Entscheidungsdatum: 01.03.2018
Die organschaftliche Zusammenfassung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bewirkt bei Anwendung des § 25 UStG, dass es sich nur bei den von Organgesellschaften mit eigenen Betriebsmitteln erbrachten Leistungen um Eigenleistungen handelt, während die durch Organgesellschaften von Dritten bezogenen Leistungen Reisevorleistungen sind, die in die Margenbesteuerung einzubeziehen sind.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 27. April 2017 6 K 1668/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Organträger mehrerer Organgesellschaften. Zu diesen gehörten die A-GmbH und die Z-GmbH. Die A-GmbH erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2005 Reiseleistungen, auf die die Klägerin die Margenbesteuerung nach § 25 UStG anwendete. Dabei handelte es sich insbesondere um Reiseleistungen mit Flugbeförderungen zu ausländischen Zielorten.
Die Flugbeförderungen erwarb die A-GmbH zivilrechtlich von der Z-GmbH. Diese führte die Flugbeförderungen aus dem In- in das Ausland und zurück (Auslandsflüge) mit eigenen Personal- und Sachmitteln aus, schaltete aber in die Erbringung der inländischen Transfer- und Zubringerflüge (Inlandsflüge) andere Luftfahrtunternehmen ein.
Die Klägerin ging davon aus, dass bei der Margenbesteuerung die gesamte Flugbeförderung nicht zu berücksichtigen sei, da es sich insgesamt um Eigenleistungen des Organkreises gehandelt habe.
Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass es sich bei den von der Z-GmbH zugekauften Transfer- und Zubringerflügen um Reisevorleistungen gehandelt habe. Dies führte zu einer Minderung der von der Klägerin erklärten Eigenleistungen und zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Marge. Das FA änderte die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre entsprechend.
Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des FG bleiben unter Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs (BFH) nur die von der Klägerin und ihren Organgesellschaften mit eigenen Personal- und Sachmitteln ausgeführten Leistungen als Eigenleistungen bei der Margenbesteuerung unberücksichtigt. Dabei komme es nicht auf die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen an. Daher lägen auch insoweit Reisevorleistungen vor, als der Organkreis Transfer- und Zubringerflüge von Dritten erworben habe. Diese Dritten hätten gegenüber der Z-GmbH und damit gegenüber dem Organkreis auch nicht lediglich Flugtransportkapazitäten bereitgestellt, sondern Flugbeförderungsleistungen erbracht.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie sei als Organträgerin nicht der Reiseveranstalter. Die A-GmbH sei in den Streitjahren gegenüber den Reisenden im eigenen Namen aufgetreten. Die Organschaft führe nicht zu einer Umqualifizierung der Leistungsbeziehungen, sondern beschränke sich auf eine Änderung der Steuerschuldnerschaft hinsichtlich der von der Organgesellschaft erbrachten Leistungen. Es liege auch keine Unternehmenseinheit vor. Die Auffassung des FG verstoße gegen die Wettbewerbsneutralität. Zudem seien die inländischen Transfer- und Zubringerflüge keine selbständigen Reisevorleistungen. Insoweit lägen Neben- zu Hauptleistungen vor. Schließlich sei insoweit auch § 26 Abs. 3 UStG anwendbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 7. Dezember 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2003 um 126.410,14 €, die Umsatzsteuer 2004 um 138.988,63 € und die Umsatzsteuer 2005 um 148.387,75 € niedriger festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Organschaft bewirke eine Zusammenfassung zu einem Unternehmen. Umsatzsteuerrechtlich habe daher die Klägerin, nicht aber die A-GmbH die Reiseleistungen erbracht. Die inländischen Transfer- und Zubringerflüge seien Reisevorleistungen. Die von der Z-GmbH beauftragten Luftverkehrsunternehmen hätten Personenbeförderungsleistungen erbracht.
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie das FG zutreffend entschieden hat, war die Klägerin bei der Margenbesteuerung nach § 25 UStG nicht berechtigt, als Reisevorleistungen die Flugbeförderungsleistungen außer Betracht zu lassen, die ihre Organgesellschaft bei den Inlandsflügen von Dritten bezogen hat.
1. § 25 Abs. 3 UStG ordnet zur Margenbesteuerung an, dass sich die sonstige Leistung bemisst nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage. Der Unternehmer kann die Bemessungsgrundlage statt für jede einzelne Leistung entweder für Gruppen von Leistungen oder für die gesamten innerhalb des Besteuerungszeitraums erbrachten Leistungen ermitteln.
Unionsrechtliche Grundlage war hierfür in den Streitjahren Art. 26 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Als Besteuerungsgrundlage und als Preis ohne Steuer i.S. des Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG galt danach die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugutekommen.
