Entscheidungsdatum: 04.03.2014
1. NV: Eine Erkrankung bildet nur dann einen ausreichenden Grund für eine Terminsverlegung, wenn sie so schwer ist, dass sie zur Verhandlungsunfähigkeit führt, so dass vom Beteiligten die Wahrnehmung des Verhandlungstermins nicht erwartet werden kann .
2. NV: Verlangt das Gericht eine Glaubhaftmachung, sind die Gründe für die Erkrankung in einer Art und Weise darzulegen, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, unter Berücksichtigung des bevorstehenden Termins zur mündlichen Verhandlung die Schwere der Erkrankung selbst zu beurteilen und sich ein eigenes Bild über den Gesundheitszustand des Beteiligten zu machen .
3. NV: Handelt es sich nicht um eine plötzliche, sondern um eine dauerhafte Erkrankung des Prozessvertreters, obliegt es ihm, sich rechtzeitig um eine Vertretung zu bemühen .
4. NV: Zur Darlegung eines hinreichenden Grundes für eine Terminsverlegung ist die Behauptung nicht ausreichend, über keinen Versicherungsschutz und über keine finanziellen Mittel zu verfügen, um eine ärztliche Untersuchung durchführen zu lassen .
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) wegen Umsatzsteuerschulden einer GmbH, deren Geschäftsführerin sie war, nach § 69 der Abgabenordnung als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte die mündliche Verhandlung am 5. September 2013 in Abwesenheit der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten durch. In mehreren Schriftsätzen hatte der Prozessbevollmächtigte Anträge auf Terminsverlegung gestellt. Im Schriftsatz vom 3. September 2013, mit dem er erstmals konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen darlegte, begehrte er die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung, um festzustellen, inwieweit er nicht verhandlungsfähig sei. Das FG urteilte, die Klägerin habe keine erheblichen Gründe i.S. des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht. Die dargelegten Gesundheitsbeeinträchtigungen führten nicht zwingend zu einer Verhandlungsunfähigkeit ihres Prozessbevollmächtigten. Darüber hinaus sei auch eine Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Diesbezüglich fehlten jegliche ärztliche Bescheinigungen und Unterlagen.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Verfahrensfehlerhaft habe das FG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt. Das FG hätte die Verlegung des Termins nicht ablehnen dürfen. In seinem Schreiben vom 3. September 2013 habe der Klägervertreter mitgeteilt, dass er an Diabetes II, chronischer Pankreatitis sowie instabiler Angina Pektoris mit Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck leide. Zudem habe er das FG darauf hingewiesen, dass seit Mai 2012 kein Krankenversicherungsschutz bestanden habe. Infolgedessen habe er ärztliche Untersuchungen selbst zahlen müssen, was er jedoch nicht könne. Deshalb sei es ihm nicht möglich gewesen, ein ärztliches Attest vorzulegen. Die Verhandlungsunfähigkeit ergebe sich aus von Ärzten eines Diabeteszentrums ausgestellten und dem FG vorgelegten Verordnungen verschiedener Medikamente. Jedem Verfahrensbeteiligten stehe es frei, seine Rechte durch einen Prozessbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen, weshalb das FG zu Unrecht darauf abgestellt habe, dass die Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin nicht dargelegt worden sei.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt. Das FG hat eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Recht abgelehnt.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das FG grundsätzlich verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegen. Ein solcher Grund kann in einer schweren Erkrankung liegen (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520, m.w.N.). Jedoch bildet nicht jegliche Erkrankung einen ausreichenden Grund für eine Terminsverlegung. Eine Terminsverlegung ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass vom Beteiligten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH-Beschluss vom 17. April 2002 IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047, m.w.N.). Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, hat das FG anhand sämtlicher ihm bekannter Umstände zu beurteilen. Die Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353).
