Entscheidungsdatum: 10.08.2017
1. Übergibt ein Landwirt dem Betreiber einer Biogasanlage aufgrund einer zwischen beiden geschlossenen Vereinbarung Biomasse, die im Eigentum des Landwirts verbleibt und lediglich zur Gewinnung von Biogas genutzt wird, so erfüllt die Rückgabe der verbleibenden Pflanzenreste an den Landwirt mangels einer Zuwendung nicht die Voraussetzungen einer Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
2. Steht von vornherein fest, dass der Abnehmer einen Teil der übergebenen Biomasse wieder zurückgeben muss, beschränkt sich der wesentliche wirtschaftliche Zweck der Lieferung auf das dem Abnehmer nach dem Inhalt der Leistungsvereinbarungen verbleibende Biogas.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 2015 3 K 1070/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Rückführung von Biomassesubstanz nach einer Biogasherstellung eine als Lieferung gegen Entgelt gleichgestellte unentgeltliche Zuwendung ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der Firma H-KG und setzt als solche den Betrieb der Biogasanlage fort. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin ging durch Gründung zum 1. September 2008 aus dem bestehenden Einzelunternehmen des Kommanditisten K.H. hervor. Die Biomasse zur Biogaserzeugung erwirbt die Klägerin von der H-GbR, welche die Biomasse wiederum zuvor von der K. H. Landwirtschaft (KHL) bezog. Die bei der Produktion des Biogases anfallenden Gärreste wurden an die KHL zurückgegeben. Grundlage war die "Vereinbarung über die Lieferung von Energie in Biomasse" zwischen der KHL, der H-GbR sowie der H-KG vom 28. August 2008.
Nach dieser Vereinbarung waren "die Vertragsparteien ... sich einig, dass die Lieferung seitens der KHL nur eine Gehaltslieferung darstellt. Das heißt konkret, dass die Biomassesubstanz im Eigentum der KHL verbleibt und die Lieferung ausschließlich in Form von Kohlenwasserstoffverbindungen zwecks energetischer Nutzung die H-KG betrifft. Die Biomassesubstanz kommt nach energetischer Verwertung zur KHL zurück".
Im Frühjahr 2011 fand bei der H-KG eine Außenprüfung statt. Dabei war die Prüferin der Auffassung, dass die H-KG die bei der Biogaserzeugung anfallenden Gärreste (Biomassesubstanz) der KHL unentgeltlich überlassen habe und deshalb als Zuwendungen zu versteuern seien. Im Verhältnis H-KG zur H-GbR liege keine Gehaltslieferung nach § 3 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2008 und 2009 (Streitjahre) mit Bescheiden vom 31. August 2011. Dabei setzte es für die mit den Gärresten ausgeführten Umsätze im Jahr 2008 einen Betrag in Höhe von 10.164 € und im Jahr 2009 einen Betrag von 31.962 € an. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 324 veröffentlichten Urteil statt. Nur die in Biogas durch Fermentation umgewandelten Inhaltsstoffe der Pflanzensubstrate seien Gegenstand der Lieferung gewesen, da die nichtgenutzten Gärreste an die KHL zurückgegeben worden seien. Dies sei auch von vornherein ohne gesondertes Entgelt verbindlich vereinbart worden.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das FG habe bei seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn maßgeblich für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage sei neben der schriftlichen Vereinbarung auch der Inhalt der vorgelegten Rechnungen --u.a. vom 31. Dezember 2008--, wonach es sich um eine "Lieferung von Biomasse" handele und nicht um die "Lieferung von Energie in Biomasse", worauf sich der Vertrag vom 28. August 2008 beziehe. Diese schriftliche Vereinbarung entspreche auch nicht den üblichen inhaltlichen Vorgaben in "Musterverträgen" zur Herstellung von Biogas bei von vornherein vereinbarter Rückführung der Biomasse an den Landwirt. Überdies habe das FG zu Unrecht angenommen, dass das später gewonnene Methangas bereits in den gelieferten Pflanzensubstraten enthalten gewesen sei. Vielmehr sei es erst später infolge von Gärungsprozessen entstanden, so dass es nicht körperlicher Bestandteil des Liefergegenstandes gewesen sei, wie dies die Regelung in § 3 Abs. 5 UStG voraussetze.
