Entscheidungsdatum: 19.12.2013
1. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist (Klarstellung der Rechtsprechung).
2. Eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO ist auch dann gerechtfertigt, wenn das FA zunächst keinen Steuerbescheid erlassen hat, dieses Unterlassen aber auf der erkennbaren Annahme beruht, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen.
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 1991 vom 1. Februar 2005, mit dem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt III --FA--) den der NB-G-GmbH in 1991 gewährten Vorsteuerabzug rückgängig macht.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der im März 1996 durch Verschmelzung auf sie erloschenen NB-G-GmbH. Seit Anfang 1996 ist die Klägerin in das Unternehmen der DIH-KG eingegliedert. Mitgeschäftsführer der Komplementärin der DIH-KG ist einer der Geschäftsführer der Klägerin.
Ende Dezember 1991 erwarb die NB-G-GmbH ein mit einem Hotel bebautes Grundstück von der VT-GmbH. Diese verzichtete auf die Steuerfreiheit des Umsatzes und wies in der Rechnung an die NB-G-GmbH vom 31. Dezember 1991 gesondert Umsatzsteuer in Höhe von 1.049.765,20 DM aus. In der am 21. Dezember 1992 beim damals zuständigen Finanzamt (FA II) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 1991 machte die NB-G-GmbH Vorsteuern in entsprechender Höhe geltend. Das FA II stimmte der Erklärung zu und teilte am 16. März 1993 mit, dass erklärungsgemäß ein Umsatzsteuerüberschuss in Höhe von 1.047.065,70 DM festgesetzt worden sei. Eine bei der NB-G-GmbH im September 1995 angeordnete Außenprüfung betreffend die Umsatzsteuer für 1991 führte zu keiner Änderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH erhielt daher im März 2000 eine entsprechende Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO).
Am 23. Dezember 1997 vereinbarten die --ebenfalls zum Organkreis der DIH-KG gehörende-- DIH-GmbH als Rechtsnachfolgerin der VT-GmbH und die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH, den von ihren jeweiligen Rechtsvorgängern vereinbarten Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit rückgängig zu machen. Die DIH-GmbH erteilte daraufhin der Klägerin noch am selben Tage eine neue Rechnung ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis. Die DIH-KG als Organträgerin ging davon aus, dass der Vorgang zu einer ihr zuzurechnenden Kürzung des Vorsteuerabzugs der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH in 1997 führe und berücksichtigte dies in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung Dezember 1997 sowie in ihrer am 10. Dezember 1998 beim für sie zuständigen Finanzamt (FA IV) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 1997, die zu einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung führte.
Im Rahmen einer am 26. September 2002 bei der DIH-KG begonnenen Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1999 reichte diese am 16. März 2004 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 1997 ein und begehrte unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 2001 V R 23/00 (BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673) die Erhöhung der Vorsteuer um den in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1997 korrigierten Betrag. Nach diesem Urteil habe die Vorsteuerkorrektur wegen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerfreiheit nicht im Jahr der Rücknahme 1997, sondern im Jahr des Leistungsbezugs 1991 zu erfolgen.
Das FA IV erließ daraufhin unter dem 20. Januar 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1997 gegenüber der DIH-KG und setzte die Umsatzsteuer entsprechend der berichtigten Umsatzsteuererklärung 1997 herab.
Hierauf erließ das FA unter dem 1. Februar 2005 einen auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1991 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH und minderte den Vorsteuerabzug um 1.049.765,20 DM (= 536.736,42 €).
Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 797 veröffentlichten Urteil aus, das FA sei nach § 174 Abs. 3 AO befugt, die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 der NB-G-GmbH zu ändern.
