Entscheidungsdatum: 05.05.2011
Zur Auslegung der "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG: Ist die Leistung eines außenstehenden Verwalters eines Sondervermögens nur dann hinreichend spezifisch und damit steuerfrei, wenn
a) er eine Verwaltungstätigkeit und nicht nur eine Beratungstätigkeit ausübt oder wenn
b) sich die Leistung ihrer Art nach aufgrund einer für die Steuerfreiheit nach dieser Bestimmung charakteristischen Besonderheit von anderen Leistungen unterscheidet oder wenn
c) er aufgrund einer Aufgabenübertragung nach Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG tätig ist?
I. Zum Sachverhalt
Nach einem im Dezember 1999 abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag beauftragte eine Kapitalanlagegesellschaft (KAG), die einen Publikumsfonds als Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) verwaltete, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), sie "bei der Verwaltung des Fondsvermögens zu beraten". Die Klägerin hatte "unter ständiger Beobachtung des Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Vermögensgegenständen [zu] erteilen". Die Klägerin hatte hierbei "den Grundsatz der Risikomischung, die gesetzlichen Anlagebeschränkungen (...) sowie die ... Anlagebedingungen ... zu berücksichtigen". Die Vergütung der Klägerin erfolgte nach einem vom Wert des Sondervermögens berechneten Prozentsatz. Bei der Klägerin handelte es sich nicht um eine KAG.
Im Rahmen des Beratungsvertrags übermittelte die Klägerin in den Streitjahren 1999 bis 2002 Empfehlungen zum An- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon, Telefax oder Web-Server, ohne dabei umfangreiche Expertisen zu erstellen. Die KAG stellte die Empfehlungen in ihr Order-System ein, um diese einer Überprüfung zu unterziehen. Die Anlageempfehlungen der Klägerin setzte die KAG --oft innerhalb weniger Minuten-- um, soweit kein Verstoß gegen gesetzliche oder sonstige für das Sondervermögen bestehende Anlagegrenzen vorlag. Zu den Empfehlungen über die Zusammensetzung der Fonds-Vermögen traf die KAG hinsichtlich der Vermögenswerte keine eigene Auswahl, ihr verblieb aber die Letztentscheidung und Letztverantwortung. Die Klägerin erhielt Rückmeldungen zur Ausführung der Empfehlungen sowie tägliche Aufstellungen über die Zusammensetzung des von ihr beratenen Investmentvermögens.
II. Entscheidungsgründe
Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Leitsatz bezeichnete Frage zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Rechtlicher Rahmen
a) Mehrwertsteuerrecht (Umsatzsteuerrecht)
aa) Unionsrecht
Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer
"die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften".
bb) Nationales Recht
Nach § 4 Nr. 8 Buchst. h des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in seiner in den Streitjahren 1999 bis 2002 geltenden Fassung waren steuerfrei
"die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes".
b) Investmentrecht
aa) Unionsrecht
Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (Richtlinie 85/611/EWG) sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) Organismen
"- deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikobetreuung in Wertpapieren anzulegen, und
- deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden ..."
Der OGAW bedarf nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 85/611/EWG "zur Ausübung seiner Geschäftstätigkeit der Zulassung durch die Stellen des Mitgliedstaats, in dem der OGAW ansässig ist". Die Tätigkeit des OGAW muss sich nach Art. 6 der Richtlinie 85/611/EWG "auf die Verwaltung von Investmentfonds und Investmentgesellschaften beschränken". Regelungen zur Definition dieser Verwaltungstätigkeit und zur Beauftragung Dritter als Subunternehmer zur Übertragung eigener Verwaltungsaufgaben enthielt die Richtlinie 85/611/EWG bei ihrem Inkrafttreten nicht.
Die Richtlinie 85/611/EWG wurde durch die Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfachte Prospekte (geänderte Richtlinie 85/611/EWG) und durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 hinsichtlich der Anlagen der OGAW (2001/108/EG) geändert. Die Änderungsrichtlinie 2001/107/EG war von den Mitgliedstaaten bis zum 13. August 2003 umzusetzen (Art. 3 dieser Richtlinie).
Nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der geänderten Richtlinie 85/611/EWG schließt die "Tätigkeit der Verwaltung von Investmentfonds und Investmentgesellschaften für die Zwecke dieser Richtlinie die Aufgaben ein, die in Anhang II in nicht erschöpfender Weise genannt sind". Hierzu gehören neben der "Anlageverwaltung" die im Anhang II näher beschriebenen "Administrativen Tätigkeiten" sowie der "Vertrieb".
Nach Art. 5g Abs. 1 der geänderten Richtlinie 85/611/EWG können "die Mitgliedstaaten den Verwaltungsgesellschaften [gestatten] eine oder mehrere ihrer Aufgaben zum Zwecke einer effizienteren Geschäftsführung an Dritte zu übertragen". Diese Möglichkeit bestand zuvor nicht. An die Aufgabenübertragung werden nach Art. 5g Abs. 1 Buchst. a bis i der geänderten Richtlinie 85/611/EWG unterschiedliche Bedingungen gestellt. Im Allgemeinen muss die Verwaltungsgesellschaft die Tätigkeit des "Dritten" z.B. wirksam überwachen und ihm Anweisungen erteilen können (Art. 5g Abs. 1 Buchst. f und g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG).
Nach Art. 5g Abs. 1 Buchst. c der geänderten Richtlinie 85/611/EWG darf bei einer Aufgabenübertragung auf einen Dritten, die die Anlageverwaltung betrifft,
"der Auftrag nur Unternehmen erteilt werden, die für die Zwecke der Vermögensverwaltung zugelassen oder eingetragen sind und einer Aufsicht unterliegen; die Übertragung muss mit den von der Verwaltungsgesellschaft regelmäßig festgelegten Vorgaben für die Verteilung der Anlagen in Einklang stehen".
Weiter darf nach Art. 5g Abs. 1 Buchst. e der geänderten Richtlinie 85/611/EWG
"der Verwahrstelle oder anderen Unternehmen, deren Interessen mit denen der Verwaltungsgesellschaft oder der Anteilinhaber kollidieren können, ... kein Auftrag für die Hauptdienstleistung der Anlageverwaltung erteilt werden".
bb) Nationales Recht
Nach § 1 Abs. 1 des in den Streitjahren geltenden KAGG sind
"Kapitalanlagegesellschaften ... Kreditinstitute, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger (Anteilinhaber) nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs-, Investmentfondsanteil-, Grundstücks-, Gemischten Wertpapier- und Grundstücks- oder Altersvorsorge-Sondervermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Urkunden (Anteilscheine) auszustellen".
Der Geschäftsbetrieb einer KAG bedurfte in den Streitjahren einer Erlaubnis (§ 2 KAGG). Die KAG hatte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 KAGG "mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns das Sondervermögen für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber zu verwalten".
Mit Wirkung zum 1. Januar 2004 wurde das KAGG durch das Investmentgesetz (InvG) ersetzt. Zur Beauftragung Dritter im Allgemeinen und bei der Anlageverwaltung, die dabei als Portfolioverwaltung bezeichnet wird, bestimmt § 16 Abs. 2 InvG:
"(1) Die Kapitalanlagegesellschaft darf unter den Voraussetzungen des § 25a des Kreditwesengesetzes eigene Tätigkeiten auslagern, wenn die Auslagerung die Kapitalanlagegesellschaft nicht daran hindert, im Interesse ihrer Anleger zu handeln.
