Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ein für die Leistung zunächst vorhandener rechtlicher Grund später weggefallen ist. Als rechtlicher Grund im Sinne dieser Vorschrift kommen nur die in § 218 Abs. 1 AO genannten Bescheide in Betracht (Klein/Rüsken, a.a.O., § 218 Rz 3). Der Erstattungsbetrag ist die Differenz zwischen dem bereits an die Finanzbehörde geleisteten Betrag und dem durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO festgesetzten Betrag (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 218 AO Rz 6). Sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Grund oder Höhe im Streit, entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid.
Bei dem vorliegend streitigen Rückzahlungsanspruch der Klägerin handelt es sich nicht um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach im Wege eines Abrechnungsbescheids verbindlich entschieden werden kann.
Zwischen der Klägerin und dem FA besteht kein (mit dem Streitfall im Zusammenhang stehendes) Steuerschuldverhältnis. Anders als das FA meint, hat die Klägerin mit der Überweisung des streitigen Betrags an das FA auch nicht auf die Steuerschuld der Vollstreckungsschuldnerin geleistet. Sie hat vielmehr mit der Überweisung den ursprünglich der Vollstreckungsschuldnerin zustehenden und nunmehr im Wege der Pfändung auf das FA übergegangenen Anspruch auf Auszahlung der auf den Konten bestehenden Guthaben erfüllt. Dieser Anspruch ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern gründet sich auf den zwischen der Klägerin und der Vollstreckungsschuldnerin geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe mehr überwiesen, als das FA aufgrund seines von der Vollstreckungsschuldnerin übergegangenen Anspruchs zu fordern berechtigt war, handelt es sich --wie das FG zutreffend entschieden hat-- um einen zivilrechtlichen Anspruch, dessen Bestehen oder Nichtbestehen das FA nicht durch Abrechnungsbescheid feststellen kann.
2. a) Ob --wie das FG angenommen hat-- für die gerichtliche Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin der beschrittene Finanzrechtsweg zulässig ist, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden (§ 155 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes).
b) Zu Recht hat das FG den Anspruch der Klägerin als nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet angesehen. Da die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 8. April 2009 (u.a.) nur Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin auf Auszahlung ihrer Kontoguthaben erfasste, ist dem FA mit dem überwiesenen Betrag etwas ohne Rechtsgrund geleistet worden, soweit dieser über die auf den Konten bestehenden Guthaben hinausging.
c) Das FG hat das FA auch zu Recht zur Zahlung von Zinsen seit dem 18. September 2009 verurteilt. Insoweit ist ergänzend auf die vom FG in den Entscheidungsgründen nicht erwähnten §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB hinzuweisen.