Eine auf die NB-G-GmbH bezogene Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1991 sei zunächst unterblieben, weil das FA im Anschluss an die von der DIH-KG als Organträgerin eingereichte Umsatzsteuererklärung 1997 die Vorstellung übernommen habe, dass die Rücknahme des Verzichts im Veranlagungszeitraum 1997 zu berücksichtigen sei. Die umsatzsteuerrechtliche Berücksichtigung der Rücknahme ausschließlich bei der DIH-KG für das Jahr 1997, nicht aber bei der Organgesellschaft (NB-G-GmbH bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin) für den Veranlagungszeitraum 1991 sei für letztere auch uneingeschränkt erkennbar gewesen. Denn einer der Mitgeschäftsführer der Komplementärin der DIH-KG sei zugleich auch Geschäftsführer der Klägerin selbst gewesen. Die Klägerin sei daher stets im Bilde gewesen, in welcher Weise die DIH-KG als ihre Organträgerin den in Rede stehenden Sachverhalt in ihrer Steuererklärung 1997 behandelt habe, dass das FA dieser Umsatzsteuererklärung 1997 gefolgt und dass --zwecks Vermeidung einer Mehrfacherfassung desselben Sachverhalts gegenüber der NB-G-GmbH bzw. gegenüber der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin-- eine geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1991 unterblieben sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt Verletzung materiellen Rechts. Die Änderung könne nicht auf § 174 Abs. 3 AO gestützt werden, da diese voraussetze, dass es sich bei dem korrekturauslösenden Bescheid um einen materiell bestandskräftigen, endgültigen Bescheid handele. Eine Umsatzsteuererklärung, die lediglich einem Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe, genüge diesen Anforderungen nicht. Darüber hinaus fehle es an einem Bescheid, in dem der Sachverhalt (Rücknahme des Verzichts auf Steuerfreiheit) erkennbar berücksichtigt worden sei. Die unterlassene Änderung eines Bescheids könne dem nicht gleichgestellt werden. Zudem sei § 174 Abs. 3 AO nur anwendbar, wenn eine spätere Berücksichtigung des Sachverhalts erfolgen solle. Im vorliegenden Fall handele es sich aber um eine gleichzeitige Berücksichtigung, da das FA im selben Moment zwischen zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen habe wählen müssen.
Eine Zurechnung von Kenntnissen des Organträgers dürfe nicht erfolgen. Die mit der Organschaft verbundene umsatzsteuerrechtliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers ändere nichts an deren beider verfahrensrechtlicher Selbständigkeit. Zudem sei ein außerhalb der Organschaft liegender Veranlagungszeitraum betroffen. Auf die Kenntnis einer anderen Rechtsperson könne es hierbei ebenso wenig ankommen, wie auf Kenntnisse, die der Geschäftsführer der Organgesellschaft in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Organträgers gewonnen habe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1991 vom 1. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 2007 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es schließt sich den Ausführungen des FG an und trägt ergänzend vor: § 174 Abs. 3 AO sei auf eine Umsatzsteuererklärung anwendbar, da diese einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe (§ 168 Satz 1 AO) und somit ein Steuerbescheid i.S. von § 155 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 122 Abs. 1 AO sei, auf den die Korrekturvorschriften Anwendung fänden. Für umsatzsteuerrelevante Kenntnisse bzw. für die Erkennbarkeit umsatzsteuererheblicher Verhältnisse hinsichtlich der Organgesellschaft sei auf den Wissensstand der Organträgerin abzustellen. Im Gegensatz zur gewerbesteuerrechtlichen und körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft, die nur der Zurechnung von Einkommen dienten, gingen die Rechtsfolgen und Wirkungen der umsatzsteuerlichen Organschaft darüber hinaus. Die umsatzsteuerliche Organschaft bewirke, dass nur der Organträger Unternehmer sei und es nur ein einheitliches Unternehmen gebe. Dies bedeute, dass der Organträger selbst die fraglichen Lieferungen und Leistungen im Rahmen seines Unternehmens erbringe, indem er sich seiner Organgesellschaften bediene. Im Rahmen der Organschaft vertrete die Organträgerin die Interessen ihrer Organgesellschaften. Es sei daher nur folgerichtig, bezüglich umsatzsteuerrelevanter Kenntnisse bzw. für die Erkennbarkeit umsatzsteuererheblicher Verhältnisse hinsichtlich der Organgesellschaften von vornherein nur auf den Wissensstand der Organträger abzustellen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Rücknahme der Option vom 23. Dezember 1997 führte zum Verlust des der NB-G-GmbH in 1991 gewährten Vorsteuerabzugs und das FA war auch berechtigt, diesen Verlust des Vorsteuerabzugs durch den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1991 vom 1. Februar 2005 geltend zu machen, da insoweit die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO vorliegen.