(2) Sofern die Übertragung die Portfolioverwaltung betrifft, dürfen damit nur Unternehmen betraut werden, die für die Zwecke der Vermögensverwaltung zugelassen sind und einer wirksamen öffentlichen Aufsicht unterliegen; § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 des Kreditwesengesetzes findet insoweit keine Anwendung. Die Übertragung muss mit den von der Kapitalanlagegesellschaft regelmäßig festgelegten Vorgaben für die Verteilung der Anlagen in Einklang stehen. Eine Depotbank oder andere Unternehmen, deren Interessen mit denen der Kapitalanlagegesellschaft oder der Anleger kollidieren können, dürfen nicht mit der Portfolioverwaltung betraut werden."
2. EuGH-Urteil Abbey National
Bei der Auslegung des Begriffs der "Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG ist das zu dieser Bestimmung ergangene Urteil des EuGH vom 4. Mai 2006 C-169/04, Abbey National (Slg. 2006, I-4027) zu berücksichtigen.
a) Nach dem EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027, Leitsatz 1 stellt der Begriff der "Verwaltung" von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG einen autonomen Begriff des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können.
b) Die Steuerfreiheit gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG wird nach dem EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 66 nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert, sondern durch die Art der erbrachten Leistung. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG schließt es "seinem Wortlaut nach nicht grundsätzlich aus, dass die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften sich in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt, die dann unter den Begriff "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" im Sinne dieser Bestimmung fallen und in den Genuss der dort vorgesehenen Befreiung gelangen können, auch wenn sie von einem außenstehenden Verwalter erbracht werden" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 67). Insoweit ergibt "sich aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein müssen, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen, rein wirtschaftlich betrachtet, am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von der ... Befreiung ausgeschlossen werden" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 68).
c) Im Hinblick auf die Art der Leistung erfasst Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG nach dem EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 63 die Umsätze, die für die Tätigkeit der OGAW spezifisch sind. Danach fallen unter die Steuerbefreiung "neben den Aufgaben der Portefeuilleverwaltung die administrativen Aufgaben der Organismen für gemeinsame Anlagen selbst, wie sie in Anhang II der geänderten Fassung der Richtlinie 85/611/EWG unter der Überschrift 'Administrative Tätigkeiten' aufgeführt sind, bei denen es sich um spezifische Aufgaben der Organismen für gemeinsame Anlagen handelt" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 64).
Dabei "können die Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Fonds, die durch einen außenstehenden Verwalter erbracht werden, nur dann als ... von der Steuer befreite Umsätze qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in Nummer 6 beschriebenen Leistung erfüllt" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 70). "Die erbrachten Dienstleistungen müssen daher die spezifischen und wesentlichen Elemente der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften betreffen" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 71).
3. Zu Teil A der Vorlagefrage
Bei der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Prüfung, ob Dienstleistungen den vorstehenden genannten Kriterien entsprechen (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 73), stellt sich die Frage, welche Bedeutung den Begriffen der spezifischen Tätigkeit (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 63), der spezifischen Aufgabe (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 64), der spezifischen Funktion (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 70) und des spezifischen Elements (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 71) zukommt.
Der Senat versteht dabei das EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 dahingehend, dass nicht alle Leistungen, die andere Steuerpflichtige an die Verwaltungsgesellschaft eines Sondervermögens erbringen, gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, sondern nur diejenigen, die als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen dieser Bestimmung erfüllen.
Dabei stellt sich die Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG betreffende Auslegungsfrage, ob eine spezifische Leistung eines außenstehenden Verwalters im Sinne dieser Bestimmung nur vorliegt, wenn er eine verwaltende Tätigkeit ausübt, bei der er selbst Entscheidungen für das Sondervermögen trifft. Leistungen, bei denen demgegenüber ein "außenstehender Berater" durch Abgabe von Empfehlungen, die dann von der Verwaltungsgesellschaft umzusetzen sind, eine bloße Entscheidungshilfe gewährt, die die Verwaltungsgesellschaft des Sondervermögens entweder annehmen oder verwerfen kann, wären dann nicht hinreichend spezifisch und somit nicht steuerfrei.