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer ermessensgerechten Versagung der beantragten Terminsänderung auszugehen. Mit dem an den Prozessvertreter der Klägerin gerichteten Schreiben vom 26. August 2013 hat das FG ausdrücklich um Glaubhaftmachung der behaupteten Verhandlungsunfähigkeit und um Darlegung gebeten, warum die Klägerin den Termin nicht selbst wahrnehmen könne. In einem weiteren Schreiben vom 2. September 2013 hat das FG den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass der Terminverlegungsantrag aufgrund der unzureichenden Darlegung und Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit am Verhandlungstag abgelehnt werde und dass aus der vorgelegten "Verordnung von Krankenhausbehandlung", die den 1. Juli 2013 betreffe, nicht hervorgehe, dass der Klägervertreter auch am 5. September 2013, dem anberaumten Verhandlungstag, nicht verhandlungsfähig sei. Diese Schreiben hätte die Klägerin bzw. ihr Vertreter zum Anlass nehmen müssen, nähere Angaben über die Schwere der Erkrankung zu machen und damit den Vortrag näher zu substantiieren. Mit Schreiben vom 3. September 2013 hat der Klägervertreter lediglich mitgeteilt, dass aufgrund des fehlenden Versicherungsschutzes und fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit eine medizinische Versorgung nicht gewährleistet sei. Für eine amtsärztliche Untersuchung sei eine behördliche Anordnung erforderlich. Da eine vorherige Kostenklärung nicht gelungen sei, habe auch ein Krankenhaus nicht aufgesucht werden können. Da bei der Klägerin die Gehfähigkeit zu 100 % eingeschränkt sei und sie starke Schmerzmittel einnehmen müsse, sei auch bei ihr eine Verhandlungsfähigkeit nicht gegeben. Dieses Vorbringen war zur hinreichenden Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit sowohl des Klägervertreters als auch der Klägerin nicht geeignet. Denn durch die Angaben ist das Gericht nicht in die Lage versetzt worden, die Art und Schwere der Erkrankung insbesondere hinsichtlich der konkreten Gesundheitsbeeinträchtigung am vorgesehenen Verhandlungstag nachzuvollziehen und zu bewerten. Aus der vom Klägervertreter vorgelegten "Verordnung von Krankenhausbehandlung" ist lediglich ersichtlich, dass er zwei Monate vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einer Stoffwechselentgleisung in ärztlicher Behandlung gewesen ist.
Zudem hat der Klägervertreter nicht dargelegt, dass er sich um die Beschaffung der für eine ärztliche Untersuchung erforderlichen finanziellen Mittel --z.B. bei der Klägerin oder einem Träger der Sozialhilfe-- ernsthaft bemüht hat. Sein Vortrag erschöpft sich in der Behauptung, eine vorherige Kostenklärung sei ihm nicht gelungen. Zudem läuft sein Vorbringen darauf hinaus, er sei aufgrund der Schwere seiner unterschiedlichen Erkrankungen dauerhaft nicht in der Lage, Gerichtstermine wahrzunehmen. Bereits nach seinem eigenen Vortrag liegt also eine plötzliche und unvorhersehbare Erkrankung, die das FG zu einer Vertagung verpflichtet hätte, nicht vor. Bei einer länger andauernden Erkrankung obliegt es aber regelmäßig dem Prozessbevollmächtigten, sich rechtzeitig um eine Vertretung zu kümmern (BFH-Beschluss vom 3. November 2003 III B 55/03, BFH/NV 2004, 506).
3. Hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankung der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass das FG das persönliche Erscheinen nicht angeordnet hat (§ 80 Abs. 1 FGO). Darüber hinaus liegt auch bei der Klägerin nach dem Vorbringen der Beschwerde keine plötzliche Erkrankung, sondern aufgrund einer Knieoperation eine dauerhafte Beeinträchtigung der Gehfähigkeit vor. Im Übrigen wird die Behauptung einer erheblichen Beeinträchtigung des Bewusstseins durch die Einnahme von Schmerzmitteln nicht einmal ansatzweise belegt. Insbesondere fehlt es an hinreichenden Darlegungen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin auch am vorgesehenen Verhandlungstag auf die Einnahme von starken Schmerzmitteln angewiesen war, die in ihrer Wirkung zu einer Verhandlungsunfähigkeit führen.
Da die Klägerin bzw. ihr Vertreter ihren Obliegenheiten nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen sind, konnte das FG den Antrag auf Terminsverlegung ablehnen, weshalb die Beschwerde keinen Erfolg haben kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.