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) konnte der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG von anderen Unternehmern gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen.
Der Vorsteuerabzug setzt ferner voraus, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Dezember 1989 C-342/87, Genius Holding, Slg. 1989, 4227, 4242; BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695). Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird der Umsatz rückwirkend wieder steuerfrei, sodass eine Steuer für den berechneten Umsatz nicht mehr geschuldet wird. Der Erwerber verliert dann den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (BFH-Urteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 Rz 25). Der rückwirkende Verlust des Vorsteuerabzugs durch die Rücknahme des Verzichts setzt allerdings voraus, dass die Rücknahme in formaler und zeitlicher Hinsicht wirksam war:
a) Hatte der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt (BFH-Urteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673, Rz 20). Im Streitfall erfolgte die Rückgängigmachung des Verzichts durch Übersendung einer neuen Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis am 23. Dezember 1997 und damit in formal ordnungsgemäßer Weise.
b) Die Rücknahme des Verzichts war auch in zeitlicher Hinsicht wirksam. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist. Soweit die bisherige Senatsrechtsprechung dahingehend verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistenden zulässig ist, hält der Senat daran nicht fest (Klarstellung der Rechtsprechung).
aa) Nach allgemeiner Ansicht kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394; vom 25. Februar 1993 V R 78/88, BFHE 171, 369, BStBl II 1993, 777, und vom 11. August 1994 XI R 57/93, BFH/NV 1995, 170).
bb) Umstritten ist dagegen, ob dies nur bis zum Zeitpunkt der formellen Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres der Leistungserbringung oder darüber hinaus noch möglich ist, solange die entsprechende Steuerfestsetzung nach § 164 AO änderbar ist. Der Verzicht und sein Rückgängigmachen als actus contrarius sind mit Blick auf die zeitlichen Grenzen ihres Ausübens gleich zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 54/00, BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175, unter II.2.b).
Die Begrenzung des Verzichts oder seiner Rücknahme auf die formelle Bestandskraft sorgt zwar für Rechtssicherheit und frühzeitig klare Verhältnisse, begrenzt den Steuerpflichtigen aber unverhältnismäßig in der Ausübung seines Wahlrechts. Eine derartig enge Eingrenzung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist, wie in § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG für die Option des Kleinunternehmers zur Regelbesteuerung oder in § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG für die Option zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen. In beiden Fällen muss bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und damit innerhalb der formellen Bestandskraft widerrufen werden. Da § 9 UStG eine derartige Regelung nicht enthält und der Normzweck auch keine solche Einschränkung erfordert, ist der Unternehmer nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats berechtigt, den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist:
(1) Nach dem Senatsurteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 (Leitsatz 2), kann auf die Steuerbefreiung einer Grundstückslieferung nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum der Lieferung nicht mehr durch Ausgabe einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis verzichtet werden. Der Begriff der "Bestandskraft" ist dabei in einem materiellen Sinne zu verstehen. Denn der erkennende Senat hat seine Entscheidung ausdrücklich damit begründet, dass die Wirksamkeit des Verzichts davon abhängt, dass es der Finanzbehörde möglich ist, die Steuer für den Umsatz festzusetzen, und dass ein "wirksamer Verzicht i.S. von § 9 Abs. 1 UStG 1980... daher nicht vor[liegt], wenn ein Unternehmer eine Grundstückslieferung als steuerpflichtig behandelt, nachdem die Steuerfestsetzung für den Besteuerungszeitraum der Lieferung unabänderbar geworden ist. Die Behandlung eines steuerfreien Umsatzes als steuerpflichtig setzt voraus, dass die Steuerpflicht (und der dadurch begründete Steueranspruch) durch Steuerfestsetzung noch verwirklicht werden kann" (BFH-Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.4.a).