2. Danach hat die Klägerin in die Margenbesteuerung auch die Leistungen einzubeziehen, die ihre Organgesellschaften von Dritten bezogen haben. Durch die Weitergabe dieser Leistungen als innerorganschaftlicher Innenumsatz werden diese Fremdleistungsbezüge nicht zu Eigenleistungen im Rahmen der Margenbesteuerung.
a) Die Organschaft beeinflusst die umsatzsteuerrechtliche Einordnung von Leistungen und ist auch bei § 25 UStG zu beachten.
aa) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Unionsrechtlich beruhte dies in den Streitjahren auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Das Bestehen der Organschaft dem Grunde nach ist vorliegend zwischen den Beteiligten unstreitig.
bb) Die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG angeordnete Unselbständigkeit der Organgesellschaft führt dazu, dass deren Tätigkeit dem Organträger zuzurechnen ist. Bestätigt wird dies durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG. Danach beschränken sich die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises, die als ein Unternehmen zu behandeln sind. Auch wenn § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG Innenleistungen ausdrücklich benennt, folgt daraus nicht, dass die Organschaft im Verhältnis zu Dritten ohne Bedeutung ist. Denn der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG ebenso ausdrücklich angeordneten Behandlung der inländischen Unternehmensteile kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH Vorrang zu (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d).
Die Organschaft bewirkt zudem nicht nur eine Zurechnung von Umsätzen, sondern beeinflusst auch die Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer. So kommt es z.B. für den Vorsteuerabzug des Organträgers auf die Verhältnisse des gesamten Organkreises an. Bezieht der Organträger eine Leistung, die er an eine Organgesellschaft weitergibt, bestimmt sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung der Leistung bei der Organgesellschaft. Darüber hinaus beeinflusst die Behandlung als ein Unternehmen auch die steuerrechtliche Qualifikation der durch den Organkreis erbrachten Umsätze. Liefert der Organträger z.B. ein Grundstück, das durch die Organgesellschaft bebaut wird, führt die Behandlung als ein Unternehmen zu einer einheitlichen Leistung (BFH-Urteil in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d). Ebenso kommt es bei der Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger nicht zu einer Geschäftsveräußerung, da der Organträger umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungstätigkeit fortsetzt, sondern das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens selbst nutzt (BFH-Urteile vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, Leitsatz 3, und vom 10. August 2017 V R 64/16, BFHE 259, 166, unter II.2.b). Auch im Anwendungsbereich von § 24 UStG führt die organschaftliche Zusammenfassung von Organträger und Organgesellschaft dazu, dass Umsätze im Sinne dieser Vorschrift selbst dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Erzeugertätigkeit und die Lieferung der so erzeugten Gegenstände durch unterschiedliche Unternehmen des Organkreises ausgeführt werden (BFH-Urteil in BFHE 259, 166, unter II.2.c).
b) Dementsprechend bewirkt die organschaftliche Zusammenfassung im Streitfall entgegen der Auffassung der Klägerin bei Anwendung des § 25 UStG, dass es sich nur bei den von Organgesellschaften mit eigenen Betriebsmitteln erbrachten Leistungen um Eigenleistungen handelt, während es sich bei den durch Organgesellschaften von Dritten bezogenen Leistungen um Reisevorleistungen handelt, die in die Margenbesteuerung einzubeziehen sind. Durch die innerorganschaftliche Weitergabe dieser Fremdleistungen kommt es nicht zu einer Umqualifizierung von Reisevorleistung in Eigenleistung. Dies gilt auch für die Fremdleistungen, die die Z-GmbH von Dritten bezogen und innerorganschaftlich an die A-GmbH weitergegeben hat.
Wäre demgegenüber die Auffassung der Klägerin zutreffend, müsste sie in die Margenermittlung bei zivilrechtlicher Betrachtungsweise auch die von der Z-GmbH innerorganschaftlich "eingekaufte" Flugbeförderung einbeziehen, soweit keine Steuerfreiheit nach § 25 Abs. 2 UStG besteht.
3. Bei den von Dritten bezogenen Zubringerflügen handelte es sich auch auf der Grundlage der für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) um personenbezogene Reisevorleistungen, die der Erbringung einer einheitlichen Gesamtleistung vom ersten inländischen Abflugort bis zum ausländischen Zielort und zurück dienten. Auf die Überlegungen der Klägerin zu sog. Gestellungsverträgen (Gestellung von Flugkapazität) kommt es dabei nicht an.
Darüber hinaus ist das FG im Hinblick auf die durch § 25 Abs. 1 Satz 3 UStG angeordnete Einheitlichkeit der Leistung auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Auslandsflug nicht als Hauptleistung anzusehen ist, zu der der Inlandsflug als Nebenleistung hinzutritt. Unionsrechtlich ergibt sich dies aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es im Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung in § 25 Abs. 1 Satz 3 UStG und Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG auf weitergehende Überlegungen zu Haupt- und Nebenleistung nicht an. Zudem berücksichtigt die Klägerin nicht hinreichend, dass sich die Frage der Empfängersicht auf die von ihr durch den Organkreis erbrachte Ausgangsleistung gegenüber den Reisenden bezieht, nicht aber auf die hier maßgebliche Frage, ob diese Ausgangsleistung mit Betriebsmitteln des Organkreises oder durch den Bezug von Fremdleistungen erbracht wird. Die Abgrenzung zwischen Eigenleistung einerseits und in die Margenbesteuerung einzubeziehender Reisevorleistung andererseits vollzieht sich daher nicht aus Sicht der Reisenden, sondern nach den tatsächlichen Umständen der Leistungserbringung.
Schließlich kommt die Anwendung der Billigkeitsregelung nach § 26 Abs. 3 UStG im Festsetzungsverfahren nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 14/13, BFHE 245, 272, BStBl II 2014, 869, Rz 29).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.