Entscheidungsdatum: 03.09.2015
NV: Legt der als Steuerberater tätige Kläger eine Verletzung eigener Rechte durch die vermeintlich rechtswidrige Zulassung eines anderen Steuerberaters nicht hinreichend dar, kann der Frage, ob Steuerberater als Dritte gegenüber der zuständigen Steuerberaterkammer eine Maßnahme nach § 39a Abs. 1 Satz 1 StBerG oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verlangen können, so dass ihnen insoweit eine Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO zusteht, keine grundsätzliche Bedeutung zukommen.
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 10. Dezember 2014 2 K 2674/13 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft, für die in der Vergangenheit Herr X, der inzwischen in Nordrhein-Westfalen als Steuerberater zugelassen ist, als Prokurist tätig war. Mit der Begründung, X wohne nach wie vor in B (in einem anderen Bundesland) und habe in Nordrhein-Westfalen tatsächlich keinen Wohnsitz unterhalten, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) geltend, diese sei nach § 39a Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) verpflichtet, die Prüfungsentscheidung aufzuheben. Nachdem die Steuerberaterkammer diesem Begehren unter Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht nach § 83 Abs. 1 StBerG nicht entsprach, hat die Klägerin mit dem Antrag Klage erhoben, die Steuerberaterkammer zu verpflichten, die Zulassung des X zur Steuerberaterprüfung zurückzunehmen.
Mit der Begründung, der Klägerin fehle die Klagebefugnis, hat das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen. Das StBerG diene aufgrund seines Zwecks ausschließlich dem Schutz des Allgemeinwohlinteresses. Weder aus § 3 StBerG noch aus § 39a StBerG lasse sich ableiten, dass zugleich subjektive Rechte konkurrierender Berufsträger geschützt werden sollen. Dieses Ergebnis decke sich auch mit der Rechtsprechung zur Klagebefugnis hinsichtlich des Widerrufs einer einem Kollegen verliehenen Fachanwaltsbezeichnung (Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Hamm vom 17. Oktober 1997 1 ZU 29/97, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1998, 246), die auf den Streitfall übertragen werden könne. Da die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften nicht drittschützend seien, könne sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung zu den steuerrechtlichen Konkurrentenklagen berufen. Darüber hinaus habe die Klägerin im Verfahren überhaupt nicht substantiiert dargelegt, dass sie durch die Tätigkeit des X konkret feststellbar und durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile befürchten musste.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob Steuerberater als Dritte gegenüber der zuständigen Steuerberaterkammer eine Maßnahme nach § 39a StBerG oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung auf Grundlage dieser Vorschrift verlangen und hierzu nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt sein können. Zur Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte gemäß § 40 Abs. 2 FGO genüge es, wenn die nach dem Vortrag des Klägers möglicherweise verletzte Rechtsvorschrift zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen des Rechtssuchenden diene. Dies sei vorliegend der Fall, denn das StBerG schütze mittelbar den Berufsstand der Steuerberater und das Vertrauen der (potentiellen) Mandanten in die Beratung. Daher sei eine effektive Zugangskontrolle zu gewährleisten. Die ausschließliche Kontrolle durch die zuständige Steuerberaterkammer sei unzureichend, so dass eine Kontrollmöglichkeit auch Dritten zu eröffnen sei. Geklärt sei die aufgeworfene Rechtsfrage noch nicht. Gegen eine pauschale Ablehnung der Klagebefugnis habe sich auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 13. Oktober 1987 VII B 96/87 (BFHE 151, 18, BStBl II 1988, 67) ausgesprochen. Auch der Hinweis des FG auf die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Hamm in MDR 1998, 246 sei nicht geeignet, zur Klärung der Rechtsfrage beizutragen. Schließlich liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil das FG gemäß § 90a FGO einen Gerichtsbescheid erlassen habe, ohne die Klägerin vorher anzuhören. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs seien die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hinzuweisen.
Die Steuerberaterkammer ist der Beschwerde entgegengetreten. Aufgrund der nach § 83 StBerG bestehenden Schweigepflicht sei die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Dem StBerG lasse sich im Hinblick auf diese Pflicht auch keine planwidrige Lücke entnehmen. Der behauptete Verfahrensmangel liege nicht vor, weil die Anhörung infolge der Durchführung der mündlichen Verhandlung nachgeholt worden sei.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe genügt nicht den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und auf ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist darüber hinaus der substantiierte Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Ferner muss die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2014 VII B 116/12, BFH/NV 2014, 1550, und vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232).
