Entscheidungsdatum: 24.01.2019
Werden im Zusammenhang mit der satzungsgemäßen Tätigkeit einer gemeinnützigen Stiftung zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes Ökopunkte zugeteilt, die nur durch den Verkauf verwertet werden können, ist der Erlös aus diesem Verkauf ebenso wie die zugrunde liegende Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG steuerfrei.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 13. Oktober 2016 4 K 1522/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Erlöse aus dem Verkauf von Ökopunkten steuerpflichtig sind.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine als rechtsfähig anerkannte, gemeinnützige Stiftung. Zweck ist (u.a.) die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Im Rahmen dieses Satzungszwecks betreibt die Klägerin die großflächige Renaturierung des Flusses X, indem sie große Teile des am Fluss gelegenen Landes in eine Auenlandschaft verwandelt.
Für die Renaturierung schrieb die zuständige Naturschutzbehörde der Klägerin Ökopunkte gut, und zwar aufgrund von § 16 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz --BNatSchG--) i.d.F. des Streitjahres (2013) i.V.m. §§ 7, 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (HAGBNatSchG) vom 20. Dezember 2010 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, S. 629).
Die Klägerin gab in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr im Rahmen eines Zweckbetriebes "Renaturierung" Einnahmen (aus der Veräußerung von Ökopunkten) von 3.606 € an, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterwarf. Das FA erließ für das Streitjahr am 26. November 2015 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und am 14. Dezember 2015 einen Gewerbesteuermessbescheid.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 861 veröffentlichten Urteil statt, indem es die Steuer-Bemessungsgrundlage (u.a.) um die Erlöse aus dem Verkauf der Ökopunkte minderte. Hinsichtlich des Verkaufs der Ökopunkte fehle es an den Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, weil dieser Verkauf keine vom steuerbegünstigten Tätigkeitsbereich trennbare, sachlich selbständige Betätigung darstelle und mithin die Voraussetzungen des § 14 der Abgabenordnung (AO) nicht erfülle.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Das Merkmal der sachlichen Selbständigkeit sei revisionsrechtlich zu hinterfragen. Es bestehe auch keine untrennbare Verknüpfung des Verkaufs von Ökopunkten mit der Renaturierung. Zwar sei das Entstehen der Ökopunkte als Ausfluss der gemeinnützigen Tätigkeit zu bewerten; erst die unternehmerische Entscheidung zum Verkauf unter Vermittlung der Naturschutzbehörden und der Landesgesellschaft führe aber zur Einnahmeerzielung. Überdies sei eine Veräußerung der Ökopunkte nicht erforderlich; die Klägerin könne ihren satzungsgemäßen Zweck auch ohne die Veräußerung erfüllen. Die Auffassung des FG führe auch zu Widersprüchen zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Ökopunkte. Schließlich habe die Klägerin den Vorsteuerabzug für die Renaturierung mit dem Hinweis auf die beabsichtigte Einlösung der Ökopunkte begehrt.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil zu ändern, indem die im Streitjahr erzielten Gewinne aus dem Verkauf der Ökopunkte in Höhe von 3.606 € als steuerpflichtiger Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb anzusehen sind.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin habe keine eigenständige Entscheidung zum Verkauf der Ökopunkte. Sie könne die Ökopunkte nicht anderweitig verwenden, sondern könne sie nur auf einem vom Gesetzgeber geschaffenen Markt verkaufen. Lasse sie die Punkte einfach liegen, füge sie der Stiftung nach § 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuches strafbewehrte Nachteile im Vermögensbereich und bei der Erfüllung des Satzungszwecks zu. Das FA wolle im Ergebnis nur bei gemeinnützigen Körperschaften die Erlöse aus dem Verkauf von Ökopunkten mit Ertragssteuern belasten. Wäre die Klägerin nicht gemeinnützig, könnte sie die Kosten der Renaturierung als Betriebsausgaben abziehen. Die Kosten der Flusssanierung seien aber durchweg höher als die möglichen Erlöse aus dem Verkauf der Ökopunkte.
II.
Die Revision ist als unbegründet gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die Erlöse aus dem Verkauf der Ökopunkte als steuerfrei behandelt. Werden im Zusammenhang mit der satzungsgemäßen Tätigkeit einer gemeinnützigen Stiftung zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes Ökopunkte zugeteilt, die nur durch den Verkauf verwertet werden können, ist der Erlös aus diesem Verkauf ebenso wie die zugrunde liegende Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) steuerfrei.
