Entscheidungsdatum: 24.05.2013
1. NV: Das Gericht kann sich Feststellungen aus Vernehmungsprotokollen der Zollfahndung zu eigen machen, sofern der Verfahrensbeteiligte gegen die Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhebt und entsprechende Beweisanträge stellt .
2. NV: Den Inhalt eines vom Arbeitgeber des Verfahrensbeteiligten gefertigten Anhörungsvermerks sowie die Inhalte weiterer Anhörungsvermerke, in denen derselbe Arbeitgeber die Aussagen von Tatbeteiligten festgehalten hat, kann das FG in seine Beweiswürdigung mit einbeziehen, sofern die Verfahrensbeteiligten keine substantiierten Einwendungen erheben und entsprechende Beweisanträge stellen und soweit das Gericht in der Urteilsbegründung zum Ausdruck bringt, den gegenüber Vernehmungsprotokollen und Zeugenaussagen geminderten Beweiswert der Vermerke erkannt zu haben .
3. NV: Das Übergehen eines Beweisantrags kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung fachkundig vertretene Beteiligte den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat .
4. NV: Aufgrund der Eigenständigkeit des Besteuerungsverfahrens gegenüber dem Strafverfahren ist das FG nicht an die Einschätzung des Strafrichters hinsichtlich der Erweislichkeit eines bestimmten Tatgeschehens gebunden .
5. NV: Eine umzäunte Müllverbrennungsanlage kann selbst dann nicht als Zolllager angesehen werden, wenn in ihr gemäß Art. 867a ZK-DVO beschlagnahmte und unter zollamtlicher Überwachung stehende Zigaretten verbrannt werden .
6. NV: Die bloße Behauptung, die rechtswegbeschränkenden Regelungen in § 115 Abs. 2 FGO seien verfassungswidrig, weshalb ein Vorlagebeschluss nach Art. 100 GG beantragt werde, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil .
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Beschäftigter in einer Müllverbrennungsanlage. Am 16. April 2008 wurden durch die Zollbehörde ca. 2,3 Mio. Zigaretten zur Vernichtung durch Verbrennung angeliefert. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten mit dem Kläger die Beschäftigten A, B und C in der "Schicht Z". Die angelieferten Zigaretten wurden in Gegenwart der Zollbeamten über einen Kipptrichter in den Müllbunker abgekippt. Nach dem Abkippen unterzeichneten die Zollbeamten ein Vernichtungsprotokoll für die angelieferten Zigaretten und verließen die Anlage. Aufgrund eines anonymen Hinweises wurde die Müllverbrennungsanlage an diesem Tag von Beamten des Zollfahndungsamtes observiert. Allerdings konnte das Geschehen im Gebäude des Müllbunkers nicht beobachtet werden. Im Rahmen einer Durchsuchung des Fahrzeugs, mit dem der Kläger nach der Spätschicht das Werksgelände verlassen hatte, fanden die Zollbeamten einen Karton unversteuerter Zigaretten. Ausweislich eines anlässlich der Durchsuchung gefertigten Vermerks, räumte der Kläger ein, die Zigaretten bei seiner Tätigkeit in der Anlage entwendet zu haben. Bei einer am selben Tag durchgeführten Begehung des gesamten Bunkergebäudes fanden die Zollfahndungsbeamten vier Stangen Zigaretten in einem Schrank hinter der Krankanzel. Nach den Protokollen der Zollfahndung über die Vernehmungen des Klägers sowie A, B und C am 17. April 2008 haben diese Beschäftigten eingeräumt, während ihrer Spätschicht Zigaretten von der Bunkerbühne genommen zu haben. Am selben Tag führte die Personalabteilung der Stadtreinigung X mit den vier Mitarbeitern Anhörungen durch, über die Vermerke gefertigt wurden. Am Morgen des 18. April 2008 setzte der Leiter der Müllverbrennungsanlage die Zollfahndung davon in Kenntnis, dass 29 Kartons mit je 50 Stangen und ca. 10 Plastikbeutel mit insgesamt 290 Stangen und 17 Schachteln, insgesamt 348 340 Stück Zigaretten hinter einer Tür in unmittelbarer Nähe zum Abstellraum der "Schicht Z" aufgefunden worden seien. Die Zigaretten wurden sodann von der Zollfahndung sichergestellt.
