Entscheidungsdatum: 22.11.2018
NV: Ein Leistungsbezug ausschließlich und unmittelbar für Zwecke einer Entnahme berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Die unentgeltliche Anschlussverwendung ist dann nicht nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG steuerbar .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14. Juli 2016 5 K 826/15 U aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I.
Alleinige Gesellschafterin der K-GmbH (GmbH) war im Streitjahr Frau L. Ihr Ehemann Herr SL war alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
SL hatte als Einzelunternehmer und Pächter mit einem Reitverein am 18. April 2011 einen Vertrag über die Anpachtung von Dachflächen für den Betrieb einer Photovoltaikanlage bis zum 31. Dezember 2031 geschlossen. SL hatte sich dabei zur Erbringung diverser Leistungen (Verlegung von Zuleitungen, Dacheindeckung, neue Trafostation) verpflichtet. Einige mit diesen Baumaßnahmen zusammenhängende Rechnungen (netto 111.375,97 € zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 21.161,44 €) wurden dabei über die GmbH "verbucht", ohne über SL "weiterverbucht" worden zu sein.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus und erhöhte durch geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 vom 12. Oktober 2015 die Umsatzsteuer in Höhe der Rechnungsbeträge, da ein Umsatz nach § 3 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliege.
Die GmbH erteilte SL am 21. Oktober 2013 drei Rechnungen über insgesamt (netto) 111.375,97 € zzgl. 21.161,44 € Umsatzsteuer für Aufwendungen, die sie im Jahr 2011 für sein Einzelunternehmen getragen habe. Das FA ging davon aus, dass die steuerliche Beurteilung des im Jahr 2011 stattgefundenen Vorgangs nicht mehr durch nachträgliche Rechnungserteilung geändert werden könne. Die in den Rechnungen vom 21. Oktober 2013 ausgewiesene Umsatzsteuer werde deshalb nach § 14c UStG geschuldet.
Das FA erließ daher am 17. Februar 2014 einen geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Oktober 2013, in dem es die Umsatzsteuer um 21.161,44 € erhöhte. Hiergegen wendete sich die GmbH erfolglos mit einem Einspruch unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 2009 V R 41/08 (BFHE 227, 521, BFH/NV 2010, 562).
Demgegenüber hatte die Klage zum Finanzgericht (FG) Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 72 veröffentlichten Urteil kann zu einer in 2011 unentgeltlich erbrachten Leistung nachträglich in 2013 zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ein zu einem Leistungsaustausch führendes Rechtsverhältnis durch eine wirksame nachträgliche Entgeltabrede begründet werden. Es entstehe keine Steuerschuld aus den in 2013 erteilten Rechnungen nach § 14c UStG, da die Steuer aufgrund der wirksamen nachträglichen Entgeltvereinbarung zu Recht ausgewiesen worden sei.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Eine nachträgliche Entgeltabrede könne nur innerhalb eines üblichen Zeitraums erfolgen. Hieran fehle es im Streitfall, da die Zahlung erst nach zwei Jahren erfolgt sei. Das FG sei der Frage nach der Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarungen nicht nachgegangen. Es bestehe auch eine Gefährdung des Steueraufkommens im Hinblick auf einen Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger.
Über das Vermögen der GmbH ist im Oktober 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat die Aufnahme des Verfahrens erklärt.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die GmbH habe Leistungen beauftragt und sei Empfänger der Leistungen gewesen. Die GmbH habe den Werkvertrag über die Erstellung der Photovoltaikanlage geschlossen. Die hier streitigen Leistungsbezüge des Jahres 2011 seien Teil eines Gesamtwerks gewesen, bei dem die früheren Leistungsteile Gegenstand einer entgeltlichen Leistungserbringung durch die GmbH an SL gewesen seien. So hätte auch für die hier streitigen Leistungsbezüge verfahren werden sollen, was aber aus von der GmbH nicht zu vertretenden Gründen unterblieben sei.
II.
Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Hat die GmbH Leistungen im Jahr 2011 bezogen, um sie SL unentgeltlich zuzuwenden, liegt entgegen dem Urteil des FG für 2011 keine steuerbare unentgeltliche Leistung vor, für die in 2013 eine nachträgliche Entgeltabrede getroffen werden kann. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif, da das FG nicht geprüft hat, ob die GmbH die von ihr bezogenen Leistungen zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistungstätigkeit gegenüber SL machen wollte.
1. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
Entgegen dem Urteil des FG liegt keine nachträgliche Entgeltabrede zu einer zunächst unentgeltlich steuerbar erbrachten Leistung vor. Hat die GmbH Leistungen bezogen, um sie SL unentgeltlich zuzuwenden, liegt ein Leistungsbezug ausschließlich und unmittelbar für Zwecke einer Entnahme vor. Derartige Leistungsbezüge berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Dabei ist nicht nach den Entnahmetatbeständen des § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu differenzieren (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Leitsatz 1 zu § 3 Abs. 1b UStG, und BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Leitsatz 1 zu § 3 Abs. 9a UStG). Scheitert der Vorsteuerabzug in dieser Weise, ist die nachfolgende Verwendung für den Entnahmezweck kein Umsatz, der den Steuertatbestand der Entnahme nach § 3 Abs. 1b UStG oder § 3 Abs. 9a Nr. 1 oder 2 UStG verwirklicht (Wäger, Deutsches Steuerrecht, 2011, 433, unter 3.1.1 und 3.2.3). Somit fehlt es an einer steuerbaren unentgeltlichen Leistung, die nachträglich i.S. des BFH-Urteils in BFHE 227, 521, BFH/NV 2010, 562 zum Gegenstand eines Leistungsaustausches gemacht werden könnte.
2. Die Sache ist aber nicht spruchreif. Es sind weitere Feststellungen zu den Umständen zu treffen, unter denen die GmbH im Jahr 2011 für SL tätig wurde. Sollte es zutreffen, dass die hier streitigen Leistungsbezüge Teil eines Gesamtwerks waren, bei dem die früheren Leistungsteile der GmbH von dieser zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistungserbringung an SL gemacht wurden und dass dies so auch für die hier streitigen Leistungsbezüge der GmbH vorgesehen war, hätte die GmbH auch insoweit eine entgeltliche Leistungserbringung beabsichtigt. Es bliebe dann bei der hierfür bereits für das Jahr 2011 vorgenommenen Besteuerung, so dass sich die in 2013 erteilten Rechnungen auf --von vornherein beabsichtigte-- entgeltliche Leistungen bezogen hätten und für das Streitjahr keine Steuerschuld nach § 14c UStG begründen.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.