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen steuerfrei, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Die gleichen Voraussetzungen enthält für die Gewerbesteuer § 3 Nr. 6 GewStG.
2. Der Verkauf der Ökopunkte erfüllt nicht die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes.
Schließt das Gesetz die Steuervergünstigung --wie dies § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG anordnen-- insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird, so verliert die Körperschaft nach § 64 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist.
Der Verkauf der Ökopunkte ist keinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) zuzuordnen. Nach § 14 Satz 1 AO ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nach § 14 Satz 2 AO nicht erforderlich. Der Verkauf der Ökopunkte ist keine selbständige Tätigkeit; sie ist allein durch die steuerbefreite Tätigkeit nach dem Satzungszweck veranlasst.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist selbständig i.S. des § 14 AO eine Tätigkeit, wenn sie nicht mit anderweitigen Betätigungen der Körperschaft dergestalt zusammenhängt, dass ihre Ausübung ohne die anderweitige Betätigung nicht möglich wäre (BFH-Urteile vom 7. Mai 2014 I R 65/12, BFHE 245, 517; vom 15. Oktober 1997 I R 2/97, BFHE 184, 222, BStBl II 1998, 175, und vom 18. Januar 1984 I R 138/79, BFHE 140, 463, BStBl II 1984, 451). Danach bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit in § 14 AO nicht auf die persönliche Selbständigkeit einer juristischen Person, sondern auf die sachliche Selbständigkeit der Betätigung i.S. einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich. Im Schrifttum hat diese Rechtsprechung sowohl Gefolgschaft (vgl. z.B. Gosch/Märtens KStG, 3. Aufl., § 5 Rz 21; Buciek in Gosch, AO § 14 Rz 25; Lorenz in Winheller/ Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 14 AO Rz 26) wie auch --worauf das FA zutreffend hinweist-- Kritik erfahren (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rz 8; Fischer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 14 AO Rz 59; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl. 2018, Rz 6.98, m.w.N.; kritisch auch Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 14 Rz 11). Allerdings fragt auch die von der Rechtsprechung abweichende Auffassung im Schrifttum nach der materiell-rechtlichen Zurechnung, die sie i.S. des ertragssteuerrechtlichen Veranlassungsprinzips (so ausdrücklich Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl. 2018, Rz 6.98, a.E.; in diese Richtung auch Fischer in HHSp, § 14 AO Rz 60; ähnlich mit Bezug auf den Begriff des "Betriebs" Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 14 AO Rz 8) im Kern anhand der gleichen Kriterien beantwortet, mit denen die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit auslegt. Schließlich kommt das Veranlassungsprinzip auch in § 64 AO zum Ausdruck, indem die Körperschaft die Steuervergünstigung nur für solche Besteuerungsgrundlagen (z.B. wie hier: Einkünfte) verliert, die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind.
b) Nach diesen Maßstäben ist der Verkauf der Ökopunkte allein und unmittelbar durch die steuerbegünstigte Tätigkeit der Klägerin veranlasst, dem ideellen Bereich zuzuordnen und damit auch sachlich nicht von dieser Tätigkeit abzugrenzen.
aa) Ökopunkte werden als Folge der gemeinnützigen Tätigkeit der Renaturierung vergeben. Die Naturschutzgesetze fordern Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild. Wer in diesem Sinne eingreifen will, muss diesen "Öko-Kredit" wieder zurückzahlen, also kompensieren. Dies geschieht über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen (Kompensationsmaßnahmen), deren Umfang in sog. Ökopunkten nach der "Kompensationsverordnung" gemessen wird (vgl. dazu Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Leitfaden Planen und Bauen im Einklang mit der Natur, 2. Aufl. 2014; zum Begriff der Ökopunkte auch BFH-Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 32/11, BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411). Nach § 16 Abs. 2 BNatSchG richtet sich die Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen nach Landesrecht. Im Streitfall ergeben sich die Rechtsgrundlagen aus § 10 HAGBNatSchG. § 10 Abs. 1 HAGBNatSchG regelt die vorlaufende Ausgleichsmaßnahme, mit der der Naturschutzwert einer Fläche --wie im Streitfall-- verbessert und zum Ausgleich für die Aufwertung der Natur ein Ökokonto angelegt wird.
