Entscheidungsdatum: 17.09.2013
NV: Der Einspruch gegen den Widerruf einer Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG hat keine vollziehungshemmende Wirkung, da weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Folgen zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung nach § 361 Abs. 4 Satz 1 AO führen .
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Kommanditgesellschaft. An ihr sind Herr K als Kommanditist und die X-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt. Die Antragstellerin hat mehrere Schwestergesellschaften, die gemeinsam die X-Unternehmensgruppe bilden.
Die Antragstellerin erhielt am 5. Mai 2011 eine Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 1 und 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG). Mit Bescheid vom 2. April 2012 widerrief der Antrags- und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG mit sofortiger Wirkung. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens gewährte das HZA mit Bescheid vom 16. Mai 2012 Aussetzung der Vollziehung (AdV) bis eine Woche nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens. Die AdV wurde unter dem Vorbehalt des Widerrufs gewährt. Mit einem solchen Widerruf sei zu rechnen, wenn sich die Zweifel an der steuerlichen Zuverlässigkeit aufgrund neuerer Erkenntnisse entscheidend erhärten sollten, insbesondere wenn es in dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen K zu einer Anklageerhebung kommen sollte.
Nach Abbruch einer für die Jahre 2010 bis 2012 begonnenen Außenprüfung widerrief das HZA mit Bescheid vom 28. Juni 2013 die AdV zum 10. Juli 2013. Das Finanzgericht (FG) gewährte mit Beschluss vom 9. Juli 2013 eine vorläufige AdV bis zum 9. August 2013.
Mit Beschluss vom 8. August 2013 verlängerte das FG die vorläufige AdV bis zum 6. September 2013, lehnte den AdV-Antrag der Antragstellerin aber im Übrigen ab. Zwar sei der Antrag zulässig, da der Widerruf der Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG nicht mit einer Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung nach § 361 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) gleichgesetzt werden könne. Das HZA habe die Erlaubnis aber zu Recht nach § 4 Abs. 4 StromStG widerrufen, da die Antragstellerin ihren Jahresabschluss 2011 nicht rechtzeitig aufgestellt habe. Außerdem bestünden Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin, da sie wiederholt und massiv Anzeigepflichten verletzt habe. Insbesondere habe sie nicht über die Lieferung von Strom an Kunden ohne Erlaubnisschein sowie über die Änderung der gelieferten Strommengen informiert. Dies könne auch nicht durch die Annahme einer steuerfreien Stromlieferung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG gerechtfertigt werden. Der Stromsteueranspruch sei konkret gefährdet, zumal die Antragstellerin hohe Steuerbeträge schulde und den Strom nicht kostendeckend veräußere. Dass die X-Unternehmensgruppe insgesamt Gewinne erziele, sei nicht ausreichend. Vielmehr verstärke der Umstand, dass Aufwendungen und Erträge in unterschiedlichen Gesellschaften anfielen, die Gefährdungsprognose. Schließlich führe der Widerruf auch nicht zu einer unbilligen Härte. Eine Existenzbedrohung sei von der Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt worden.
Die Antragstellerin macht mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde geltend, sie habe die zeitliche Verzögerung beim Jahresabschluss 2011 nicht zu vertreten. Ursache sei die Einlagerung der Geschäftsunterlagen beim HZA im Anschluss an eine Durchsuchung und Beschlagnahme im Januar 2012.
Darüber hinaus habe sie, die Antragstellerin, in den Jahren 2011 und 2012 keine Verluste erwirtschaftet. Insofern werde auf den Jahresabschluss 2011 Bezug genommen, der einen Jahresüberschuss in Höhe von TEUR 42 ausweise. Auch für das Jahr 2012 werde sich ein Jahresüberschuss ergeben. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die das HZA im Rahmen der Außenprüfung erhalten habe, hätten noch nicht die vertraglichen Ausgleichsansprüche im Unternehmensverbund berücksichtigt.
Des Weiteren habe sie keine steuerlichen Mitwirkungspflichten verletzt. Für das Jahr 2011 sei in diesem Zusammenhang nochmals zu berücksichtigen, dass aufgrund der Beschlagnahme der Buchhaltungsunterlagen umfangreiche Recherchen notwendig gewesen seien. Im April 2012 habe wegen der Änderung des Geschäftsmodells noch keine neue Größenordnung der Stromlieferungen geschätzt werden können. Einer weiteren Aufforderung vom 27. August 2012 sei sie durch Vorlage umfangreicher Unterlagen am 1. Oktober 2012 nachgekommen. Zu diesen Unterlagen hätten die Anmeldung für April 2012, Aufstellungen über die Bilanzkreise bis einschließlich August 2012 sowie eine Prognose zum 3. September 2012 gehört. Daraus habe sich bereits für August 2012 eine Monatsmenge in Höhe von ca. … MWh ergeben. Warum das HZA bei der Anpassung der Vorauszahlungen nur die Meldung für April 2012 berücksichtigt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die im Januar 2013 angeforderte Mengenermittlung für das Jahr 2012 sei unter anderem wegen notwendiger Systemanpassungen kurzfristig nicht verfügbar gewesen. Die weiteren Anforderungen des HZA im Jahr 2013 habe sie fristgemäß beantwortet. Die leichten Zahlungsverzögerungen im Jahr 2013 seien durch die kurzfristigen Erhöhungen der Vorauszahlungen und durch die hohe Nachzahlung für das Jahr 2012 begründet.