Für diese Auslegung könnte neben dem Grundsatz der engen Auslegung der Steuerbefreiungen (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 60) auch der Grundsatz der richtigen und einfachen Anwendung der Steuerbefreiungen (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG, Slg. 2003, I-6729 Rdnr. 64) sprechen. Wären demgegenüber auch bloße Beratungsleistungen als Verwaltung steuerfrei, würden sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, da es dann für die Steuerfreiheit darauf ankommen würde, welche Art von Beratung als spezifisch anzusehen ist und es für die Steuerfreiheit auch maßgeblich sein könnte, ob oder in welchem Umfang die Verwaltungsgesellschaft den Beratungsempfehlungen folgt.
4. Zu Teil B der Vorlagefrage
Sind auch Beratungsleistungen hinreichend spezifisch für die steuerfreie Verwaltung von Sondervermögen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG, stellt sich die weitere Frage, ob Leistungen eines außenstehenden Verwalters nur dann spezifisch sind, wenn sie eine nach dieser Bestimmung charakteristische Besonderheit aufweisen, die sie von anderen Leistungen unterscheidet, oder ob Anlageberatungsleistungen für die Verwaltungsgesellschaft einer KAG als nach dieser Bestimmung spezifische Leistung steuerfrei sein können, obwohl der Art nach identische Leistungen für andere Personen steuerpflichtig sind.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Berater einer Verwaltungsgesellschaft eines Sondervermögens und z.B. der Berater einer natürlichen Person bei der unmittelbaren Geldanlage in Wertpapieren nicht allgemein den Kauf von Wertpapieren, sondern gleichermaßen den Kauf eines oder mehrerer Wertpapiere in einer bestimmten Stückzahl unter Berücksichtigung der vom jeweiligen Auftraggeber gewünschten Anlagestrategie, der jeweiligen Anlageziele, der jeweils zur Verfügung stehenden Anlagemittel und der Zusammensetzung des jeweiligen Wertpapiervermögens empfehlen.
Käme es für das Vorliegen einer spezifischen Leistung i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG auf eine charakteristische Besonderheit an, die bei der Anlageberatung einer Verwaltungsgesellschaft eines Sondervermögens besteht, bei der Anlageberatung in anderen Fällen hingegen fehlt, könnte ein derartiges Unterscheidungsmerkmal allenfalls darin gesehen werden, dass das von der Verwaltungsgesellschaft verwaltete Sondervermögen Anlagestrategie und Anlageziele vorab festlegen muss und weiter den in Art. 19 ff. der Richtlinie 85/611/EWG genannten Anlagebeschränkungen unterliegt. Eine spezifische Besonderheit im Hinblick auf die Art der Leistung ergibt sich hieraus aber nicht, da dies weder die Art und Weise der Leistungserbringung noch den Leistungsinhalt selbst betrifft. Dass die Beratung je nach dem Auftraggeber --Sondervermögen oder z.B. eine natürliche Person bei unmittelbarer Geldanlage in Wertpapieren-- für die Beratung bei Erwerb und Verkauf von Wertpapieren unterschiedliche Vorgaben für die vorzubereitende Anlageentscheidung machen, berührt die Art und Weise der Beratungstätigkeit nicht.
Werden somit letztlich der Art nach identische Anlageberatungsleistungen erbracht, die z.B. gegenüber einer natürlichen Person als Anleger bei der unmittelbaren Geldanlage in Wertpapieren nicht steuerfrei sind --auch nicht als Umsatz, der sich i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG auf Wertpapiere bezieht--, aber bei einer Beratung eines Sondervermögens nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei wären, könnte eine derartige Differenzierung im Übrigen dem vom EuGH im Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 64 betonten Grundsatz der steuerlichen Neutralität widersprechen, da die Geldanlage in OGAWs dann gegenüber der unmittelbaren Geldanlage in Wertpapiere steuerrechtlich bevorzugt würde.
