Entscheidungsdatum: 22.07.2010
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten ermächtigt, für die Aufteilung der Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt-genutzten Gebäudes vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben?
I. Sachverhalt Die Beteiligten streiten darum, ob die Vorsteuern auf Eingangsleistungen zur Herstellung eines gemischt-genutzten Gebäudes im Streitjahr (2004) nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze aufgeteilt werden konnten.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete in den Jahren 2003 und 2004 ein Wohn- und Geschäftshaus, das sie nach Fertigstellung (Ende 2004) teils steuerpflichtig, teils steuerfrei vermietete. Von den im Streitjahr angefallenen und den Gebäudeteilen nicht direkt zugerechneten Vorsteuern machte die Klägerin 54,07 % (aus 446.610,27 €) in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung des Streitjahres geltend. Diesen Prozentsatz ermittelte sie auf der Grundlage der im Jahr 2003 kalkulierten Umsätze aus der Vermietung von Wohnungen zu privaten Wohnzwecken (152.000 €) und der Vermietung von Geschäftsräumen (179.000 €).
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, nach § 15 Abs. 4 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) seien die Vorsteuern ab dem 1. Januar 2004 nach einem Flächenmaßstab aufzuteilen. Bei einem Flächenanteil der steuerpflichtig vermieteten Geschäftsräume von 34,4% führe dies zu einer Kürzung der geltend gemachten Vorsteuern. Außerdem habe der Übergang vom Umsatzschlüssel zum Flächenschlüssel ab dem 1. Januar 2004 eine Änderung der Verhältnisse und damit eine Berichtigung der Vorsteuern nach § 15a UStG zur Folge. Gegen den auf dieser Grundlage ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 9. Juni 2004 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.
Die Klage hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 1790 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Klägerin nach der nationalen Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht mehr befugt gewesen sei, ihre Vorsteuern im Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen aufzuteilen, weil die Aufteilung der Vorsteuern nach dem Flächenschlüssel zwar auf einem wirtschaftlich vertretbaren Aufteilungsmaßstab beruhe. Diese Regelung verstoße aber gegen das Gemeinschaftsrecht, das den Umsatzschlüssel als Regel-Aufteilungsmaßstab vorsehe. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) eröffne dem nationalen Gesetzgeber nicht die Möglichkeit, vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel festzulegen. Diese Bestimmung regele lediglich die vorrangige Direktzuordnung der Eingangsleistungen zu steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsleistungen. Für den verbleibenden Rest an Vorsteuern gelte die Grundregel der Unterabs. 1 und 2 des Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, die eine Aufteilung anhand des Umsatzschlüssels vorsehe.
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG und bringt zur Begründung im Wesentlichen vor: Diese Norm beruhe auf Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, wobei der in der deutschen Sprachfassung verwendete Begriff "Zuordnung" im Sinne von "Gebrauch" oder "Verwendung" zu verstehen sei. Die Auslegung des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG durch das FG stimme nicht mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Vorsteuerabzug bei der Anschaffung oder Herstellung gemischt-genutzter Gebäude überein. Wenn die gesamten Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung oder Herstellung eines solchen Gebäudes nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen seien (BFH-Urteile vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417; vom 22. November 2007 V R 43/06, BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770), verbleibe kein Raum mehr für eine Direktzuordnung, die nach dem Verständnis des FG durch Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG ermöglicht werde.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Leitsatz genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.
III. Die maßgeblichen Vorschriften
1. Nationales Recht
Für die Beurteilung des Streitfalls sind die folgenden Vorschriften des UStG maßgebend:
a) § 1 Steuerbare Umsätze
"(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. ..."
b) § 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen
"Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ...
12. Buchst. a) die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, ..."
c) § 9 Verzicht auf Steuerbefreiungen
"(1) Der Unternehmer kann einen Umsatz, der nach § 4 Nr. ... 12 ... steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. ..."
"(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
...
(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:
1. steuerfreie Umsätze; ...
(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist."
2. Unionsrecht
Unionsrechtlich sind die folgenden Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG von Bedeutung:
a) Art. 2 Steueranwendungsbereich
"Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt; ..."
b) Art. 17 Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug
"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: ...