Die AdV ergebe sich darüber hinaus aus einer entsprechenden Anwendung des § 361 Abs. 4 Satz 1 AO. Ohne eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 und 2 StromStG könne sie hinsichtlich der Abgabe der Steueranmeldungen und der Fälligkeit der Steuer nicht mehr die Vereinfachungen des Regelverfahrens in Anspruch nehmen. Stattdessen sei sie verpflichtet, ihre Steueranmeldungen unverzüglich abzugeben und die Steuer sofort zu entrichten. Dies sei bei einem "Masseverfahren" praktisch unmöglich und führe letztlich zu einer Einstellung des Gewerbebetriebs. Auch aus rechtstechnischer Sicht sei der Widerruf nach § 4 Abs. 4 StromStG mit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 der Gewerbeordnung vergleichbar.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, unter entsprechender Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung des Bescheids vom 2. April 2012 auszusetzen.
Das HZA beantragt sinngemäß, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat eine AdV des Bescheids vom 2. April 2012 zutreffend abgelehnt.
1. Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Wege der AdV (§ 69 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zulässig ist. Insbesondere sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erfüllt, da das HZA die zunächst gewährte AdV mit Bescheid vom 28. Juni 2013 widerrufen hat (vgl. Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FG wäre der Antrag selbst dann zulässig, wenn der Einspruch gegen den Bescheid vom 2. April 2012 aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 361 Abs. 4 Satz 1 AO zu einer Hemmung der Vollziehung führte, da das HZA die vollziehungshemmende Wirkung des Einspruchs bestreitet (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 1997 VII B 188/97, BFHE 184, 248, BStBl II 1998, 227, zu § 284 Abs. 5 AO a.F.).
2. Allerdings hat der Einspruch der Antragstellerin keine vollziehungshemmende Wirkung nach § 361 Abs. 4 Satz 1 AO. Insoweit folgt der Senat der Begründung des FG im Beschluss vom 8. August 2013 (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO). Das FG hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Folgen eines Widerrufs der Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG mit denen einer Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung vergleichbar sind. Letztlich wird die Tätigkeit als Versorger nur insoweit erschwert, als für die Steueranmeldung und die Fälligkeit nicht das Regelverfahren, sondern das Verfahren nach § 8 Abs. 9 StromStG anzuwenden ist. Dies mag bei der Antragstellerin zu erheblichen Mehraufwendungen führen, aber nicht --auch nicht mittelbar-- zu einer Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung i.S. des § 361 Abs. 4 Satz 1 AO.
3. Nach § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen bzw. aufheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für seine Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei müssen die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe nicht überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 6. August 2007 VII B 110/06, BFH/NV 2007, 2361).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht sowohl ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 2. April 2012 über den Widerruf der Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG als auch die AdV wegen unbilliger Härte verneint. Der Senat folgt auch insoweit der Begründung des FG im Beschluss vom 8. August 2013 (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Einwendungen der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift führen zu keinem anderen Ergebnis.
a) Hinsichtlich der Aufstellung des Jahresabschlusses 2011 verweist die Antragstellerin weiterhin pauschal auf die durch die Beschlagnahme der Unterlagen verursachten Verzögerungen und trägt nur vor, dies habe die schnelle Erstellung des Jahresabschlusses nicht gefördert. Damit fehlt jedenfalls eine nachvollziehbare Konkretisierung, weshalb die Beschlagnahme zu einer Verzögerung von mehr als einem Jahr führen konnte. Allein dies rechtfertigt bereits einen Widerruf der Versorgererlaubnis nach § 4 Abs. 4 StromStG.
Darüber hinaus sind bei summarischer Prüfung auch die Ausführungen der Antragstellerin zur Einhaltung ihrer steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht geeignet, die Bedenken an ihrer steuerlichen Zuverlässigkeit vollständig auszuräumen. Dies gilt auch für den Hinweis auf die am 1. Oktober 2012 eingereichten Unterlagen, zumal der Bevollmächtigte der Antragstellerin in dem Anschreiben selbst auf die Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen verweist. Zwar ist aus diesen Unterlagen eine Steigerung des Wareneinkaufs bis zum August 2012 erkennbar. Es fehlen aber nachvollziehbare Angaben zum Umfang der steuerpflichtigen Stromlieferungen. Des Weiteren fehlen ausreichend substantiierte Angaben, weshalb die am 10. Januar 2013 angeforderte Mengenermittlung für das Jahr 2012 nicht fristgemäß zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Antragstellerin macht insoweit lediglich einen "nötigen Bearbeitungsvorlauf" sowie zu kurze Fristen geltend. Weshalb mehrfache Erinnerungen durch das HZA und Fristverlängerungen bis zum 22. März 2013 erforderlich waren, erschließt sich daraus nicht.
Letztlich hat die Antragstellerin auch auf der Grundlage ihrer eigenen Ausführungen das HZA zumindest bis März 2013 nicht von selbst über wesentliche, steuerlich relevante Änderungen informiert, sondern allenfalls auf Anfragen des HZA reagiert und dessen Anpassungen der Vorauszahlungen akzeptiert. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls widerlegt dies nicht die Bedenken des HZA gegen die steuerliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin. Insbesondere waren Umfang und Darstellung der übermittelten Informationen unzureichend. Außerdem wichen die Anpassungen der Vorauszahlungen --für die Antragstellerin erkennbar-- wesentlich von den Entwicklungen bei den tatsächlichen Umsätzen ab. Nach § 4 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 StromStG rechtfertigen bereits "Bedenken" gegen die steuerliche Zuverlässigkeit den Widerruf der Erlaubnis. Die angebliche Finanzstärke der Antragstellerin ist kein ausreichendes Indiz für deren steuerliche Zuverlässigkeit.
b) In der Vollziehung des Widerrufs liegt auch keine die AdV rechtfertigende unbillige Härte. Die betrieblichen Schwierigkeiten, denen die Antragstellerin durch den Widerruf der Versorgererlaubnis ausgesetzt ist, sind die notwendige gesetzliche Folge, falls --wie im Streitfall-- die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 1 StromStG nicht mehr erfüllt sind.