Entscheidungsdatum: 24.08.2017
NV: § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG setzen unter Berücksichtigung von Art. 295 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL voraus, dass es sich um eine Leistung handelt, bei der jedenfalls typisierend davon auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer (entsprechenden) Mehrwertsteuer-Vorbelastung führt oder zumindest führen kann .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2016 1 K 257/14 U aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erbrachte in den Streitjahren 2004 bis 2009 Dienstleistungen für den Milchviehbetrieb seines Vaters. Er rechnete dabei durchschnittlich 260 bis 280 Arbeitsstunden monatlich ab. Auf landwirtschaftlichen Ackerflächen, die er von seinem Vater gepachtet hatte, unterhielt er einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, der der Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterlag. Für die Bewirtschaftung dieser Flächen nahm er die Leistungen von Lohnunternehmen in Anspruch und mietete Gerätschaften aus dem Betrieb seines Vaters.
Der Kläger ging davon aus, dass die an seinen Vater erbrachten Dienstleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung unterlägen. Demgegenüber war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Außenprüfung der Auffassung, dass auf diese Leistungen die Regelbesteuerung anzuwenden sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.
Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1209 veröffentlichten Urteil liegen auch für die an den Vater erbrachten Leistungen die Voraussetzungen des § 24 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und --seit dem 1. Januar 2007-- entsprechend Art. 295 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vor. Es handele sich um landwirtschaftliche Dienstleistungen eines landwirtschaftlichen Erzeugers im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Der Kläger habe die Leistungen an seinen Vater mit Hilfe der Arbeitskräfte seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht. Die Leistungen hätten auch bei seinem Vater zur landwirtschaftlichen Erzeugung beigetragen. Trotz des hohen zeitlichen Umfangs der an seinen Vater erbrachten Leistungen sei nicht davon auszugehen, dass die Arbeitskraft des Klägers nicht mehr seiner eigenen landwirtschaftlichen Erzeugertätigkeit zuzurechnen sei.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sinngemäß insbesondere geltend macht, dass es darauf ankommt, welchen Anteil die Dienstleistungen an den Gesamtumsätzen im Vergleich zur Urproduktion einnehmen.
Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Aus Unionssicht bedürfe es keiner Verknüpfung zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Regelung zu den Durchschnittssätzen nur auf Leistungen anzuwenden ist, die der Kläger im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs erbracht hat.
1. § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG erfasst "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze". Unionsrechtlich ist bei der Auslegung dieser Vorschrift im Streitfall Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL (zuvor Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG) zu berücksichtigen. Danach handelt es sich bei den landwirtschaftlichen Dienstleistungen um solche, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen.
Damit die Dienstleistung von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte erbracht wird, muss es sich um eine Arbeitskraft handeln, die auch im landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt ist. Dabei kann es sich auch um den Betriebsinhaber handeln. Wird die Arbeitskraft nahezu vollständig außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs eingesetzt, fehlt es hieran, so dass bei richtlinienkonformer Auslegung von § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG auch keine Leistung im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Leistenden erbracht wird.
2. Bei der Prüfung, ob eine landwirtschaftliche Dienstleistung vorliegt, ist auch der Normzweck des § 24 Abs. 1 UStG zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung von Art. 295 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL dient die Regelung dazu, dass die Pauschallandwirte einen "pauschalen Ausgleich der Mehrwertsteuer-Vorbelastung erlangen". Die im Streitfall anzuwendenden Regelungen in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG, nach denen davon auszugehen ist, dass die Mehrwertsteuer-Vorbelastung der Steuer auf die Ausgangsleistung des Pauschallandwirts exakt entspricht, ist daher dahingehend auszulegen, dass es sich bei der § 24 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegenden Leistung um eine Leistung handeln muss, bei der jedenfalls typisierend davon auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer (entsprechenden) Mehrwertsteuer-Vorbelastung führt oder zumindest führen kann. Jede andere Auslegung würde zu einer umsatzsteuerrechtlichen Bereicherung des Pauschallandwirts führen, die mit dem Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer nach Art. 1 MwStSystRL nicht vereinbar ist.
3. Danach ist im Streitfall das Urteil des FG aufzuheben. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger die Leistungen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs und damit mit Hilfe seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht hat.
Für den Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Finanzverwaltung zu Recht davon ausgeht, dass eine landwirtschaftliche Dienstleistung nicht unter Verwendung von Wirtschaftsgütern erfolgen kann, die ausschließlich zur Erbringung von sonstigen Leistungen an Dritte vorgehalten werden (Abschn. 24.3 Abs. 4 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Dies gilt für den Einsatz von Arbeitskräften wie für den Einsatz der eigenen Arbeitskraft des Einzelunternehmers.
Daher hat das FG zu Unrecht angenommen, dass die eigene Arbeitskraft des Einzelunternehmers (stets) die erforderliche Zugehörigkeit zum landwirtschaftlichen Betrieb aufweist. Dies ist vielmehr für den jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob im Hinblick auf den Umfang der klägerischen Arbeitstätigkeit für den Vater noch von einer Zuordnung seiner Arbeitskraft zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb ausgegangen werden kann. Dies erscheint im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der an den Vater erbrachten Leistungen von bis zu 280 Stunden monatlich und die Durchführung der Arbeiten im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers durch Lohnunternehmen fraglich.
Dabei wird das FG auch zu berücksichtigen haben, dass die Verwendung der eigenen Arbeitskraft des Einzelunternehmers eine Vorsteuerbelastung auslösen kann, die die Anwendung von § 24 Abs. 1 UStG auch unter Berücksichtigung seines Normzwecks (s. oben II.2.) rechtfertigt.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.