Entscheidungsdatum: 28.08.2014
1. NV: Die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde gehört nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen, deren Überwachung ohne Weiteres einer zuverlässigen Fachkraft überlassen werden kann .
2. NV: Einem Prozessbevollmächtigten obliegt bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Begründung für eine fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde die Kontrolle, ob das in seinem Fristenkontrollbuch notierte Datum des Ablaufs der Rechtsmittelbegründungsfrist zutreffend berechnet worden ist .
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) handelte mit Mineralölen sowie Biodiesel und Pflanzenölen als Energieerzeugnisse. Aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) für eine nach dem Energiegehalt berechnete Fehlmenge Biokraftstoffs die Biokraftstoffquote sowie eine Ausgleichsabgabe nach § 37a und § 37c Abs. 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil wurde der Klägerin am 18. Dezember 2013 zugestellt. Zwar legte die Klägerin am 17. Januar 2014 fristgerecht Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein, doch ging die Begründung für die Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) erst am 20. Februar 2014 und damit zwei Tage nach Ablauf der Begründungsfrist am 18. Februar 2014 ein. Mit Schreiben vom 5. März 2014 hat die Geschäftsstelle des VII. Senats des BFH auf den verspäteten Eingang der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.
Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 3. April 2014 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung beruft er sich auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen. Eine zuverlässige und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte, der das "Kanzleihandbuch" mit detaillierten Arbeitsanweisungen ausgehändigt und die über die Bedeutung von Fristen hinreichend belehrt sowie bei ihrer Tätigkeit ausreichend überwacht worden sei, habe bei der Notierung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übersehen, dass diese nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils unabhängig davon zu begründen ist, ob sich die in § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO festgelegte Frist zur Einlegung der Beschwerde deshalb verlängert, weil --wie im Streitfall-- der Ablauf der Monatsfrist auf einen Samstag gefallen ist. Es sei die ausdrückliche Anweisung erfolgt, Fristen grundsätzlich im "Vier-Augen-Prinzip" zu notieren und die Fristnotierung dem mit der Sache befassten Rechtsanwalt vorzulegen. Bei der seit Jahren zuverlässig arbeitenden Fachangestellten habe man davon ausgehen können, dass stets eine sorgfältige Eintragung erfolge, zumal die Endkontrolle weiterhin durch den Prozessvertreter der Klägerin erfolgt sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass ein Prozessbevollmächtigter die Berechnung der üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen zuverlässigen Angestellten übertragen dürfe. Bei der Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde handele es sich um eine solche gängige Frist.
In ihrer eidesstattlichen Versicherung hat die Rechtsanwaltsfachangestellte erklärt, es werde in Bezug auf zu beachtende Fristen für in der Kanzlei tätige Rechtsanwälte ein eigenes Fristenkontrollbuch geführt. Die in dem Fristenkalender eingetragenen Fristen dürften nur durch die Rechtsanwälte gestrichen werden. Zusätzlich werde jede Frist in einem elektronischen Kalender notiert. Durch den zuständigen Rechtsanwalt werde die Erledigung der dort notierten Fristen gesondert eingetragen. Im Streitfall seien die Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sowohl im Fristenbuch des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als auch im elektronischen Fristenkalender eingetragen worden. Nach der Übermittlung der Beschwerdebegründung per Fax am 20. Februar 2014 habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Beisein der Rechtsanwaltsfachangestellten die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in seinem Fristenkalender gestrichen. Die Streichung sei zusätzlich mit einem entsprechenden Erledigungsvermerk im elektronischen Fristenkalender dokumentiert worden.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, der Prozessbevollmächtigte habe die Einhaltung der Begründungsfrist bei Vorlage der Akte selbst kontrollieren müssen und habe nicht auf die ordnungsgemäße Eintragung der Frist durch die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte vertrauen dürfen, zumal es sich bei der Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht um eine übliche und daher leicht zu kontrollierende Frist handele.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie wurde nicht innerhalb der in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO festgelegten Frist begründet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kommt nicht in Betracht.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Im Streitfall ist das angefochtene Urteil des Finanzgerichts dem Prozessvertreter der Klägerin am 18. Dezember 2013 zugestellt worden; folglich lief die Begründungsfrist am 18. Februar 2014 ab. Der erst am 20. Februar 2014 beim BFH eingegangene Schriftsatz mit der Begründung der Beschwerde war somit verspätet, so dass die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.
