Entscheidungsdatum: 11.08.2011
Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gemäß § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden (Abgrenzung zu Abschn. 31a Abs. 8 Satz 2 UStR 2005/Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE) .
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit Kraftfahrzeugen. Im Streitjahr 2006 veräußerte sie einen Personenkraftwagen (PKW) an das in Spanien ansässige Unternehmen K-S.L. (K), eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts. Dem lagen eine per Telefax übermittelte Bestellung der K vom 20. Dezember 2006, eine Bestätigung des Bundeszentralamts für Steuern vom gleichen Tag über die Gültigkeit einer der K erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) und zur Übereinstimmung der Angaben zu Name, Ort, Postleitzahl und Straße zugrunde, sowie eine von der Klägerin an K adressierte Rechnung vom 21. Dezember 2006 ohne Ausweis von Umsatzsteuer, aber mit dem Hinweis auf das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung. Das Fahrzeug wurde von einem französischen Fahrer, Y, im Inland abgeholt. Y übergab der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung über den Empfang des Fahrzeugs und die Beförderung nach Spanien sowie eine schriftliche Abholvollmacht, die K auf Y ausgestellt hatte. Die Klägerin fertigte eine Kopie des Personalausweises des Fahrers an, aus der sich auch dessen Wohnort ergab.
Die Klägerin ging in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 von einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stimmte der Jahreserklärung, die zu einer Steuervergütung an die Klägerin führte, nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zu.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau ging das FA aufgrund einer Auskunft der spanischen Finanzverwaltung davon aus, dass die Lieferung des PKW steuerpflichtig sei. Nach Mitteilung der spanischen Finanzverwaltung sei der Transport des Fahrzeugs tatsächlich nicht von K, sondern von deren in Frankreich ansässigen Kunden (X) veranlasst worden. Der PKW sei direkt nach Frankreich verbracht worden. Das FA erließ einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 2006, da die Lieferung der Klägerin an K nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche, sondern als steuerpflichtige "ruhende" Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts anzusehen sei. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 913 veröffentlichten Urteil gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Zwar erfülle die Lieferung des PKW an K nicht die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 6a Abs. 1 UStG, da die Abholung des Fahrzeugs vom Abnehmer der K und nicht von dieser selbst oder der Klägerin veranlasst worden sei. Die Klägerin könne sich jedoch auf Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG berufen. Denn sie habe die ihr gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a, 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2005 (UStDV) obliegenden Nachweispflichten erfüllt und keine Veranlassung gehabt, an der Richtigkeit der vom Fahrer vorgelegten Belegangaben zu zweifeln, nach denen sie von seinem Handeln für K habe ausgehen dürfen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Objektiv habe es sich um ein Reihengeschäft i.S. von § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG gehandelt. Da der französische Abnehmer X als letzter Unternehmer in der Reihe die Beförderung des PKWs beauftragt habe, sei die Warenbewegung nur der Lieferung der K an diesen zuzuordnen, so dass die innergemeinschaftliche Lieferung in diesem Verhältnis erfolgt sei. Daher sei § 6a Abs. 4 UStG nicht anwendbar. Die Prüfung der Ortsvorschrift führe zu einer im Inland steuerbaren ruhenden Lieferung gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG. Dies schließe die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen aus. Eine andere Beurteilung würde den Anwendungsbereich des § 6a Abs. 4 UStG unzulässig ausweiten, da die Vorschrift nicht das Vertrauen in den Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG schütze. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in den zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtssachen Teleos (Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Slg. 2007, I-7797) und Netto Supermarkt (Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06, Slg. 2008, I-771) Vertrauensschutz gewährt habe, seien diese Entscheidungen auf den Streitfall nicht übertragbar, da es dort nicht um Reihengeschäfte gegangen sei. Im Übrigen habe die Klägerin nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Anwendung der Steuerfreiheit sicherzustellen, da sie keine Informationen über ihre Lieferung an K eingeholt und keine Nachforschungen dazu angestellt habe, aus welchen Gründen ein Franzose als Abholer tätig gewesen sei. Die Lieferung sei auch nicht nach § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei. Wie das Alternativbeispiel eines Reihengeschäfts mit vier Beteiligten zeige, müsse darauf abgestellt werden, wer den Transport des Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet tatsächlich veranlasst habe. Weder die Klägerin noch der Abnehmer K hätten aber den Transport veranlasst, zumal die Erklärung zur Abholung inhaltlich unzutreffend gewesen sei. Es sei nachgewiesen, dass K zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt habe, den Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern oder zu versenden, da K bereits bekannt gewesen sei, dass der Transport durch einen Beauftragten des letzten Abnehmers erfolgen würde. Der Gegenstand sei auch nicht in den Mitgliedstaat gelangt, der die von K verwendete USt-Id-Nr. erteilt habe.