Entscheidungsdatum: 05.07.2012
NV: Tritt ein Arbeitgeber Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer ab und leistet der Arbeitgeber im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer, sind diese Ausgaben Arbeitslohn .
I. Streitig ist, ob Versicherungsbeiträge als Arbeitslohn zu beurteilen sind, wenn der Arbeitgeber Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer abtritt und im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer leistet.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war nichtselbständig tätig. Seine Arbeitgeberin hatte ihm eine Alters- und Berufsunfähigkeitsrente zugesagt, zu deren Sicherung und Finanzierung sie eine Versicherung abgeschlossen hatte. Für diese Rückdeckungsversicherung leistete sie jährlich Versicherungsprämien in Höhe von 96.152 DM. Der Versicherungsvertrag sah für den Fall der Berufsunfähigkeit des Klägers eine Beitragsfreistellung sowie eine Berufsunfähigkeitsrente vor.
Im Rahmen einer im Jahr 1990 geschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtete sich die Arbeitgeberin, die Versicherungsbeiträge weiterhin zu entrichten. Gleichzeitig trat sie dem Kläger sämtliche Ansprüche aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag ab.
Im April 1991 teilte der Kläger der Arbeitgeberin mit, dass er seit Februar 1991 berufsunfähig sei. Er machte sowohl ihr gegenüber als auch gegenüber der Versicherungsgesellschaft Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente geltend. Die Versicherungsgesellschaft bestritt den Eintritt des Versicherungsfalls. Daher führte der Kläger in der Folgezeit gegen die Versicherungsgesellschaft einen Zivilprozess, in dem er Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machte. Im Jahr 2000 entschied ein Zivilgericht rechtskräftig, dass die Versicherungsgesellschaft eine Berufsunfähigkeitsrente an den Kläger zu leisten habe, da mit der Berufsunfähigkeit des Klägers der Versicherungsfall eingetreten sei.
Die Arbeitgeberin entrichtete während der zivilrechtlichen Auseinandersetzung um den Eintritt des Versicherungsfalls auch weiterhin die Versicherungsbeiträge an die Versicherungsgesellschaft.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die von der Arbeitgeberin in dem Streitjahr 1991 gezahlten Versicherungsprämien im Rahmen der streitigen Einkommensteuerveranlagung als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Die Leistungen der Arbeitgeberin seien kein Arbeitslohn aus einem früheren Arbeitsverhältnis, da dem Kläger hierdurch kein Vorteil zugewandt worden sei. Denn da die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls geleisteten Zahlungen wegen der daraus resultierenden Beitragsfreiheit rechtsgrundlos erfolgt seien, hätten sie für den Kläger keinen unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung begründen können.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das Urteil des FG vom 26. Januar 2011 1 K 1160/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG führen die streitbefangenen Zahlungen an die Versicherungsgesellschaft zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.
a) Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (sog. Zukunftssicherungsleistungen, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang --wirtschaftlich betrachtet-- so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (z.B. BFH-Urteile vom 12. April 2007 VI R 55/05, BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619; vom 5. Juli 2007 VI R 47/02, BFH/NV 2007, 1876; vom 15. November 2007 VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385; vom 9. Dezember 2010 VI R 57/08, BFHE 232, 158, BStBl II 2011, 978; jeweils m.w.N.).
b) Bejaht wird die Arbeitslohnqualität von Beitragsleistungen in den Fällen der Direktversicherung, bei der der Arbeitgeber gegenüber dem selbst bezugsberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Beiträge für die Versorgung des Arbeitnehmers einzubehalten und an den Versicherer abzuführen (BFH-Entscheidungen vom 16. April 1999 VI R 60/96, BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406; VI R 75/97, BFH/NV 1999, 1590; vom 26. Juli 2005 VI R 115/01, BFH/NV 2005, 1804; vom 26. Januar 2006 VI R 2/03, BFH/NV 2006, 1045; in BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619). Demgegenüber handelt es sich bei Ausgaben, die nur dazu dienen, dem Arbeitgeber die Mittel zur Leistung einer dem Arbeitnehmer zugesagten Versorgung zu verschaffen (Rückdeckungsversicherung), nicht um Arbeitslohn (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung).
c) Tritt ein Arbeitgeber Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer ab und leistet der Arbeitgeber im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer, sind diese Ausgaben Arbeitslohn.
aa) Die Abtretung von Ansprüchen aus einem Versicherungsverhältnis bewirkt im Allgemeinen, dass der Neugläubiger hinsichtlich der Forderung aus dem Versicherungsvertrag in die Gläubigerstellung des Versicherungsnehmers einrückt und mithin materiell zum Inhaber des Rechtsanspruchs gegenüber dem Versicherer wird (vgl. Fausten in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, § 17 VVG Rz 35; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 17 VVG Rz 15). Im Übrigen bleibt das Versicherungsverhältnis jedoch unverändert, so dass der Versicherungsnehmer weiterhin Vertragspartei bleibt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1956 II ZR 32/55, Versicherungsrecht 1956, 276) und insbesondere zur Leistung der Versicherungsprämien verpflichtet ist (Fausten in Langheid/Wandt, a.a.O.; Prölss/Martin, a.a.O.).
bb) Dementsprechend hat der Arbeitgeber nach der Abtretung einer Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer die Versicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen, während der Arbeitnehmer bzw. seine Hinterbliebenen selbst bezugsberechtigt sind. Diese mit der Abtretung einhergehende Änderung des Versicherungsverhältnisses begründet die Umwandlung der Rückdeckungsversicherung in eine Direktversicherung (vgl. auch Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 407; Ahrend/Förster/Rössler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Rz 1421). Nachfolgende Beitragsleistungen des Arbeitgebers an den Versicherer werden damit wie bei einer Direktversicherung erbracht, wodurch die Arbeitgeberleistungen nach den oben genannten Rechtsprechungsgrundsätzen als Arbeitslohn zu beurteilen sind.
2. Nach diesen Maßstäben hält die Würdigung des FG, die streitbefangenen Zahlungen der Arbeitgeberin des Klägers an die Versicherungsgesellschaft führten nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Denn die Abtretung der Ansprüche aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag bewirkte im Streitfall, dass der Kläger als Arbeitnehmer einen eigenen unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung, die Versicherungsgesellschaft, erlangte. Die sodann durch die Arbeitgeberin des Klägers geleisteten Beitragszahlungen stellen damit nach den angeführten Rechtsgrundsätzen Arbeitslohn dar. Hieran ändert auch nichts, dass der Kläger ab dem Jahr 2001 berufsunfähig war und daher eine Pflicht aus dem Versicherungsvertrag zur Zahlung der Beiträge nicht mehr bestand. Denn die Arbeitgeberin hatte ihm die Mittel gleichwohl zur Verfügung gestellt und der Kläger hatte sie zum Zwecke seiner Zukunftssicherung verwendet. Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Klage abzuweisen.