Dementsprechend hat der erkennende Senat darauf abgestellt, dass die Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr der Lieferung, die erst nachträglich --aufgrund des erst später erklärten Verzichts-- aber mit Rückwirkung steuerpflichtig ist, nach den Vorschriften der AO noch änderbar ist. Dabei hat der Senat eine Änderbarkeit nach § 173 AO und § 175 AO verneint, sodass für die Änderbarkeit auf das Bestehen eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO abzustellen ist, während die Frage der formellen Bestandskraft, die bereits mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintritt, unerheblich ist.
Der erkennende Senat hat hieran in der Folgezeit festgehalten. Im Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175 (unter II.2.b) hat der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unternehmer den Verzicht zeitlich begrenzt bis zum Ende der Änderbarkeit nach § 164 Abs. 2 AO erklären kann.
(2) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673. Danach kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung eines Umsatzes gemäß § 9 UStG "jedenfalls" bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung rückgängig gemacht werden, wobei aber in diesem Verfahren die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig gemacht werden kann, nicht entscheidungserheblich war (Senatsurteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673).
Auch aus dem Senatsurteil vom 6. Oktober 2005 V R 8/04 (BFH/NV 2006, 835), nach dem der Widerruf des Verzichts beim Leistungsempfänger zum Verlust des Vorsteuerabzugs für das Jahr des Leistungsbezugs, nicht aber zum Verlust des Vorsteuerabzugs für das Jahr der Widerrufserklärung führt, folgt keine abweichende Beurteilung der Rechtsfrage.
(3) Gegen die Ausübung des Verzichts und der Rücknahme des Verzichts in den Grenzen der Änderbarkeit nach § 164 AO spricht nicht, dass der Unternehmer bei der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG an ein sachgerechtes Aufteilungsverfahren ab dem Zeitpunkt der formellen Bestandskraft der Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für das Jahr des Leistungsbezugs gebunden ist (Senatsurteil vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, Leitsatz). Diese zeitliche Beschränkung beruht auf den Besonderheiten des Vorsteuerabzugs, die eine sog. "Sofortentscheidung" auch über den "Umfang des Vorsteuerabzugs" erforderlich machen (Senatsurteil in BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, unter II.2.a und b). Dieser Umstand ist jedoch für die Frage der Ausübung von Verzicht und Widerruf des Verzichts nicht erheblich. Denn der nachträgliche Verzicht ist auch dann von Bedeutung, wenn der Unternehmer seine Grundstücksübertragung zunächst als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG ansieht, sich diese Annahme aber als unzutreffend herausstellt und es ohne nachträglichen Verzicht zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG kommen könnte.
(4) Mit dieser Rechtsprechung weicht der erkennende Senat nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Dieser ist zwar im Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08 (BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c bb (2)) davon ausgegangen, dass "eine Bindungswirkung an die Option zur Steuerpflicht ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung" bestehe. Dabei handelt es sich aber um ein nicht bindendes obiter dictum, da es in dem vom XI. Senat entschiedenen Streitfall um die Frage eines rückwirkenden Wechsels von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) und damit um einen anderen Sachverhalt ging.
Soweit die Finanzverwaltung aus diesem Urteil folgert, dass sowohl die Erklärung zur Option nach § 9 UStG als auch ihr Widerruf nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sind (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2010 IV D 3-S 7198/09/ 10002, 2010/0760001, juris; nunmehr Abschn. 9.1. Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; anders bis zum 1. Oktober 2010 Abschn. 148 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 --UStR 2008--) folgt der erkennende Senat dem nicht.
(5) Im Streitfall erfolgte die Rücknahme der Option noch innerhalb der zeitlichen Änderungsgrenze. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 des Leistenden (VT-GmbH) auch dann, wenn deren Umsatzsteuererklärung 1991 noch im Laufe des Jahres 1992 abgegeben wurde, wegen der Anlaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO durch die konzernweite und deshalb auch die VT-GmbH erfassende Betriebsprüfung der DIH-KG noch änderbar war. Dafür spricht auch, dass die Finanzverwaltung im Zeitpunkt der Rücknahme der Option (23. Dezember 1997) noch davon ausging, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung sowie dessen Rücknahme bis zum Eintritt der materiellen Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheids möglich ist (vgl. Abschn. 148 Abs. 3 UStR 2008).
2. Einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1991 nach § 164 Abs. 2 AO steht entgegen, dass bei Erlass des streitgegenständlichen Änderungsbescheids vom 1. Februar 2005 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
a) Die am 21. Dezember 1992 beim FA II eingegangene Umsatzsteuererklärung der NB-G-GmbH für 1991 wies eine negative Steuerschuld aus und beinhaltete daher einen Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 und 4 AO). Mit der --am 16. März 1993 gegenüber der NB-G-GmbH mitgeteilten-- Zustimmung des FA II zur Umsatzsteuererklärung 1991 stand diese einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). Die Änderung dieser Steuerfestsetzung ist nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist zulässig (§ 164 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 AO).
b) Im Streitfall war im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 1991 vom 1. Februar 2005 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten:
aa) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die NB-G-GmbH, hatte die Umsatzsteuererklärung 1991 am 21. Dezember 1992 eingereicht, sodass die regelmäßige Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1996 endete (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
bb) Durch die im September 1995 angeordnete Außenprüfung kam es zu einer Hemmung der Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung erlassenen Steuerbescheide bzw. bis zum Ablauf von drei Monaten nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Nachdem die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH eine derartige Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO im März 2000 erhalten hatte, endete die Hemmung der Festsetzungsfrist mit Ablauf des 30. Juni 2000.
cc) Die wirksame Rücknahme der Option stellt für den Leistungsempfänger (NB-G-GmbH) ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (BFH-Urteil in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 Rz 26), für das die besondere Anlaufhemmung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO gilt. Danach beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das (rückwirkende) Ereignis eintritt. Im Streitfall trat das rückwirkende Ereignis (Rücknahme der Option) am 23. Dezember 1997 ein; die Festsetzungsfrist begann also mit Ablauf des 31. Dezember 1997 und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2001. Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Umsatzsteuer-Änderungsbescheids am 1. Februar 2005 war somit auch unter Berücksichtigung der besonderen Anlaufhemmung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
3. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist darf eine Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden nur noch insoweit erfolgen, als dies sonst gesetzlich zugelassen ist (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO). Zu diesen gesetzlich zugelassenen Ausnahmefällen gehört auch eine Änderung auf der Grundlage des § 174 Abs. 3 AO.
Danach kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden, als dieser Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist (§ 174 Abs. 3 Satz 2 AO).
Die Vorschrift soll verhindern, dass ein steuererhöhender oder steuermindernder Vorgang bei der Besteuerung überhaupt nicht berücksichtigt wird (negativer Widerstreit), während eine doppelte Berücksichtigung durch § 174 Abs. 1 und 2 AO vermieden wird (BFH-Urteile vom 27. Mai 1993 IV R 65/91, BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76; vom 29. Mai 2001 VIII R 19/00, BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, unter II.3.a).
a) Unter einem "bestimmten Sachverhalt" i.S. von § 174 Abs. 3 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex (BFH-Urteil vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, Leitsatz 1).
Maßgeblicher Sachverhalt ist vorliegend die Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes vom 23. Dezember 1997 durch die Rechtsnachfolgerin (DIH-GmbH) der Grundstücksverkäuferin.
b) Einer Änderung nach § 174 Abs. 3 AO steht --entgegen der Ansicht der Klägerin-- nicht entgegen, dass der bestimmte Sachverhalt "in einem Steuerbescheid erkennbar nicht berücksichtigt" wurde.
aa) Zwar hat das FA (zunächst) für 1991 keinen Steuerbescheid erlassen, in dem der maßgebliche Sachverhalt (Rücknahme der Option) hätte unberücksichtigt bleiben können. Da die Rechtsfolge des § 174 Abs. 3 AO aber darin besteht, dass die bislang unterbliebene Steuerfestsetzung "nachgeholt" werden kann, steht der Anwendung dieser Norm nicht entgegen, dass das FA zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlässt, weil es in der (erkennbaren) Annahme handelt, der bestimmte Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89 Rz 19; vom 29. Mai 2001 VIII R 19/00, BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743 Rz 29; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 93).