...
(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.
Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
Jedoch können die Mitgliedstaaten
a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;
b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;
c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;
d) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;
e) vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist."
c) Art. 19 Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs
"(1) Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:
- im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer
- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.
Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet."
IV. Rechtliche Beurteilung des Streitfalls
1. Nationales Recht
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen vom Vorsteuerabzug ist die Steuer für die Lieferung von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Der Senat legt diese Bestimmungen unionsrechtlich dahingehend aus, dass ein Vorsteuerabzug nur besteht, wenn der Unternehmer Leistungen bezieht, die er für Zwecke eigener steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden beabsichtigt (z.B. BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 29/09, BFH/NV 2010, 1952). Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (sog. Umsatzschlüssel), ist nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, mit dem der Gesetzgeber auf die Anerkennung des Umsatzschlüssels als sachgerechten Aufteilungsmaßstab durch die Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833) reagierte, seit dem 1. Januar 2004 nur noch dann zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
Im Streitfall erzielte die Klägerin aus der Vermietung des Gebäudes steuerfreie Umsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), soweit sie Wohnungen zu privaten Wohnzwecken vermietete. Daneben erzielte sie aufgrund des Verzichts auf die Steuerbefreiung (§ 9 Abs. 1 UStG; Art. 13 Teil C der Richtlinie 77/388/EWG) steuerpflichtige Vermietungsumsätze, soweit ihre Mieter die Räumlichkeiten zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendeten. Die im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes angefallenen Vorsteuern waren somit nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Einer Aufteilung nach dem von der Klägerin begehrten Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen (Umsatzschlüssel) steht § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG entgegen, da mit der Aufteilung nach dem vom BFH als wirtschaftlich vertretbaren Aufteilungsmaßstab anerkannten Flächenschlüssel (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755, unter 2.b aa; BFH-Beschluss vom 21. Mai 1987 V S 11/85, BFH/NV 1987, 536) eine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
2. Unionsrecht
a) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, sieht Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG einen Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer vor, der auf die ein Recht zum Vorsteuerabzug begründenden Umsätze entfällt. Da Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG vorsieht, dass der Pro-rata-Satz für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt wird, werden grundsätzlich die zum Vorsteuerabzug berechtigenden und die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze des gesamten Unternehmens ins Verhältnis gesetzt. Aus den vorgenannten Bestimmungen hat der vorlegende Senat geschlossen, dass das Unionsrecht den Umsatzschlüssel als Regel-Aufteilungsmaßstab vorgibt (BFH-Urteile vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503, unter II.3.a; vom 1. Juli 2004 V R 32/00, BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022, unter II.3.a; BFH-Beschluss vom 20. April 1998 V B 129/97, BFH/NV 1999, 79).
b) Die Bestimmung des Pro-rata-Satzes nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens hat pauschalen Charakter, da sie außer Betracht lässt, für welchen Bereich des Unternehmens die Eingangsleistungen bezogen wurden. Dies kann unter Umständen zu sachwidrigen Ergebnissen führen. So ändert sich beispielsweise ein Pro-rata-Satz von 50 % für Vorsteuern aus Eingangsleistungen zur Errichtung eines vermieteten Wohn- und Geschäftshauses bei steuerpflichtigen und steuerfreien Vermietungsumsätzen in jeweils gleicher Höhe, wenn der Vermieter im Rahmen seines Unternehmens noch weitere Umsätze ausführt. Dabei kann die Einbeziehung von steuerfreien Ausgangsumsätzen zu einer Verminderung des Pro-rata-Satzes auf beispielsweise 10 % oder weniger, die Einbeziehung von steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zu einer Erhöhung des Pro-rata-Satzes auf beispielsweise 90 % oder mehr führen.
Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ("Jedoch können die Mitgliedstaaten...") erlaubt deshalb mehrere Einschränkungen des Grundsatzes von Unterabs. 2.