Die Ausführungen der Klägerin genügen den dargestellten Voraussetzungen nicht, weil die Klägerin die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt hat. Mit ihrer Fragestellung unterstellt sie, eine Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO sei bereits dann gegeben, wenn nach dem Vortrag des Klägers die möglicherweise verletzte Rechtsvorschrift --hier § 39a StBerG-- zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen des Rechtssuchenden dient. Dabei lässt sie jedoch unberücksichtigt, dass eine Klagebefugnis die Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte voraussetzt, so dass die bloße Berufung auf eine Rechtsnorm, der eine drittschützende Wirkung zukommen soll, zur Vermittlung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht als ausreichend erachtet werden kann. Insbesondere bei Konkurrentenklagen ist es unabhängig von der Frage der Schutznorm zunächst Aufgabe des Klägers dem Gericht die Wettbewerbssituation substantiiert darzustellen (Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 40 FGO Rz 224). Bei Rechtsschutzbegehren Drittbetroffener bedarf die Darlegung der Verletzung eigener Rechte eines besonders detaillierten Vorbringens (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 40 Rz 122).
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht substantiiert dargelegt, dass sie durch die Tätigkeit des X Wettbewerbsnachteile erleidet und dadurch in ihren eigenen Rechten betroffen ist. Solche Ausführungen hat sie zwar in der Beschwerdeschrift gemacht, doch können diese zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht mehr als ausreichend angesehen werden, zumal die Klägerin Verfahrensrügen in Bezug auf die vom FG getroffenen Feststellungen nicht erhoben hat. Ihre Gehörsrüge bezieht sich lediglich auf den Umstand, dass das FG nicht vorab zu erkennen gegeben hat, es werde durch Gerichtsbescheid entscheiden. Der Beschwerde ist auch nicht zu entnehmen, was die Klägerin bei einem entsprechenden Hinweis, z.B. in Bezug auf die Verletzung eigener Rechte, vorgetragen hätte.
Die Klägerin hat daher die Entscheidungserheblichkeit der von ihr aufgeworfenen Frage, die nur einen Teilaspekt der Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO betrifft, nicht hinreichend belegt.
2. Soweit die Klägerin ihre fehlende Anhörung vor Erlass des Gerichtsbescheids beanstandet, legt sie den behaupteten Verfahrensmangel ebenfalls nicht substantiiert dar. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zur Sache zu machen. Dass das FG durch seine Vorgehensweise der Klägerin dieses Recht genommen hat, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Es fehlen insbesondere Ausführungen zu den Fragen, was die Klägerin bei entsprechender Anhörung vor Erlass des Gerichtsbescheids vorgetragen hätte und warum die Entscheidung des FG --auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags in der mündlichen Verhandlung-- aufgrund dieses Vortrags anders ausgefallen wäre. Ergänzend ist zu bemerken, dass sie in ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 2014 dem FG zu verstehen gegeben hat, aufgrund des umfassenden Schriftsatzwechsels halte sie die Sache nunmehr für "ausgeschrieben". Damit hat sie dem FG selbst signalisiert, dass sie einen weiteren schriftlichen Vortrag für entbehrlich erachtete.
Mit dem überwiegenden Schrifttum ist im Übrigen davon auszugehen, dass es eines Hinweises auf die beabsichtigte Verfahrensweise vor Erlass eines Gerichtsbescheids nicht bedarf (Mai in Beermann/Gosch, FGO, § 90a Rz 20; Schallmoser in HHSp, § 90a FGO Rz 39; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90a Rz 4 und Fu in Schwarz/Pahlke, AO, FGO, § 90a Rz 6, der darauf hinweist, dass die andere Ansicht von Gräber/Koch, a.a.O., § 90a Rz 6 durch die Fassung des § 90a Abs. 2 FGO ab 2001 überholt ist). Denn den Beteiligten steht es offen, sich rechtliches Gehör durch einen Antrag nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO zu verschaffen, wie dies die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. August 2014 auch getan hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.