bb) Dementsprechend hat das FG festgestellt, dass die Vergabe der Ökopunkte die zwangsläufige und unmittelbare Folge der gemeinnützigen Tätigkeit der Flussrenaturierung ist. Denn diese gemeinnützige Tätigkeit und die damit verbundene ökologische Aufwertung der renaturierten Flusslandschaft sind der alleinige Grund und auch der Maßstab für die Ausgabe und Bewertung der Ökopunkte.
cc) Der Veranlassungszusammenhang zwischen der satzungsmäßigen Tätigkeit und der Ausgabe der Ökopunkte setzt sich am Verkauf der Ökopunkte fort. Denn nach den Feststellungen des FG stellt sich der Verkauf als einzige sachgerechte Verwendungsalternative dar. Das ergibt sich aus dem nahe liegenden Gedanken, dass die Klägerin schon nach ihrem Satzungszweck keine Eingriffe in den Naturhaushalt tätigen wird, die einer Kompensation mit ihren Renaturierungsprojekten bedürften. Ferner ist ein freier Handel mit Ökopunkten nach den --den BFH bindenden-- Feststellungen des FG wegen der gesetzlich beschränkten Vermittlung der Käufer durch die Naturschutzbehörde und der behördlich festgelegten Höhe der Erlöse nicht möglich. Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in § 10 Abs. 6, § 34 Nr. 2 Buchst. b und f HAGBNatSchG i.V.m. der Hessischen Kompensationsverordnung. Bereits deshalb ist ein fortbestehender innerer Zusammenhang der Verkäufe mit der ideellen Tätigkeit der Klägerin evident. Beide Bereiche sind nicht voneinander zu trennen: Ohne die gemeinnützige Betätigung im Naturschutz gibt es keine Ökopunkte und ohne diese keine entsprechenden Verkäufe. Die Ausübung der Verkaufstätigkeit ist also ohne die ideelle Tätigkeit nicht möglich. Durch diese enge Verknüpfung mit der ideellen Ebene unterscheidet sich der Verkauf von Ökopunkten von der vom BFH als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb beurteilten entgeltlichen Ausgabe von Presseausweisen durch einen steuerbefreiten Berufsverband von Zeitungsverlegern an nicht bei einem seiner Verbandsmitglieder beschäftigten Journalisten (BFH-Urteil in BFHE 245, 517).
c) Zutreffend stellt das FG überdies darauf ab, dass der Verkauf der Ökopunkte im Rahmen der Deckung der entstehenden Kosten dem ideellen Bereich zuzuordnen ist. Hierin liegt entgegen der Auffassung des FA kein Widerspruch und das Argument ist auch nicht unverständlich. Das Gegenteil ist der Fall: Die Vergabe von Ökopunkten beruht allein auf der Renaturierung des Flusstales. Wäre die Klägerin nicht gemeinnützig tätig, könnte sie die Aufwendungen für die Renaturierung als Betriebsausgaben absetzen und müsste umgekehrt den Erlös der Ökopunkte als Betriebseinnahmen versteuern. Allein das Ergebnis (der Gewinn oder der Verlust) aus der Differenz zwischen den Einnahmen (Verkauf der Ökopunkte) und den Aufwendungen (Renaturierung) müsste der Steuer unterworfen werden. Diesen zutreffenden Gedanken bringt auch die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung vor. Aus ihm folgt der enge und unlösliche Veranlassungszusammenhang zwischen der ökologischen Tätigkeit und dem Erlös aus dem Verkauf der Ökopunkte. Ist aber die Renaturierungsmaßnahme als gemeinnützige Tätigkeit --wie hier-- dem ideellen Bereich der Stiftung und nicht dem Gewerbebetrieb zuzuordnen, gilt diese Zurechnung auch für die damit unmittelbar zusammenhängenden Erlöse aus dem Verkauf der Ökopunkte. Eine getrennte steuerrechtliche Würdigung je nachdem, ob und inwieweit der eine Teil (die Renaturierung) steuerbegünstigt ist oder nicht, wäre nicht folgerichtig.
Die Auffassung des FA, den Verkauf der Punkte getrennt zu beurteilen, würde vielmehr gegen das Nettoprinzip (§ 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 7 Satz 1 GewStG) verstoßen. Sie würde nämlich gleichheitswidrig Erwerbsaufwand nicht berücksichtigen, der mit versteuerten Erlösen zusammenhängt. Der eine Bereich (die Tätigkeit) kann nicht ohne den anderen (die durch die satzungsgemäße Tätigkeit ausgelösten Ökopunkte) erfasst werden. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist hierfür ohne jede Bedeutung.´
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.