a) Wiedereinsetzung kommt nur in Betracht, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt voraus, das innerhalb der Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2002 VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489, und vom 24. Juni 2008 X R 38/07, BFH/NV 2008, 1517). Jedes Verschulden des Prozessbevollmächtigten --mithin auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, wobei sich der Beteiligte nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss.
Nach der Rechtsprechung des BFH gehört die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen, deren Überwachung ohne Weiteres zuverlässigen Fachkräften überlassen werden kann (BFH-Beschlüsse vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969, und vom 18. Januar 2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein Prozessbevollmächtigter den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen hat, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt (BFH-Urteil vom 29. April 2008 I R 67/06, BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55). Dem Prozessbevollmächtigten obliegt daher bei der Fertigung einer Beschwerdebegründung auch die Kontrolle, ob die einzuhaltende Begründungsfrist zutreffend notiert worden ist.
b) Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dargelegt und glaubhaft gemacht, eine zuverlässige Bürokraft damit beauftragt zu haben, Fristen in sein eigenes Fristenbuch und zusätzlich in einen elektronischen Fristenkalender einzutragen. Auch hat er glaubhaft vorgetragen, dass die Behandlung von Fristsachen in seiner Kanzlei --insbesondere durch Herausgabe eines Kanzleihandbuchs mit entsprechenden Anweisungen und Einführung eines "Vier-Augen-Prinzips" bei der Kontrolle von Fristen-- so organisiert ist, dass die Versäumung von Fristen soweit irgend möglich vermieden wird, und dass die für die Eintragung der Begründungsfrist verantwortliche Rechtsanwaltsfachangestellte sorgfältig ausgewählt und geschult wurde und bisher fehlerfrei gearbeitet hat. Dies vermag ihn jedoch ebenso wenig zu entlasten wie die unsubstantiierte Behauptung, die Endkontrolle sei weiterhin durch ihn erfolgt. Wie bereits ausgeführt, gehört es zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten, bei der Bearbeitung der Sache eigenständig den Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist zu prüfen (BFH-Beschlüsse vom 13. September 2012 XI R 40/11, BFH/NV 2013, 213, und vom 16. Januar 2009 VII R 31/08, BFH/NV 2009, 951).
Der Umschlag mit dem genauen Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils dürfte sich in der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Bearbeitung vorgelegten Handakte befunden haben oder hätte sich zumindest bei ordnungsgemäßer Büroorganisation dort befinden müssen (BFH-Urteil vom 19. Februar 1993 VI R 70/92, BFH/NV 1993, 552; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 1984 VI ZR 49/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 193). Offensichtlich hat der Prozessbevollmächtigte bei Vorlage der Akte zur Abfassung der Beschwerdebegründung eine eigenständige Überprüfung der Frist unterlassen und blind auf die Eintragung in seinem Fristenbuch vertraut. Sonst wäre ihm die unzutreffende Fristenberechnung nicht verborgen geblieben. Die Gelegenheit zur Korrektur der unzutreffenden Fristberechnung hat er ungenutzt verstreichen lassen. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der mit der Eintragung von Fristen beauftragten Bürokraft hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die in seinem Fristenbuch eingetragene Frist nach der verspäteten Übermittlung des Schriftsatzes an den BFH am 20. Februar 2014 eigenhändig aus dem Kalender gestrichen, wobei ihm der Fristablauf verborgen geblieben ist, was die unsubstantiierte Behauptung widerlegt, es habe durch ihn eine Endkontrolle stattgefunden. Unter diesen Umständen trifft ihn ein eigenes Verschulden an der Fristversäumung, so dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entsprochen werden kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.