Allerdings muss in diesem Fall die Annahme der Finanzbehörde, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu erfassen, für die Nichtberücksichtigung dieses Sachverhalts im Steuerbescheid kausal gewesen sein (BFH-Urteil in BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743 Rz 30; von Wedelstädt in Beermann, AO, § 174 Rz 65). Die der Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 3 AO dienende Kausalität fehlt insbesondere, wenn die Nichtberücksichtigung des Sachverhalts darauf beruht, dass das FA von diesem Sachverhalt gar keine Kenntnis hatte oder annahm, dieser Sachverhalt sei --jetzt und auch später-- ohne steuerrechtliche Bedeutung (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 29; von Wedelstädt in Beermann, a.a.O., § 174 AO Rz 65).
bb) So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Die Rücknahme der Option vom 23. Dezember 1997 löst zwingende Rechtsfolgen auf Erwerber- und Veräußererseite aus, wobei die Jahre 1991 (Leistungsbewirkung) und 1997 (Optionsrücknahme) betroffen sind. Das FA hatte eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1991 gerade deshalb unterlassen, weil es davon ausging, dass die Rücknahme der Option im Rücknahmejahr (1997) zu berücksichtigen sei. Dabei ist das FA der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung in der Umsatzsteuererklärung der DIH-KG 1997 vom 16. März 2004 gefolgt und hat folglich darauf verzichtet, die Rücknahme der Option als rückwirkendes Ereignis zu behandeln und die Umsatzsteuerfestsetzung 1991 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH zu ändern.
Dem kann nicht, wie die Klägerin meint, entgegen gehalten werden, dass nicht das FA III, sondern das FA IV für die umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Umsatzsteuererklärung 1997 der DIH-KG zuständig gewesen sei, sodass es hinsichtlich des FA an der Kenntnis von der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerfreiheit gefehlt habe.
Das FG hat hierzu unter Hinweis auf die vorliegenden Akten in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender und damit den Senat bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass dem --für die beim FA geführten Gesellschaften der I-Hotel-Gruppe-- zuständigen Sachbearbeiter das von der DIH-KG gewählte Verfahren der Vorsteuerkorrektur bekannt gewesen sei. Das FA als die für die NB-G-GmbH zuständige Finanzbehörde habe dies jedoch nicht zum Anlass genommen, gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der NB-G-GmbH eine geänderte Umsatzsteuerfestsetzung 1991 zu erlassen, weil sich der Sachbearbeiter und sein Sachgebietsleiter der im Jahr 1998 von der DIH-KG vertretenen und auch sonst herrschenden Meinung angeschlossen hätten, dass nicht die Vorsteuer 1991 der NB-G-GmbH, sondern die Vorsteuer 1997 der DIH-KG zu korrigieren sei.
c) § 174 Abs. 3 AO erfordert darüber hinaus die Annahme, dass der bestimmte Sachverhalt in einem "anderen Steuerbescheid" zu berücksichtigen sei. Im Streitfall bezog sich die Annahme des FA nicht auf einen derartigen Steuerbescheid, sondern auf die Berücksichtigung im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1997 der DIH-KG.
Nach der Legaldefinition in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO ist ein Steuerbescheid der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Er bildet zwar die Regelform der Steuerfestsetzung, eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung (§ 168 Satz 1 AO) steht einem Steuerbescheid i.S. von § 174 Abs. 4 AO jedoch gleich (BFH-Urteil vom 15. März 1994 XI R 45/93, BFHE 174, 290). Da Gründe für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Korrekturnorm des § 174 AO nicht ersichtlich sind, gilt diese Gleichstellung auch im Rahmen des § 174 Abs. 3 AO.
d) Die Annahme des FA, dass der Sachverhalt (Rücknahme der Option) in einem anderen Steuerbescheid bzw. im Streitfall in einer anderen Umsatzsteuerfestsetzung (1997) zu berücksichtigen sei, hat sich auch als unrichtig herausgestellt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673 wirkt sich die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht im Jahr der Rücknahmeerklärung, sondern bereits im Jahr des Leistungsbezugs (im Streitfall also 1991) als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aus.
