Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 01.09.2010


BFH 01.09.2010 - V S 26/09

Darlegungserfordernisse bei Anhörungsrüge - Wirksamkeit der Kündigung einer Vollmacht - Zulässigkeit einer Gegenvorstellung - Rüge des Mangels einer vorschriftsmäßigen Vertretung - Keine Gebühren bei Gegenvorstellung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
01.09.2010
Aktenzeichen:
V S 26/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend BFH, 6. August 2009, Az: V B 88/08, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Für die Zulässigkeit der Anhörungsrüge ist darzulegen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen wurde .

2. NV: Die Kündigung einer Vollmacht wird erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam .

Tatbestand

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I. Die Klägerin, Rügeführerin, Beschwerdeführerin und Nichtigkeitsklägerin (Klägerin) wendet sich mit ihrer Anhörungsrüge, Sofortigen Beschwerde, Gegenvorstellung und Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. August 2009 V B 88/08 (1 K 1202/08). Mit diesem Beschluss hat der Senat eine Beschwerde auf Zulassung der Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG) zurückgewiesen. Das FG hatte eine Nichtigkeitsklage der Klägerin als unzulässig verworfen.

Entscheidungsgründe

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II. Das Begehren der Klägerin ist unzulässig.

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1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO in seiner ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung entspricht.

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a) Nach dieser Bestimmung muss in der Anhörungsrüge --und zwar innerhalb der Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO-- "dargelegt" werden, dass die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO vorliegen. Darlegen, das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist, heißt in diesem Zusammenhang: Schlüssig, substantiiert und nachvollziehbar darstellen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen der Rügeführer sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. November 2008 VII S 28/08, BFH/NV 2009, 409, und vom 11. März 2009 VI S 2/09, BFH/NV 2009, 1131). Dabei ist auch vorzutragen, inwiefern durch das nicht berücksichtigte Vorbringen die Entscheidung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts hätte anders ausfallen können (BFH-Beschlüsse vom 15. Mai 2007 IV S 6/07, nicht veröffentlicht --n.v.--, und vom 2. Oktober 2007 X S 23/07, n.v.).

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b) Die Klägerin macht mit ihrer Anhörungsrüge nicht geltend, dass der Senat entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat.

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aa) Im Streitfall hatte das FG die Klage als unzulässig abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.

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bb) Nach dem Beschluss des Senats hatte die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg, da sich nach § 578 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO die Nichtigkeitsklage gegen rechtskräftige Endurteile richte und das FG rechtsfehlerfrei entschieden habe, dass es sich bei der Terminanordnung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht um ein rechtskräftiges Endurteil handelt, so dass das FG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe. Im Hinblick auf die sich aus § 578 Abs. 1 ZPO ergebende Unzulässigkeit der Klage komme es auf die von der Klägerin geltend gemachte fehlerhafte Beurteilung anderer Sachurteilsvoraussetzungen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), die behaupteten schweren Rechtsfehler und die behauptete Divergenz zu Entscheidungen anderer Gerichte (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und weiter behauptete Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht an. Die Revision sei weiter auch nicht im Hinblick auf die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs als rechtsmissbräuchlich nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Gleiches gelte für den behaupteten, aber bereits nicht schlüssig dargelegten Verstoß des FG gegen den für ihn geltenden Geschäftsverteilungsplan.

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cc) Ohne sich mit der Begründung des Beschlusses des Senats auseinanderzusetzen, wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr Klagevorbringen (Nichtvornahme eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit eines Finanzamts, Falschbeurteilung von parteibezogenen Prozessvoraussetzungen, Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz "durch eine Entscheidung vom 12.11.2008" hinsichtlich der Tatsachen, die die örtliche Unzuständigkeit eines Finanzamts begründen, Divergenz zu anderen Gerichtsentscheidungen, Verstoß gegen das Gebot der Prozessökonomie, willkürliche Falschanwendung von Verfahrensrecht, Mängel der Vertretung des Beklagten, Vorliegen von Nichtigkeitsgründen, Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz).

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Zur Verletzung rechtlichen Gehörs selbst trägt die Klägerin nur vor, dass dem "Vortrag in den jeweiligen Entscheidungen keinerlei oder falls überhaupt nur ungenügende Beachtung geschenkt" worden sei. Dies reicht zur Darlegung, welcher Vortrag, der nach der Rechtsauffassung des Senats entscheidungserheblich war, und vom Senat nicht zur Kenntnis genommen worden sei, nicht aus.

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2. Der Rechtsbehelf der Sofortigen Beschwerde ist unzulässig. Entscheidungen des BFH sind nicht mit der Sofortigen Beschwerde anfechtbar. Daher ist die Sofortige Beschwerde zu verwerfen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. November 2008 V B 7/08, n.v.).

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3. Die Gegenvorstellung ist gleichfalls unzulässig. Der Senat kann offen lassen, ob eine Gegenvorstellung als außerordentlicher Rechtsbehelf neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a FGO) statthaft ist. Denn sie ist jedenfalls nur in Ausnahmefällen eröffnet, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. September 2006 X S 13/06, BFH/NV 2006, 2304; vom 11. Juni 2007 IX S 4/07, BFH/NV 2007, 1535; vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474, jeweils m.w.N.; vom 19. Mai 2008 III S 29/08, und vom 13. August 2008 III S 34/08, jeweils n.v.). Die Klägerin hat aber nicht substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen, dass dem angefochtenen Senatsbeschluss ein derart schwerwiegender Verstoß anhaftet.

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4. Die Nichtigkeitsklage ist unzulässig. Im Hinblick auf den angefochtenen Senatsbeschluss ist die "Nichtigkeitsklage" --da sie sich nicht auf ein Urteil i.S. von § 578 ZPO bezieht-- als Antrag zu verstehen, den Senatsbeschluss entsprechend § 134 FGO, § 579 ZPO für nichtig zu erklären.

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Der Antrag ist indes unzulässig. Auf den geltend gemachten Vertretungsmangel auf der Prozessgegenseite kann sich die Klägerin im Rahmen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht berufen, weil der Mangel der vorschriftsmäßigen Vertretung nur vom nichtvertretenen Beteiligten --das wäre hier das nach Auffassung der Klägerin verfahrenswidrig nicht einbezogene Finanzamt-- gerügt werden kann (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1992 VII R 71/92, BFH/NV 1993, 314, m.w.N.).

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Im Hinblick auf die von der Klägerin darüber hinaus noch geltend gemachten Rechtsfehler und Verfahrensverstöße ist ein Bezug zu einem der Nichtigkeitsgründe des § 579 ZPO nicht erkennbar. Die Klägerin macht im Wesentlichen jene Einwendungen geltend, die sie bereits in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebracht hatte, und wendet sich gegen die Verfahrensweise des Senats und die Begründung des Senatsbeschlusses. Welche Nichtigkeitstatbestände insoweit gegeben sein sollen, ist nicht ersichtlich.

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5. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zwar mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010 mitgeteilt, dass er die Klägerin nicht mehr vertrete. Die Kündigung der Vollmacht erlangt gemäß § 62 Abs. 4, § 155 FGO i.V.m. § 87 ZPO aber erst Wirksamkeit durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten (BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238). Ein anderer Prozessbevollmächtigter ist bisher nicht bestellt worden.

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6. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (vgl. Nr. 6400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes --Kostenverzeichnis--).

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Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Sofortigen Beschwerde und der Nichtigkeitsklage auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung über die Gegenvorstellung ergeht gerichtsgebührenfrei, da für Verfahren betreffend Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. August 2005 III S 18/04, BFH/NV 2006, 76).