Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 12.12.2014


BFH 12.12.2014 - VII B 112/14

Verjährungsbeginn für die Anfechtung einer widerruflichen Bezugsberechtigung durch Duldungsbescheid - Umfang der Vertretungsvollmacht für "Steuerangelegenheiten" - Divergenz wegen abweichender Rechtsauffassung des FG im AdV-Verfahren


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
12.12.2014
Aktenzeichen:
VII B 112/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 21. Mai 2014, Az: 5 K 248/12, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Der in einem Lebensversicherungsvertrag widerruflich als bezugsberechtigt Bezeichnete erlangt erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch auf die Versicherungssumme. Dementsprechend beginnt auch erst mit diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist für die Schenkungsanfechtung .

2. NV: Eine Vollmacht für "Steuerangelegenheiten" umfasst auch die Vertretung in dem Verfahren betreffend den Erlass des Duldungsbescheides nach § 191 AO, mit dem das zivilrechtliche Anfechtungsrecht nach § 4 AnfG geltend gemacht wird .

3. NV: Hat das FG in der Hauptsache eine andere Rechtsmeinung vertreten als in einer vorangegangenen AdV-Entscheidung, so begründet das keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO .

Tatbestand

1

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen einen Duldungsbescheid abgewiesen, mit dem der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Auszahlung von Versicherungssummen aus Lebensversicherungsverträgen gemäß § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) angefochten hat, die der verstorbene Vater des Klägers mit widerruflichen Bezugsberechtigungen für den Kläger abgeschlossen hatte. Das FG hielt die nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist erlassenen Duldungsbescheide für rechtzeitig, weil es die vor Ablauf der Verjährungsfrist an den für "Steuerangelegenheiten" Bevollmächtigten adressierte Anfechtungsankündigung des FA als wirksam zugestellt ansah. Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung bejahte es, weil der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auszahlung keine Gegenleistung zu erbringen hatte und es unerheblich sei, ob mit den erlangten Geldmitteln später Schulden des Vaters getilgt worden seien.

2

Der Kläger hält die Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen eines Verfahrensfehlers des FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) für geboten.

3

Im Interesse der Sicherung der Rechtseinheit müsse die --vermeintlich falsche-- Auffassung des FG korrigiert werden, dass die Zustellung der rein zivilrechtlichen Anfechtungsankündigung an den ausdrücklich nur in "Steuerangelegenheiten" Bevollmächtigten wirksam sei und damit die Verjährung des Anfechtungsanspruchs unterbrochen habe. Eine Entscheidung diene auch der Rechtsfortbildung, da das FG im Rahmen eines dem Hauptverfahren vorangegangenen Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) noch gegenteilig entschieden habe.

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Überprüft werden müsse im Hinblick auf den Verjährungsbeginn auch die Auffassung des FG, dass erst die Auszahlung der Versicherungssumme aus den Lebensversicherungen --und nicht die Einräumung des Bezugsrechts aus den Lebensversicherungsverträgen-- eine Leistung i.S. des § 4 Abs. 1 AnfG sei.

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Schließlich habe das FG verfahrensfehlerhaft den Sachverhalt bezüglich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht aufgeklärt. Die Feststellungen hätten ergeben, dass er (der Kläger) das Geld für Schulden des Vaters ausgegeben habe und im Übrigen Unterhaltsansprüche gegen den Vater gehabt habe, die durch die Versicherungsleistungen hätten befriedigt werden sollen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen substantiierten Darlegung eines Zulassungsgrundes jedenfalls unbegründet.

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1. Die Einwände des Klägers gegen die nach Ansicht des FG wirksame und damit verjährungsunterbrechende Zustellung der Anfechtungsankündigung rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht. Abgesehen davon, ob mit diesem Vorbringen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt wird und nicht vielmehr ein bloßer angeblicher Rechtsanwendungsfehler des FG, erübrigt sich eine revisionsrechtliche Überprüfung schon deshalb, weil die Rechtsauffassung des FG zutrifft. Denn die dem FA vorliegende Vollmacht für "Steuerangelegenheiten" umfasst auch die Vertretung des Klägers in dem Verfahren betreffend den Erlass des Duldungsbescheides. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Erlass eines Duldungsbescheides nach § 191 der Abgabenordnung (AO) zu den "Steuerangelegenheiten" gehört, auch wenn damit das zivilrechtliche Anfechtungsrecht nach § 4 AnfG geltend gemacht wird. Den unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 VI R 63/98 (BFHE 190, 37, BStBl II 2001, 329) dazu gemachten Ausführungen des FG, wonach auch derjenige, der aufgrund privatrechtlicher Duldungspflichten durch Steuerverwaltungsakt (Duldungsbescheid) als Schuldner einer Leistung in Anspruch genommen wird, Steuerpflichtiger i.S. des § 33 Abs. 1 letzte Alternative AO ist, ist nichts hinzuzufügen. Dass auch eine Vorbereitungshandlung wie die Anfechtungsankündigung, wenn sie im Hinblick auf die Verjährungsunterbrechung notwendige Voraussetzung für den wirksamen Erlass des Duldungsbescheides ist, zu den Steuerangelegenheiten zu rechnen ist, versteht sich von selbst und bedarf deshalb keiner näheren Begründung.

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Allein der Umstand, dass im Streitfall das FG in einer vorangegangenen AdV-Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, begründet keine Divergenz. Dies hat der BFH wiederholt entschieden (z.B. Beschluss vom 20. Oktober 2010 II B 23/10, BFH/NV 2011, 63, m.w.N.).

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2. Entgegen der Auffassung des Klägers bedürfen auch die Ausführungen des FG zum Beginn der Anfechtungsfrist keiner höchstrichterlichen Klärung. Der Kläger verkennt hier möglicherweise die Bedeutung der widerruflichen Bezeichnung des Bezugsberechtigten in einem Lebensversicherungsvertrag. Nach der vom FG zutreffend herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erlangt der widerruflich Bezeichnete zunächst weder einen Rechtsanspruch noch eine gesicherte Rechtsposition, sondern nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der als Bezugsberechtigter Bezeichnete den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, erst jetzt tritt also die gläubigerbenachteiligende Wirkung seiner Bezeichnung ein. Auf diesen Zeitpunkt ist deshalb auch für die Beurteilung der Anfechtbarkeit abzustellen (BGH-Urteil vom 26. Januar 2012 IX ZR 99/11, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2012, 636). Dementsprechend beginnt auch erst mit diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist.

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3. Schließlich hat das FG auch keine Ermittlungspflichten verletzt, indem es unaufgeklärt ließ, ob der Kläger mit den Versicherungssummen Schulden seines Vaters beglichen hat. Denn darauf kam es für die Entscheidung des Streitfalls nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist derjenige der Vollendung des Rechtserwerbs (BGH-Urteil in ZIP 2012, 636). Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt keine ausgleichenden Leistungen zu erbringen. Die vom Kläger benannten späteren Zahlungen sind deshalb ebenso unbeachtlich wie ein vom Kläger bloß behaupteter, vor dem Tod nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch gegen den Vater.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.