Der Senat hält es für klärungsbedürftig, ob eine dieser Bestimmungen den nationalen Gesetzgeber dazu ermächtigt, die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel dahingehend einzuschränken, dass dieser nur dann angewandt werden darf, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (Subsidiarität des Umsatzschlüssels).
aa) Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 77/388/EWG ermächtigen die Mitgliedstaaten, dem Steuerpflichtigen zu gestatten oder ihn zu verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen "besonderen Pro-rata-Satz" anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden. Unter einem "besonderen" Pro-rata-Satz könnte zwar auch eine andere Aufteilungsmethode als der Umsatzschlüssel zu verstehen sein, deren Anwendung ist aber an das Vorliegen getrennter Aufzeichnungen geknüpft. Da § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine derartige Verknüpfung nicht enthält, sondern den Umsatzschlüssel in allen Fällen ausschließt, in denen eine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist, dürfte Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchs. a und b der Richtlinie 77/388/EWG als unionsrechtliche Grundlage nicht in Betracht kommen.
bb) Der Senat hält es auch für zweifelhaft, ob Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d und e der Richtlinie 77/388/EWG die Mitgliedstaaten zur Einschränkung des Umsatzschlüssels ermächtigt. Buchst. d nimmt ausdrücklich Bezug auf die in Unterabs. 1 vorgesehene Regel und setzt damit die Anwendung des Umsatzschlüssels voraus. Buchst. e der Bestimmung betrifft nicht das Aufteilungsverfahren, sondern enthält eine Bagatellregelung zugunsten des Steuerpflichtigen.
cc) Fraglich ist, ob Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG den nationalen Gesetzgeber zur Einschränkung des Umsatzschlüssels berechtigt. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen.
(1) Die Bundesregierung hat die Einschränkung des Umsatzschlüssels durch § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ausdrücklich auf Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG gestützt (vgl. Regierungsentwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, BTDrucks 15/1562 S. 51 "Zu Buchstabe d") und zur Begründung ausgeführt, die Anwendung des Umsatzschlüssels sei für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich, da sie nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG davon abweichende Aufteilungsmaßstäbe festlegen könnten. Dies kann darauf gestützt werden, dass sich in der unterschiedlichen Nutzung der Flächen die Zuordnung des Gebäudes bzw. der Gebäudeteile zu den mit ihnen ausgeführten Umsätzen ausdrückt (vgl. Meyer, EFG 2009, 1792; Kraeusel, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2004, 2; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 184 Rz 373).
(2) Gegen diese Auffassung könnte aber angeführt werden, dass der Wortlaut des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG unklar ist und die Gesetzessystematik sowie der Normzweck für eine Beibehaltung des Umsatzschlüssels sprechen.
(a) Der Wortlaut der Ermächtigung zur Aufteilung von Vorsteuern nach der "Zuordnung" der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen lässt nicht erkennen, dass dem Gesetzgeber damit die Möglichkeit eröffnet wird, einen anderen Aufteilungsschlüssel als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben. Im nationalen Recht ist zwar ebenso wie im Gemeinschaftsrecht anerkannt, dass der Unternehmer Gegenstände und Dienstleistungen dem unternehmerischen oder dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen kann. Die Aufteilung von Vorsteuern kann aber schon deshalb nicht von einer derartigen Zuordnung abhängen, weil sowohl die steuerpflichtigen als auch die steuerfreien Umsätze zum unternehmerischen Bereich gehören und die Aufteilung von Vorsteuern gerade solche Umsätze betrifft, die nicht eindeutig zugeordnet werden können.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Unionsrichtlinien gebietet es, eine Bestimmung bei Zweifeln an ihrem Inhalt unter Berücksichtigung der Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen. Dabei ist grundsätzlich allen Sprachfassungen der gleiche Wert beizumessen (EuGH-Urteile vom 2. April 1998 C-296/95, Commissioners of Customs and Excise, Slg. 1998, I-1605 Rz 5; vom 26. Mai 2005 C-498/03, Kingscrest, Slg. 2005, I-4427 Rz 26; vom 12. November 1998 C-149/97, Institute of The Motor Industry, Slg. 1998, I-7053 Rz 16).