Aufgrund der Feststellungen des Zollfahndungsamtes erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) gegen alle vier Beschäftigten gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchst. a und Art. 202 Abs. 3 3. Anstrich des Zollkodex (ZK) Steuerbescheide, mit denen diese gemäß § 21 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) u.a. gesamtschuldnerisch auf Zahlung der Tabaksteuer für die in der Nähe des Abstellraums aufgefundenen Zigaretten in Anspruch genommen wurden. Der gegen den Kläger erlassene Bescheid umfasste auch die 10 400 Stück Zigaretten, die in seinem Auto sichergestellt worden waren. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei zu Recht für die in seinem Fahrzeug transportierten und die in dem Nebenraum des sog. Schichtraums aufgefundenen Zigaretten als Abgabenschuldner in Anspruch genommen worden. Nach dem Inhalt der Vernehmungsprotokolle und Anhörungsvermerke habe der Kläger seine Beteiligung eingeräumt. Die Tabaksteuer sei nach Art. 203 Abs. 1 ZK i.V.m. § 21 Satz 1 TabStG entstanden, weil die beschlagnahmten Zigaretten mit der Entfernung aus dem Bunkerbereich aus dem Zolllagerverfahren (Art. 867a der Zollkodex-Durchführungsverordnung --ZKDVO--), das im Streitfall auch den Transport zur Müllverbrennungsanlage und die Vernichtung umfasste, entnommen worden seien. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 29. April 2010 C-230/08 --Dansk Transport og Logistik-- (Slg. 2010, I-3799) stehe dieser Annahme nicht entgegen. Unerheblich sei die Observation durch die Zollfahndung. Ein Erlöschen der Abgabenschuld komme nicht in Betracht. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich auch bei den im Nebenraum aufgefundenen Zigaretten um solche gehandelt habe, die am 16. April 2008 angeliefert worden seien. Den geäußerten Bedenken könne das Gericht vor dem Hintergrund der protokollierten Aussagen und Äußerungen der vier Mitarbeiter der Schicht nicht folgen. Es sei fernliegend, dass die Zigaretten bei einer anderen Gelegenheit beiseite geschafft worden seien. Grundlage dieser Würdigung seien der Akteninhalt, die Aussage des Zeugen O, des ehemaligen Leiters der Müllverbrennungsanlage, und insbesondere die Vernehmungsprotokolle sowie die Anhörungsvermerke. Aus diesen Unterlagen ergebe sich ein aktives Zusammenwirken der vier Beschäftigten, das auch in einem Sammeln von Zigaretten in blaue Müllbeutel bestanden habe. Der Beschäftigte C habe ausgesagt, den Kläger beim Sammeln von Zigaretten in blaue Müllbeutel beobachtet zu haben. Die von ihm und den Kollegen A, B und dem Kläger im Schichtraum gesammelten Zigaretten seien für die Verteilung an weitere Kollegen bestimmt gewesen. Für unglaubwürdig halte das Gericht die Einlassung, der Kläger habe heimlich gehandelt und nicht darauf geachtet, ob weitere Personen Zigaretten an sich genommen hätten. Der Umstand, dass die anderen Mitarbeiter die Richtigkeit des Inhalts der Vernehmungsprotokolle und Anhörungsvermerke vor Gericht bestritten hätten, könne die vom FG gewonnene Überzeugung nicht erschüttern. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die anderen Beteiligten auf ein bloßes Bestreiten beschränkt und keine schlüssige Darstellung und Deutung eines anderen Geschehens gegeben hätten.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO liege vor, weil das FG sein Urteil in Bezug auf die in einem Nebenraum aufgefundenen Zigaretten lediglich auf Mutmaßungen und Unterstellungen gestützt habe. Der Kläger habe zu diesem Schichtraum keinen Zutritt gehabt. Das FG habe keinen einzigen Anhaltspunkt dafür angeführt, der auf eine Anlieferung dieser Zigaretten am 16. April 2008 hindeute. Im Hinblick auf die in dem Nebenraum vorgefundenen Zigaretten habe das Amtsgericht im Urteil ausgeführt, es könne nicht sicher geklärt werden, ob die Angeklagten für diesen Vorgang verantwortlich zeichnen. Nur den ehemaligen Leiter der Müllverbrennungsanlage habe das FG als Zeugen vernommen. Dieser habe jedoch in Bezug auf die später aufgefundenen Zigaretten nichts beitragen können. Nicht vernommen worden seien die Verfasser der vom FG in Bezug genommenen Protokolle und Vermerke. Eine Beweiswürdigung habe das FG überhaupt nicht vorgenommen. Entgegen der Behauptung des FG habe sich der Kläger nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränkt. Verfahrensfehlerhaft habe ihn das FG nicht darauf hingewiesen, dass es von einem unsubstantiierten Bestreiten ausgehe. Unerheblich sei, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Beweisanträge gestellt habe. Entgegen der Rechtsansicht des FG hätten sich die beschlagnahmten Zigaretten nicht in einem Zollverfahren befunden, denn sie hätten vernichtet werden sollen. Auch sei unklar, woher die Zigaretten stammten; sie könnten auch aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet verbracht worden sein. Da die Müllverbrennungsanlage von einem Zaun umgeben sei, handele es sich um ein öffentliches Zolllager i.S. des Art. 525 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO, so dass die Steueraufsicht zu keinem Zeitpunkt unterbrochen gewesen sei. Folglich stehe das Urteil des EuGH in Slg. 2010, I-3799 der Annahme einer Entstehung der Tabaksteuer entgegen.
