Entscheidungsdatum: 21.09.2011
1. NV: Die Beantwortung der Frage, ob der in Vermögensverfall geratene Steuerberater den sog. Entlastungsbeweis erbracht hat, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können .
2. NV: Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde genügt daher die Behauptung, der Streitfall sei mit einem anderen Fall vergleichbar, in dem das Gericht den Entlastungsbeweis als erbracht angesehen habe, nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO .
3. NV: Eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen kann nicht verneint werden, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält .
I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom … wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Der Vermögensverfall sei wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers zu vermuten. Den ihm obliegenden Nachweis einer gleichwohl nicht bestehenden Gefährdung der Interessen der Auftraggeber habe der Kläger nicht erbracht. Sein Vortrag, seine durch die Insolvenzverwalterin freigegebene Steuerberatertätigkeit werde von dieser wirksam kontrolliert, sei unsubstantiiert geblieben. Die behauptete Kontrolle durch die Insolvenzverwalterin sei auch kaum umsetzbar, denn in seiner Praxis sei der Kläger als einziger Berufsträger keiner unmittelbaren Kontrolle unterworfen. Im Übrigen könne eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil der Kläger sich in der Vergangenheit als in eigenen steuerlichen Angelegenheiten unzuverlässig erwiesen habe.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt. Es fehlt an der Bezeichnung klärungsbedürftiger Rechtsfragen, welche die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung rechtfertigen könnten.
Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind geklärt. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung (Senatsurteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, der Steuerberater werde seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen (Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 741; Senatsbeschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
Die dargestellten Rechtsgrundsätze entsprechen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hinsichtlich des von einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung zu führenden Entlastungsbeweises. Auch der BGH beurteilt die Frage, ob der Entlastungsbeweis geführt ist, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BGH-Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 511; vom 25. Juni 2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924). Wenn somit der BGH in einem Fall eines in Vermögensverfall befindlichen Rechtsanwalts im Rahmen der Gesamtwürdigung bestimmte einzelne Umstände zu dessen Gunsten berücksichtigt, so wirft es keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, wenn solchen Umständen in einem anderen berufsrechtlichen Fall bei der Gesamtwürdigung ein geringeres Gewicht beigemessen wird und andere Umstände in den Vordergrund rücken.
Daher genügt es nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, wenn die Beschwerde behauptet, die Situation des Klägers sei mit einem vom BGH entschiedenen Fall vergleichbar, in welchem der BGH den Entlastungsbeweis als erbracht angesehen habe. Darüber hinaus besteht die behauptete Vergleichbarkeit mit den beiden von der Beschwerde angeführten BGH-Fällen nicht, denn das FG hat im Streitfall die Gefährdung von Auftraggeberinteressen weder wegen des Übergangs der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter noch wegen der späteren Freigabe der Steuerberatertätigkeit als ausgeschlossen angesehen. Es hat vielmehr geurteilt, dass seit der Freigabe wieder sämtliche Zahlungen vom Kläger abgewickelt würden, seine Angaben zu monatlichen Kontrollen durch die Insolvenzverwalterin unsubstantiiert und solche Kontrollen auch kaum umsetzbar seien. Wenn die Beschwerde insoweit anderer Ansicht ist und meint, durch die monatlichen Kontrollen seitens der Insolvenzverwalterin sei die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäftsvorfälle in der Steuerberatungspraxis des Klägers gewährleistet, so wird damit kein Grund für die Zulassung der Revision schlüssig dargelegt.
Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung auch auf die ungenügende Befolgung steuerlicher Erklärungspflichten durch den Kläger gestützt und ist damit der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats gefolgt, wonach eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält (Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 VII R 64/06, BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401). Zu dieser das FG-Urteil tragenden Erwägung nimmt die Beschwerde nicht Stellung.