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Lieferung sei gemäß § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei, da sie sämtliche Nachweispflichten erfüllt habe. Aus den ihr vorgelegten Urkunden habe sich insbesondere ergeben, dass das Fahrzeug im Auftrag der K abgeholt worden sei; warum sie hätte misstrauisch werden müssen, wenn ein Franzose für ein spanisches Unternehmen im französisch-spanischen Grenzgebiet tätig werde, erschließe sich ihr nicht.
II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt, die aber entgegen dem FG-Urteil bereits nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG steuerfrei ist, so dass es auf die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht ankommt.
1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG insbesondere voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.
Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".
2. Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versendete Gegenstand im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts geliefert, ist für die Zuordnung von Beförderung oder Versendung als Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß § 6a UStG Folgendes zu berücksichtigen:
a) Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. In Übereinstimmung damit kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, wobei die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 342, Leitsatz 1).
b) Der Ort der Lieferung, der zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen kann, befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, und Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; vgl. EuGH-Urteil EMAG Handel Eder in Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 2).
c) Für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung nicht zuzuordnen ist, gilt § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG: Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung vorangehen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung folgen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet. In Übereinstimmung damit gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt (vgl. EuGH-Urteil EMAG Handel Eder in Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 2).
d) Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es insoweit auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-Id-Nr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, BFH/NV 2011, 397 Rdnrn. 34 f.). Liegen diese Voraussetzungen vor, die zu einer Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG führen, steht es einer Zuordnung von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb zur ersten Lieferung nicht entgegen, dass ein Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt ist (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 41) und dass die Beförderung nicht zum Unternehmen des Ersterwerbers erfolgt (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 42).
Anders ist es, wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36). Beförderung oder Versendung sind dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist. Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG).
Soweit sich aus Abschn. 31a Abs. 8 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 und in Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ergeben sollte, dass die erste Lieferung im Reihengeschäft allein aufgrund der Einbeziehung des zweiten Abnehmers in die Beförderung nicht steuerfrei sein kann, wäre dies mit dem EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 41 nicht vereinbar (vgl. auch Meurer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 199, und allgemein Wäger, UR 2001, 1 ff., 9).
3. Im Streitfall ist die Lieferung der Klägerin nach § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, da der Abnehmer der Klägerin den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet versandt hat.
Aufgrund der von K dem Y erteilten Vollmacht zur Abholung ist von einer Versendung durch K auszugehen, so dass entsprechend § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG eine Versendung durch den Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferung vorliegt, und die Klägerin für diese Lieferung die Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift in Anspruch nehmen kann.