5. Zu Teil C der Vorlagefrage
Wäre auch die Anlageberatung spezifisch, ist schließlich zweifelhaft, ob die Beurteilung der Beratungsleistung als "spezifisch" für die Verwaltung von Sondervermögen voraussetzt, dass es sich um eine nach der Richtlinie 85/611/EWG zulässige Aufgabenübertragung handelt.
a) Da nicht alle durch die Verwaltungsgesellschaft von anderen Steuerpflichtigen bezogenen Leistungen wie die Leistung der Verwaltungsgesellschaft selbst gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind (s. oben II.3.), könnten es die Grundsätze der engen Auslegung der Steuerbefreiungen (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 60) und der richtigen und einfachen Anwendung der Steuerbefreiung (vgl. hierzu EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729 Rdnr. 64) erfordern, von einer hinreichend spezifischen Leistung eines außenstehenden Verwalters nur dann auszugehen, wenn es sich hierbei um eine der Art nach rechtlich zulässige Aufgabenübertragung i.S. von Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG handelt.
Hierfür könnte sprechen, dass Verwaltungsgesellschaften nach der Richtlinie 85/611/EWG, die der EuGH bei der Auslegung der Steuerfreiheit gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG berücksichtigt (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnrn. 53 ff.), nur tätig werden dürfen, wenn sie nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 85/611/EWG über eine Zulassung verfügen.
b) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet zwar bei der Erhebung der Mehrwertsteuer eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften mit Ausnahme der Fälle, in denen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen Wirtschaftssektor und einem illegalen Sektor ausgeschlossen ist (EuGH-Urteile vom 2. August 1993 C-111/92 Lange, Slg. 1993, I-4677 Rdnr. 16; vom 11. Juni 1998 C-283/95, Fischer, Slg. 1998, I-3369 Rdnr. 21). Konkurrieren unerlaubte Geschäfte mit erlaubten Tätigkeiten, verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, daher diese unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer anders zu behandeln (EuGH-Urteil Fischer in Slg. 1998, I-3369 Rdnr. 22), so dass die Mitgliedstaaten z.B. die Steuerbefreiung für Glücksspiele nicht den erlaubten Glücksspielen vorbehalten dürfen (EuGH-Urteil Fischer in Slg. 1998, I-3369 Rdnr. 28). Dies beruht aber möglicherweise auf der Besonderheit, dass sich Glücksspielumsätze nur schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer eignen (EuGH-Urteil vom 29. Mai 2001 C-86/99, Freemans, Slg. 2001, I-4167 Rdnr. 30).
Darüber hinaus hat der EuGH mit einem --nicht vollständig in deutscher Sprache veröffentlichten Beschluss-- entschieden, dass die "Vergabe von Wucherdarlehen, die nach dem nationalen Strafrecht eine Straftat darstellt, ... trotz ihrer Rechtswidrigkeit in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie [fällt] und ... dass ein Mitgliedstaat diese Tätigkeit nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen darf, wenn die entsprechende Tätigkeit der Gewährung von Gelddarlehen zu nicht überhöhten Zinsen von dieser Steuer befreit ist" (EuGH-Beschluss vom 7. Juli 2010 C-381/09, Gennaro Curia, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 1369).
c) Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Steuerfreiheit gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG dazu dient, "Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern" (EuGH-Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 62). Kommt dem vorrangige Bedeutung zu, spräche dies dafür, aus Gründen des Anlegerschutzes nur die erlaubte Geldanlage von der Steuer zu befreien, zumal die Richtlinie 85/611/EWG --als Regelung des Unionsrechts und nicht nur als nationale Schutzbestimmung-- nach ihrem ersten Erwägungsgrund "einen angemessenen Schutz der Anteilinhaber [gewährleisten]" soll. Wären die durch eine Verwaltungsgesellschaft erbrachten Leistungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG nur steuerfrei, wenn diese über die erforderliche Zulassung nach Art. 4 der Richtlinie 85/611/EWG verfügt, sind auch die Leistungen eines außenstehenden Verwalters nur steuerfrei, wenn er zumindest im Wesentlichen unter den Voraussetzungen des Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG tätig ist. Die vom EuGH in seinem Urteil Abbey National in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 68 zur Begründung der Steuerfreiheit angeführte Freiheit des Organisationsmodells stünde dann unter dem Vorbehalt, dass es sich um eine nach der Richtlinie 85/611/EWG zulässige Organisationsentscheidung handelt.
6. Zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Bei der von der Klägerin beratenen KAG handelt es sich um eine Verwaltungsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 85/611/EWG, die gegenüber den Anlegern des von ihr verwalteten Sondervermögens gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Leistungen erbracht hat.
a) Sind die Leistungen der Klägerin als eigenständiges Ganzes für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des EuGH-Urteils Abbey National in Slg. 2006, I-4027 "spezifisch" und wesentlich, kann sie sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.
Der Senat hat dabei keine Zweifel, dass die Leistungen der Klägerin für die KAG wesentlich waren. Zweifelhaft ist aber, ob diese Leistungen auch hinreichend spezifisch sind. Die Auslegung der Richtlinie ist bei der Anwendung und Auslegung des nationalen Rechts, das für den Streitfall keine detaillierteren Regelungen als das Unionsrecht enthält, zu berücksichtigen.
b) Ist die Anlageberatung bereits aufgrund ihres Beratungscharakters der Art nach nicht für eine Verwaltungstätigkeit spezifisch (Teil A der Vorlagefrage) oder weist sie keine spezifische Besonderheit gegenüber anderen steuerpflichtigen Anlageberatungsleistungen auf (Teil B der Vorlagefrage), sind die Leistungen der Klägerin steuerpflichtig.
c) Steuerpflichtig wären die Leistungen der Klägerin auch, wenn sie nur unter der Voraussetzung als "spezifisch" anzusehen sind, dass die Übertragung von Aufgaben an Außenstehende nach der Richtlinie 85/611/EWG zulässig ist (Teil C der Vorlagefrage). Denn die Auslagerung der in der Anlage bezeichneten Aufgaben war erst aufgrund von Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611/EWG, nicht aber auch nach der im Streitfall geltenden Richtlinie 85/611/EWG vor ihrer Änderung durch die Richtlinie 2001/107/EG möglich.
In Übereinstimmung mit der Auffassung der für die Aufsicht über Investmentgeschäfte in den Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Behörde, des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred), geht der Senat insoweit davon aus, dass nach der in den Streitjahren geltenden Rechtslage investmentrechtlich nach dem KAGG unter Beachtung der Richtlinie 85/611/EWG das "Fondsmanagement ... nicht an andere außerhalb der KAG stehende Personen delegierbar" war und dass "die vollständige oder teilweise Auslagerung dieser Aufgaben ... im Widerspruch zur Verpflichtung der KAG aus §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 KAGG [stünde] (Schreiben des BAKred vom 29. September 1997)". Investmentrechtlich zulässig war lediglich, dass der Berater der KAG konkrete Ankaufempfehlungen übermittelte, die dann aber von der KAG auf "Übereinstimmung mit Gesetz, Vertragsbedingungen und Anlagepolitik der KAG zu überprüfen" waren, wobei die "Order für einzelne Ankauf- und Verkaufsaufträge ... von der KAG ausgehen" musste und eine unmittelbare Ordererteilung durch den Berater als unzulässig angesehen wurde. Dementsprechend geht auch die Klägerin davon aus, dass vor Inkrafttreten der Richtlinie 2001/107/EG "eine formale Auslagerung der Portfolio-Entscheidungen aufsichtsrechtlich noch nicht für zulässig gehalten" wurde und daher mit Verträgen wie im Streitfall "die KAG die Portfolio-Verwaltung auslagern [wollte], ... sich jedoch mit 'Beratungsverträgen' [half], in denen der Dritte 'Empfehlungen' zu erteilen hatte".