Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 27.06.2012


BFH 27.06.2012 - VII B 57/11

(Unterlassene Protokollierung von Aussetzungsanträgen kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO - Antrag auf Tatbestandsberichtigung - Rechtliches Gehör - Vorgreiflichkeit im Vollstreckungsverfahren)


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
27.06.2012
Aktenzeichen:
VII B 57/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG München, 17. Februar 2011, Az: 15 K 2137/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Da auch die von den Beteiligten gestellten Anträge zum Tatbestand gehörten, ist eine unterlassene Protokollierung mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO zu verfolgen .

2. NV: Die Rüge, der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sei falsch, weil das FG einen in der mündlichen Verhandlung nach § 69 Abs. 2 FGO gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht zu Protokoll genommen habe, kann nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgebracht werden .

3. NV: Ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Aktenlage nicht gestellt und eine diesbezügliche Tatbestandsberichtigung nicht beantragt worden, kann die Nichtbescheidung des vermeintlich gestellten Antrags keinen Verfahrensmangel wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen .

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht (FG) hat keinen Erfolg. Keiner der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Zulassungsgründe liegt vor.

2

1. Das Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

3

a) Die Rüge des Klägers, der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sei falsch, weil das FG weder einen im Verwaltungsverfahren nach § 361 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) noch den in der mündlichen Verhandlung nach § 69 Abs. 2 FGO gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu Protokoll genommen habe, kann nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgebracht werden. Da auch die von den Beteiligten gestellten Anträge zum Tatbestand gehören (vgl. § 105 Abs. 3 Satz 1 FGO), ist ein solcher Mangel mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO zu verfolgen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2011 VII B 124/10, BFH/NV 2011, 2112, m.w.N.).

4

b) Mit dem Vorwurf, das FG habe nicht berücksichtigt, dass die hauptsächlich aus den 1990er Jahren resultierenden Steuerschulden des Klägers wegen Eintritts der Verjährung nach § 228 AO erloschen und nach den von seinem Vertreter "bei den Steuervorgängen ab 1973 erreichten Revisionen die sämtlichen Steuerschulden bis 1990 mit Zahlung eines Betrages von ca. 2000 DM ausgeglichen und erledigt" seien, kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden, weil mit diesem Vorbringen materiell-rechtliche Fehler des FG geltend gemacht werden. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils sind revisionsrechtlich aber grundsätzlich unbeachtlich. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 30. September 2010 VII B 61/10, BFH/NV 2011, 195; vom 30. Januar 2007 VII B 3/06, BFH/NV 2007, 1324).

5

c) Die Nichtbescheidung eines vermeintlich gestellten Antrags auf AdV kann schon deshalb nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führen, weil ein solcher Antrag nach Aktenlage nicht gestellt worden ist. Eine diesbezügliche Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt; die Frist für einen solchen Antrag (§ 108 Abs. 1 FGO) ist zwischenzeitlich verstrichen.

6

d) Die Entscheidung des FG, das finanzgerichtliche Verfahren nicht gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des Landgerichts X auszusetzen, rechtfertigt die Revisionszulassung schon deshalb nicht, weil sie offensichtlich richtig ist. Nach den Feststellungen des FG könnte sich jenes Verfahren zwar möglicherweise auf die Steuerfestsetzung für das Jahr 2004 auswirken. Im Streitfall geht es aber nicht um diese Steuerfestsetzung, sondern um die Vollstreckung von Steuerforderungen. Nach § 256 AO sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens zu verfolgen, d.h. im Vollstreckungsverfahren ist die materielle Richtigkeit der zu vollstreckenden Forderung unbeachtlich. Verfahren, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt betreffen oder sich darauf auswirken, können demgemäß für das Vollstreckungsverfahren nicht vorgreiflich sein. Deshalb bestand für das FG auch kein Anlass zur Beiziehung der Akten der vor dem FG Baden-Württemberg geführten Prozesse, so dass der behauptete Verstoß gegen § 76 FGO nicht vorliegt.

7

2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und das Erfordernis der Rechtsfortbildung hat der Kläger nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO). Hierfür reicht weder aus zu behaupten, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, noch --wie es der Kläger getan hat-- die diesbezügliche Beurteilung dem angerufenen Senat zu überlassen. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist zunächst eine konkrete Rechtsfrage herauszustellen. Sodann ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. Oktober 2002 IX B 129/02, BFH/NV 2003, 328, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung offensichtlich nicht.