Zudem beantragt der Kläger, nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit der Frage zu befassen, ob in Anbetracht der Rechtsmittelerweiterung im Zivilrecht die Rechtsmittelbeschränkung des § 115 Abs. 2 FGO verfassungsgemäß sei.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es sei nachvollziehbar, dass das FG vier Jahre nach dem Geschehen keine weiteren Zeugen vernommen habe. Der Zeuge O habe angegeben, am 16. April 2008 sei nur eine einzige Anlieferung durch den Zoll erfolgt. Da der Werkstattleiter jeden Morgen einen Kontrollgang durch das Gebäude mache, wären vor dem 16. April 2008 im Gebäude deponierte Zigaretten zu einem früheren Zeitpunkt entdeckt worden. Schließlich könne die Müllverbrennungsanlage nicht als Zolllager angesehen werden.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung hat der Kläger nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
1. Soweit die Beschwerde rügt, das FG habe unter Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) keine Beweiswürdigung vorgenommen und seine Entscheidung lediglich auf Vermutungen gestützt, liegt ein solcher Verfahrensmangel nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann sich das FG Feststellungen aus einem Strafurteil zu eigen machen, sofern der Verfahrensbeteiligte gegen die strafrechtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhebt und entsprechende Beweisanträge stellt (BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2011 VII B 27/11, BFH/NV 2012, 751; vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513, und vom 20. August 1999 VII B 6/99, BFH/NV 2000, 215). Diese Rechtsprechung ist auf Vernehmungsprotokolle und andere Dokumente übertragbar (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 76 Rz 22, m.w.N.).
a) Im Streitfall hat das FG in nicht zu beanstandender Weise die Vernehmungsprotokolle und Anhörungsvermerke ausgewertet und daraus entsprechende Schlussfolgerungen gezogen. Ausweislich des Akteninhalts wurden dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung Kopien der Anhörungsprotokolle übersandt. Zudem wurde er darauf hingewiesen, dass eine Vernehmung des Vermerkverfassers aus Sicht des FG nicht erforderlich sei. In der Urteilsbegründung hat das FG zur Begründung des Absehens von weiterer Beweiserhebung angeführt, der Kläger habe sich auf die Behauptung der Unrichtigkeit des Inhalts der Protokolle und Vermerke beschränkt und keine schlüssige Darstellung eines vom festgestellten Sachverhalt abweichenden Geschehensablaufs gegeben. Demgegenüber lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen, dass der Kläger dem Inhalt der vom FG als Beweismittel herangezogenen Urkunden substantiiert entgegengetreten ist. Hierzu reicht der bloße Hinweis in der Beschwerde, der Kläger habe in seinen Schriftsätzen seine Sicht der Dinge dargelegt, nicht aus. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus dem gesamten Akteninhalt dasjenige herauszusuchen, was die bloße Behauptung des Klägers belegen könnte.
Eines ausdrücklichen Hinweises des FG, wie es die Ausführungen des Klägers werten würde, bedurfte es nicht. Denn das Gericht ist nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen bzw. die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und Rechtsfragen im Voraus anzudeuten oder sogar umfassend zu erörtern (BFH-Beschlüsse vom 5. April 2006 I B 84/05, BFH/NV 2006, 1497, und vom 10. August 2005 VIII B 344/04, BFH/NV 2006, 78, m.w.N., sowie BVerfG-Urteil vom 8. Juli 1997 1 BvR 1934/93, BVerfGE 96, 189). Einen fachkundig vertretenen Prozessbeteiligten braucht es auf naheliegende rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte nicht hinzuweisen (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, BFH/NV 2009, 118). Aus der Rechtsprechung des BFH ist ohne weiteres ersichtlich, dass nur ein substantiiertes Bestreiten die Verwertung amtlicher Vernehmungsprotokolle verhindern könnte.