e) Weiterhin war "erkennbar", dass die Berücksichtigung des Sachverhalts nur im Hinblick auf die spätere Steuerfestsetzung unterblieben ist, und zwar für denjenigen, dem gegenüber die Steuerfestsetzung geändert oder --wie im Streitfall-- nachgeholt werden soll.
aa) Erkennbar heißt, dass dieser bei verständiger Würdigung des an ihn gerichteten Bescheids erkennen musste, warum ein bestimmter Vorgang dort nicht berücksichtigt wurde (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 2/86, BFHE 167, 316, BStBl II 1992, 832, Leitsatz 2). Für die Frage der Erkennbarkeit kommt es auf den gesamten Sachverhaltsablauf an (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1984 III R 75/81, BFHE 143, 110, BStBl II 1985, 283; vom 1. August 1984 V R 67/82, BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788). Erkennbarkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch sein eigenes Verhalten die Finanzbehörde veranlasst hat, einen Sachverhalt nicht bei ihm, sondern bei einem anderen zu erfassen (BFH-Urteil vom 5. November 2009 IV R 99/06, BFHE 228, 98, BStBl II 2010, 593).
bb) Dass die Umsatzsteueränderung 1991 bei der NB-G-GmbH wegen der Berücksichtigung des Sachverhalts in der Umsatzsteuererklärung 1997 der DIH-KG als Organträgerin unterblieben ist, war für die NB-G-GmbH bzw. die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin erkennbar.
Dies hat das FG zutreffend daraus gefolgert, dass einer der Mitgeschäftsführer der Komplementärin der DIH-KG zugleich auch Geschäftsführer der Klägerin selbst war. Die Klägerin war also über die Personenidentität der Geschäftsführung jederzeit darüber informiert, dass die DIH-KG als ihre Organträgerin die Rücknahme der Option im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärung 1997 berücksichtigt hatte, das FA diese Steuererklärung nicht beanstandete und somit eine geänderte Umsatzsteuerfestsetzung 1991 gegenüber der NB-G-GmbH bzw. gegenüber der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin unterblieb. Der Senat kann daher offenlassen, ob sich die Erkennbarkeit der maßgeblichen Umstände --wie das FG entschieden hat-- auch daraus ergibt, dass die Klägerin und die DIH-KG seit Anfang 1996 eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bilden und die Klägerin als Organgesellschaft sich die Kenntnisse der DIH-KG zurechnen lassen muss.
f) Dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid steht auch nicht die Festsetzungsverjährung der "anderen" Festsetzung entgegen (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO). "Andere" Festsetzung ist vorliegend die Umsatzsteuerfestsetzung 1997 gegenüber der DIH-KG.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheids 1991 vom 1. Februar 2005 war insoweit noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die regelmäßige Verjährungsfrist endete bei Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1997 im Jahr 1998 zwar mit Ablauf des 31. Dezember 2002. Es trat jedoch im Hinblick auf die angeordnete und am 26. September 2002 begonnene Außenprüfung eine Anlaufhemmung ein (§ 174 Abs. 4 Satz 1 AO), die erst mit Eintritt der Bestandskraft des aufgrund der Außenprüfung ergangenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 1997 vom 20. Januar 2005 endete. Bei Bekanntgabe des Änderungsbescheids am 24. Januar 2005 (§§ 122 Abs. 2 Nr. 1, 108 Abs. 3 AO) lief die einmonatige Einspruchsfrist am 24. Februar 2005 ab, sodass der streitgegenständliche Änderungsbescheid noch rechtzeitig vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen wurde.
4. Sind die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO --wie im Streitfall-- erfüllt, so ist die Änderung auch gegenüber einem Dritten ohne Einhaltung der nur für die Änderung nach § 174 Abs. 4 AO erforderlichen Voraussetzung des § 174 Abs. 5 AO zulässig (BFH-Urteil vom 1. August 1984 V R 67/82, BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788).