a) Es liegen mehrere Lieferungen über einen Gegenstand vor, da das Fahrzeug von der Klägerin an K sowie von K an deren französischen Abnehmer geliefert wurde. Da K als erster Abnehmer gegenüber der Klägerin erklärt hat, sie werde den Gegenstand der Lieferung nach Spanien und damit in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat befördern oder versenden, K unter ihrer spanischen USt-Id-Nr. handelte, und ein von K Beauftragter den Gegenstand zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet abholte, war die Lieferung der Klägerin an K die Versendungslieferung und damit die innergemeinschaftliche Lieferung. Ob K ihrerseits im Verhältnis zu ihrem französischen Abnehmer die Kosten für die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet trug, ist im Hinblick auf die von K für den Abholer Y erteilte Vollmacht unerheblich. Darüber hinaus war der Klägerin der Weiterverkauf durch K an einen französischen Abnehmer nicht bekannt, so dass eine Zuordnung der Versendung zur zweiten Lieferung der K an den französischen Abnehmer nicht in Betracht kommt. Dass eigene Angestellte der K bei der Abholung nicht anwesend waren, steht der Zuordnung zur ersten Lieferung im Hinblick auf die durch K dem Abholenden erteilte Abholvollmacht schließlich gleichfalls nicht entgegen.
b) Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin nicht der erste Lieferer in der Reihe ist, da auch sie das Fahrzeug vom Hersteller oder sonst aufgrund einer Lieferung erworben hat und das Fahrzeug von Y beim Lieferer der Klägerin abgeholt wurde. Denn erst K hat gegenüber der Klägerin unter Verwendung ihrer USt-Id-Nr. erklärt, sie werde den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern oder versenden. Nach den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen kann nur der Klägerin die innergemeinschaftliche Lieferung zugeordnet werden.
c) Die Einwendungen des FA hiergegen greifen nicht durch. Insbesondere rechtfertigt der vom FA gebildete Beispielsfall (Reihengeschäft mit vier Beteiligten --A, B, C und D--, bei dem sich B gegenüber A unter Verwendung einer französischen USt-Id-Nr. zur Beförderung nach Frankreich verpflichtet, die Ware aber unter einer deutschen USt-Id-Nr. an C verkauft, der sie seinerseits an den unter französischer USt-Id-Nr. handelnden D verkauft, der die Ware dann bei A abholt und nach Frankreich befördert) keine andere Beurteilung. Denn entweder holt D die Ware als Bevollmächtigter des B aufgrund einer in der Kette weitergegebenen Verpflichtung zur Beförderung nach Frankreich bei A ab, so dass die Beförderung der ersten Lieferung zuzurechnen ist (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 41) oder aber hat B den Erstlieferer A über den Weiterverkauf an C (zu dessen freien Verfügung) informiert, so dass nicht für die erste Lieferung des A, sondern für die dritte Lieferung des C an D die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch genommen werden kann (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36).
4. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG liegen vor.
a) Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit der Art nach vollständig erbracht. Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin, obwohl eine Versendungslieferung vorliegt, den Nachweis der Versendung nicht durch einen Versendungsbeleg nach § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV erbracht hat; denn nach § 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV kann der Unternehmer, wenn ihm dies nicht möglich ist --z.B. weil er nicht erkennen kann, dass der Abholer kein unselbständiger Beauftragter des Abnehmers ist-- den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung auch nach § 17a Abs. 2 UStDV erbringen --wie im Streitfall u.a. durch die Versicherung des Beauftragten des Abnehmers, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb)--.
An der Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben bestehen mit Ausnahme des --tatsächlichen-- Bestimmungsorts der Lieferung keine begründeten Zweifel. Dass das von der Klägerin gelieferte Fahrzeug nicht entsprechend den Belegangaben nach Spanien, sondern nach Frankreich versendet wurde, steht im Streitfall der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Denn auch der tatsächliche Bestimmungsort befindet sich nach den Feststellungen des FG im übrigen Gemeinschaftsgebiet, so dass die Angabe eines unzutreffenden Bestimmungsorts dem "sicheren Nachweis" der materiellen Voraussetzungen nicht entgegensteht (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31).
b) Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin "die Identität der wahren Erwerber verschleiert hat, um diesen zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, "R", DStR 2010, 2572, Leitsatz).
5. Auf die Frage, ob sich die Steuerfreiheit aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ergibt, kam es zwar nicht mehr an. Es erscheint jedoch --selbst wenn die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vorlägen-- entgegen der Auffassung des FA unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 nicht möglich, sog. ruhende Lieferungen von der Gewährung des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG auszunehmen.