Bei diesem Befund konnte sich das FG den Inhalt der Protokolle und Vermerke im Rahmen seiner Urteilsfindung zu eigen machen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde musste es die Verfasser der Protokolle und Vermerke auch nicht als Zeugen vernehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2012 VII B 88/11, BFH/NV 2012, 761). Entsprechende Anträge hat der Kläger weder im Erörterungstermin noch in der mündlichen Verhandlung gestellt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Streitfall von der Besonderheit der Anwesenheit des Klägers und der von der Zollfahndung vernommenen bzw. vom Arbeitgeber angehörten Beteiligten A, B und C im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin geprägt ist. Da alle Beteiligten Gelegenheit hatten, zu ihren protokollierten Aussagen Stellung zu nehmen, erübrigte sich eine wiederholte Zeugenvernehmung, zumal alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter nochmals den Geschehensablauf aus ihrer Sicht hätten darstellen können. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von dem der BFH-Entscheidung vom 26. Juli 2010 VIII B 198/09 (BFH/NV 2010, 2096) zugrunde liegenden Sachverhalt. Im Übrigen hat das FG hinsichtlich der Anhörungsvermerke ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diesen nicht derselbe Beweiswert wie den Vernehmungsprotokollen zukommen könne. Auch hat das FG die Verwertung der Protokolle und Vermerke nicht als Zeugenbeweis bezeichnet.
b) Im Übrigen gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes und die Nichterhebung weiterer (angebotener) Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch hinsichtlich der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder einer unvollständigen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrages oder die mangelhafte Sachaufklärung während der Zeugenbefragung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
Im Streitfall hatte der Kläger nicht nur Gelegenheit schriftsätzlich zu den Protokollen und Vermerken Stellung zu nehmen, sondern auch Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Ausweislich des Verhandlungsprotokolls hat er in der mündlichen Verhandlung solche Anträge nicht gestellt, obwohl das FG ihn ausdrücklich darauf hingewiesen hat, im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sei hinsichtlich des weitaus größeren Teils der streitgegenständlichen Zigaretten die Frage zu klären, ob eine Beteiligung des Klägers an der Entnahme festgestellt werden könne.
2. Auch der Hinweis auf den Inhalt des strafgerichtlichen Urteils kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Allein der Umstand, dass der Strafrichter eine Entnahme der im Nebenraum aufgefundenen Zigaretten durch den Kläger aufgrund bestehender Unsicherheiten in der Beweisführung nicht als erwiesen angesehen hat, führt nicht dazu, dass das FG von Amts wegen eine weitergehende Sachaufklärung hätte betreiben oder dieses Ergebnis hätte übernehmen müssen. Aufgrund der Eigenständigkeit des Besteuerungsverfahrens gegenüber dem Strafverfahren gemäß § 393 Abs. 1 der Abgabenordnung hätte selbst ein Freispruch im Strafverfahren das FG nicht daran hindern können, das Tatgeschehen und die Beteiligung des Klägers eigenständig zu werten (BFH-Beschlüsse vom 17. März 2010 X B 120/09, BFH/NV 2010, 1240, und vom 4. Mai 2005 XI B 230/03, BFH/NV 2005, 1485).
3. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, genügen seine Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und auf ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist darüber hinaus der substantiierte Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Ferner muss die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Eine grundsätzlich bedeutsame Frage ist ihr nicht zu entnehmen; vielmehr erschöpft sich das Vorbringen in der Rüge materieller Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2009 VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Rechtsansicht des Klägers die Müllverbrennungsanlage --trotz ihrer Einzäunung-- nicht als öffentliches Zolllager i.S. des Art. 99 Satz 2 ZK angesehen werden kann. Insofern kann die in Art. 867a ZKDVO angeordnete Fiktion nicht statusbegründend wirken.
4. Auch die bloße Behauptung des Klägers, die in § 115 Abs. 2 FGO getroffene Regelung erweise sich als verfassungswidrig, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (BFH-Beschluss vom 21. Februar 2002 XI B 39/01, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht einmal ansatzweise gerecht, weshalb auch die beantragte Vorlage an das BVerfG nicht veranlasst ist.