Die französische Fassung des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c lautet "...opérer la déduction suivant l'affectation de tout ou partie des biens et services", wobei mit "l'affectation" der Verwendungszweck gemeint sein könnte. Nach der englischen Fassung ("...to make the deduction on the basis of the use of all or part of the goods and services") ist ebenfalls auf die Nutzung bzw. Verwendung der Waren oder Dienstleistungen abzustellen. Dies wird bestätigt durch die italienische Fassung ("operare la deduzione in base all'utilizzazione della totalità o di une parte di beni e servizi") und die niederländische Fassung, die in diesem Zusammenhang den Terminus "gebruik" verwendet.
Demnach darf der nationale Gesetzgeber den Steuerpflichtigen berechtigen oder verpflichten, die Aufteilung der Vorsteuern entsprechend der Verwendung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen. Die Frage nach dem Aufteilungsschlüssel bleibt jedoch auch unter Berücksichtigung der erwähnten Fassungen anderer Mitgliedstaaten offen. Dies könnte entweder zur Folge haben, dass hierfür auf den Regel-Aufteilungsmaßstab und damit auf den Umsatzschlüssel rekurriert wird oder aber, dass jeder Aufteilungsschlüssel zulässig ist, der die Nutzung oder Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen messen kann. Dies wäre für Gebäude auch die Flächengröße oder das Raumvolumen.
(b) Die systematische Auslegung des Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG könnte der Möglichkeit entgegenstehen, einen anderen Aufteilungsschlüssel als den Umsatzschlüssel zwingend vorzuschreiben. Während Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG festlegt, dass der nach Art. 19 Abs. 1 ermittelte Pro-rata-Satz für die Gesamtheit der Umsätze des Steuerpflichtigen gelten soll, schafft Unterabs. 3 eine Rechtsgrundlage dafür, von einem einheitlichen Aufteilungsmaßstab für das gesamte Unternehmen des Steuerpflichtigen abzusehen und für bestimmte Teilbereiche gesonderte Aufteilungsverhältnisse zu ermitteln. Demnach könnte Unterabs. 3 so zu verstehen sein, dass er lediglich Ausnahmen von der zwingenden Anwendung eines einheitlichen Aufteilungsmaßstabs für das gesamte Unternehmen schafft, also nichts an der Vorgabe ändert, die Vorsteuern anhand eines Umsatzschlüssels aufzuteilen. Dies stünde auch im Einklang mit den Bestimmungen in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b und d der Richtlinie 77/388/EWG, die --wie bereits ausgeführt wurde-- ebenfalls von einem Umsatzschlüssel ausgehen.
(c) Schließlich könnte der in den Gesetzesmaterialien für die Richtlinie 77/388/EWG niedergelegte Zweck des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 einer Einschränkung des Umsatzschlüssels entgegenstehen. Danach sollen durch Unterabs. 3 die Ungleichmäßigkeiten der Besteuerung vermieden werden, die sich aus dem pauschalen Charakter der "allgemeinen" Pro-rata-Regel ergeben. Die Mitgliedstaaten können daher dem Steuerpflichtigen gestatten oder vorschreiben, "spezielle" Pro-rata-Sätze zu ermitteln und den Abzug entsprechend der tatsächlichen Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen zu den steuerpflichtigen Tätigkeiten vorzunehmen (vgl. Vorschlag für die Sechste Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 20). Die Verwendung der Termini "allgemeiner" und "spezieller" Pro-rata-Satz könnte dahingehend verstanden werden, dass am Umsatzschlüssel als Aufteilungsmaßstab festzuhalten ist und die mit dem allgemeinen Pro-rata-Satz verbundenen "Ungleichmäßigkeiten der Besteuerung" dadurch vermieden werden sollen, dass anstelle des Unternehmens (Gesamtumsatz) eine gegenständliche Aufteilung anhand des Umsatzes eines konkreten Bezugsobjekts (Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände) vorgenommen wird.
3. Entscheidungserheblichkeit
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage folgt daraus, dass sich die Klägerin im Falle der Unionsrechtswidrigkeit des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG auf die für sie günstigere Regelung des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG berufen und eine Aufteilung der Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel erreichen könnte.