Entscheidungsdatum: 18.07.2016
1. NV: Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wird den Beteiligten rechtliches Gehör u.a. dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Wer davon keinen Gebrauch macht, kann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen. Gleiches gilt, wenn das FG einem Beteiligten gestattet, an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz nach § 91a FGO teilzunehmen, der Beteiligte von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch macht.
2. NV: Das Erfordernis der körperlichen Präsenz bei einer mündlichen Verhandlung und damit der Unmittelbarkeitsgrundsatz wird durch Zulassung einer Bild- und Tonübertragung aufgelockert, indem die Zuschaltung einer Partei und/oder ihres Prozessbevollmächtigten per Video in die im Sitzungszimmer stattfindende Verhandlung gestattet wird. Die Vorschrift des § 91a FGO begründet lediglich eine Befugnis der Gerichte, eine vorhandene Videotechnik einzusetzen, um die Prozessbeteiligten von Reise- und Zeitaufwand zu entlasten. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, für eine Zuschaltung per Videokonferenz in einem anderen Bundesland zu sorgen. Es ist Aufgabe des Beteiligten, sich um eine geeignete Videokonferenzanlage zu kümmern, wenn er von der Gestattung nach § 91a FGO Gebrauch machen will.
3. NV: Bei einem Fahrtenbuch handelt es sich nicht um Aufzeichnungen des Arbeitgebers, sondern um einen Eigenbeleg des Fahrzeugführers mit der Aufgabe, über die mit einem Fahrzeug unternommenen Fahrten Rechenschaft abzulegen.
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 1. Oktober 2015 5 K 2613/13 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Ausführungen in der Beschwerdeschrift den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO entsprechen, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung jedenfalls nicht vor.
1. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht dadurch verletzt, dass es aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat, zu der der Kläger nicht persönlich erschienen und auch nicht per Videokonferenz zugeschaltet war.
aa) Das Gericht entscheidet grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wird den Beteiligten rechtliches Gehör u.a. dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907; vom 5. April 2016 III B 137/15, nicht veröffentlicht). Wer davon keinen Gebrauch macht, kann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2009 III B 118/08, BFH/NV 2010, 665). Die Beteiligten trifft eine prozessuale Mitverantwortung, die ihren Anspruch auf rechtliches Gehör begrenzt.
bb) Gleiches gilt, wenn das FG einem Beteiligten gestattet, an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz nach § 91a FGO teilzunehmen, der Beteiligte von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch macht.
Nach § 91a Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
Das Erfordernis der körperlichen Präsenz bei einer mündlichen Verhandlung und damit der Unmittelbarkeitsgrundsatz wird durch Zulassung einer Bild- und Tonübertragung aufgelockert, indem die Zuschaltung einer Partei und/oder ihres Prozessbevollmächtigten per Video in die im Sitzungszimmer stattfindende Verhandlung gestattet wird. Eine Verpflichtung der Justiz, entsprechende technische Ausrüstungen vorzuhalten, erzeugt die Vorschrift nicht (BTDrucks 17/12418, S. 17). Sie begründet lediglich eine Befugnis der Gerichte, eine vorhandene Videotechnik einzusetzen, um die Prozessbeteiligten von Reise- und Zeitaufwand zu entlasten (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 128a Rz 1; vgl. auch BTDrucks 17/1224, S. 1). Entsprechend besteht keine Verpflichtung des Gerichts, für eine Zuschaltung per Videokonferenz in einem anderen Bundesland zu sorgen. Es ist vielmehr Aufgabe des Beteiligten, sich um eine geeignete Videokonferenzanlage zu kümmern, wenn er von der Gestattung nach § 91a FGO Gebrauch machen will.
cc) Das FG hat dem Kläger antragsgemäß die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz nach § 91a FGO gestattet und ihm eine Liste der Standorte von Videokonferenzanlagen übersandt. Es wäre daher zunächst Sache des Klägers gewesen, mit den in der Liste genannten Gerichten oder Behörden in der Nähe seines Aufenthaltsorts Kontakt aufzunehmen und zu fragen, ob an dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung die Anlagen für ihn nutzbar wären.