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht die Rückführung der Biomassesubstanz nach Herstellung des Biogases an die KHL nicht der Besteuerung unterworfen.
1. Die Rückgabe der Gärreste an die KHL erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG (Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) wird unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt.
a) Im Streitfall fehlt es schon an einer Zuwendung der Biomassesubstanz. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung vom 28. August 2008 hat die H-KG der KHL keinen Vermögensvorteil verschafft, indem sie ihr die Gärreste nach Abschluss der Biogasproduktion überließ. Die Biomassesubstanz sollte von vornherein im Eigentum der KHL verbleiben. Die H-KG durfte sie zur Energieerzeugung lediglich nutzen und musste sie nach der energetischen Verwertung der KHL zurückgeben.
b) Nichts anderes ergibt sich aus § 3 Abs. 5 UStG. Danach beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben, wenn ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben hat. Umgekehrt folgt daraus: Die Rückgabe der Abfälle oder Nebenerzeugnisse (hier die Gärreste oder die Biomasse) führt weder zu einer Zuwendung noch zu einer Lieferung.
Das gilt auch dann, wenn man bei der Auslegung dieser, so im Unionsrecht nicht ausdrücklich vorgesehenen Vorschrift, den Liefergegenstand im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach dem wirtschaftlichen Zweck bestimmt (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union Faaborg-Gelting-Linien A/S vom 2. Mai 1996 C-231/94, EU:C:1996:184, Rz 12, und Graphic Procede vom 11. Februar 2010 C-88/09, EU:C:2010:76, Rz 20 ff.). Steht von vornherein fest, dass der Abnehmer einen Teil der übergebenen Biomasse wieder zurückgeben muss, beschränkt sich der wesentliche wirtschaftliche Zweck der Lieferung auf den dem Abnehmer nach Inhalt der Leistungsvereinbarungen verbleibenden Teil, hier auf den Gehalt oder den Extrakt, also auf das Biogas (Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL) selbst (vgl. zutreffend Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 442).
c) Diesen Maßstäben genügt die Vorentscheidung. Das FG hat im Streitfall zutreffend hervorgehoben, dass nach der tatsächlich durchgeführten Vereinbarung der Beteiligten vom 28. August 2008 entsprechend den bei der Herstellung von Biogas in der Landwirtschaft regelmäßig stattfindenden Geschehensabläufen die Substanz der Biomasse im Anschluss an die Verwendung zur Herstellung von Gas von vornherein nicht Gegenstand der Lieferung sein sollte. Gegenstand der Lieferung seien nur die in Biogas durch Fermentation umgewandelten Inhaltsstoffe als Bestandteile der Pflanzensubstrate gewesen, da die nichtgenutzten Gärreste als Nebenerzeugnisse an die KHL zurückgegeben worden seien.
d) Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, eine Gehaltslieferung sei nicht gegeben, weil keine "Nämlichkeit" im Sinne bloßer Trennbarkeit der Inhaltsstoffe, wie etwa bei der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben gegeben sei (so die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Verfügung vom 15. Januar 2013 S 741 USt-Kartei BW § 24 Abs. 1 UStG Karte 5). Denn auch das Biogas wird --worauf es entscheidend ankommt-- aus den Pflanzensubstraten selbst gewonnen.
2. Das angefochtene Urteil ist nicht wegen Verfahrensfehlern aufzuheben. Der vom FA hervorgehobene Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das FG hat den dem Streitfall zugrunde liegenden entscheidungserheblichen Sachverhalt entsprechend den Vorgaben des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO vollständig berücksichtigt; es hat ihn lediglich anders als das FA rechtlich gewürdigt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.