b) Das FG hat den Anspruch auf rechtliches Gehör auch nicht deshalb verletzt, weil hinsichtlich streiterheblicher Unterlagen kein Beweisbeschluss ergangen ist und der Kläger hierzu nicht gehört wurde.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann verletzt sein, wenn das FG den Vortrag eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 12. April 2011 III S 49/10, BFH/NV 2011, 1177; Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2013 VI B 144/12, BFH/NV 2014, 181). Hierfür ergeben sich im Streitfall keine Anhaltspunkte. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO) durch Unterlassen von Sachaufklärungsmaßnahmen rügen will, sind die Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers schon deshalb nicht erfüllt, weil er in der Beschwerdebegründung nicht ausgeführt hat, weshalb die Nichterhebung von Beweisen nicht gerügt worden ist bzw. weshalb eine solche Rüge nicht möglich war (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43).
2. Die Ausführungen zum Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) genügen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2007 V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25; vom 30. Januar 2008 V B 57/07, BFH/NV 2008, 611; vom 8. Oktober 2008 II B 42/08, BFH/NV 2009, 46). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013 VI B 31/13, BFH/NV 2013, 1786). Es genügt hingegen nicht darzulegen, dass bisher noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu den aufgeworfenen Rechtsfragen vorliege (BFH-Beschluss vom 23. März 1999 III B 2/98).
b) Der Kläger macht geltend, grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage: "Kann sich das erstmalige Beweisverlangen auf Aufzeichnungen zu Lasten des Klägers richten, wenn das Gericht für seinen Rechtsschluss aufgrund des Nichterbringens eben dieses Beweises von der bloßen Vermutung der Erfüllung eines Tatbestandes (hier: Veränderbarkeit des Fahrtenbuches) ausgeht, obwohl die Auswertungen zum Zeitpunkt der Außenprüfung beim Arbeitgeber hinsichtlich der Form und Überprüfbarkeit unbeanstandet vorgelegen haben? Bejahendenfalls: Welche Beweislast trifft den Arbeitnehmer, der den Sachbezug seiner privaten Kfz-Nutzung nach der Fahrtenbuchmethode gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ermittelt, über Aufzeichnungen, die sein Arbeitgeber zu erfüllen hat?"
Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Voraussetzungen für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Insbesondere fehlt es völlig an einer Auseinandersetzung mit der zu § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ergangenen Rechtsprechung und dem Schrifttum einschließlich Ausführungen dazu, inwieweit die vom FG in der Vorentscheidung vertretene Rechtsauffassung umstritten sei. Vielmehr macht der Kläger lediglich geltend, dass es sich beim Fahrtenbuch um Aufzeichnungen des Arbeitgebers handele, die von diesem aufzubewahren seien und dass die Nichtvorlage solcher Aufzeichnungen dem Kläger in dessen finanzgerichtlichen Verfahren nicht zum Nachteil gereichen dürfe, wenn sie im Rahmen einer Betriebsprüfung beim Arbeitgeber nicht beanstandet worden seien. Dabei ist bereits der Ansatz der vom Kläger formulierten "abstrakten Rechtsfrage" unzutreffend. Denn beim Fahrtenbuch handelt es sich nicht um Aufzeichnungen des Arbeitgebers, sondern um einen Eigenbeleg des Fahrzeugführers mit der Aufgabe, über die mit einem Fahrzeug unternommenen Fahrten Rechenschaft abzulegen (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410).
c) Auch betreffend die durch die Gestattung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz nach § 91a FGO aufgeworfenen Rechtsfragen hat der Kläger die Voraussetzungen für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht erfüllt. Insbesondere fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung und den in der Literatur vertretenen Auffassungen. Zudem kommt eine Revisionszulassung insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil die vom Kläger formulierte Frage, ob das FG im Falle einer Gestattung nach § 91a FGO darauf verweisen dürfe, dass organisatorische Absprachen mit den jeweiligen Behörden zu treffen seien, offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in der Vorentscheidung getan hat (vgl. unter 1. der Entscheidungsgründe; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.