Entscheidungsdatum: 03.07.2014
NV: Keine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn der Veräußerer eines vermieteten Grundstücks das Grundstück auch nach der Übertragung weiterhin vermietet, wenn auch nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb 2003 ein mit einem Gebäudekomplex bebautes Grundstück. Der Gebäudekomplex bestand aus ca. 20 gewerblichen Mieteinheiten und ca. 30 Wohneinheiten. Die Klägerin vermietete die gewerblichen Einheiten steuerpflichtig an Gewerbemieter und die Wohneinheiten steuerfrei an Wohnungsmieter. Im Umfang der steuerpflichtigen Vermietung nahm sie den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten in Anspruch.
Im Streitjahr (2007) lieferte die Klägerin das bebaute Grundstück an einen Erwerber aufgrund eines am 11. Dezember 2006 abgeschlossenen Kaufvertrages. Die Parteien gingen davon aus, dass es sich bei der Lieferung des Grundstücks um eine Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) handele. Die Parteien vereinbarten hilfsweise für den Fall, dass die Finanzverwaltung das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung nicht anerkenne, einen Verzicht auf die Steuerfreiheit im Umfang der steuerpflichtig vermieteten Flächen und damit zu 51,09 %.
Mit Vertrag vom gleichen Tag schlossen der Erwerber und die Klägerin einen Mietvertrag über das Gesamtobjekt ab. Nach diesem Generalmietvertrag vermietete der Erwerber das an ihn gelieferte Grundstück an die Klägerin. Die Klägerin setzte dementsprechend die von ihr abgeschlossenen Mietverträge mit den Gewerbemietern und den Wohnungsmietern fort. Sie wies die Mieter darauf hin, dass sie nicht mehr als Eigentümer vermiete, sondern aufgrund eines ihr eingeräumten Mietrechts. Die Mietverträge wurden nicht geändert. Die Klägerin nahm aufgrund des ihr eingeräumten Mietrechts auch Neuvermietungen vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, dass die Lieferung des Grundstücks nicht zu einer Geschäftsveräußerung geführt habe. Daher sei die Lieferung des Grundstücks entsprechend der für diesen Fall getroffenen Vereinbarung nur zu 51,09 % steuerpflichtig. Dies begründe eine nochmalige Berichtigung des 2003 vorgenommenen Vorsteuerabzugs. Hieraus ergab sich eine Steuernachforderung, die das FA durch einen Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2007 festsetzte. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg.
Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1525 veröffentlichten Urteil des FG war die Vermietungstätigkeit hinsichtlich eines vermieteten Grundstücks auch nach einer Veräußerung umsatzsteuerlich weiterhin dem Veräußerer zuzurechnen, da er seine Vermietungstätigkeit im Außenverhältnis gegenüber den Mietern auch nach dem Besitzübergang als Zwischenmieter fortgeführt habe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Das FG habe die Geschäftsveräußerung zu Unrecht verneint. Die Parteien des Kaufvertrags hätten einen Übergang des Grundstücks einschließlich der dazugehörenden Mietverträge gewollt. Es sei nur beabsichtigt gewesen, dass der Erwerber eine garantierte Miete über zehn Jahre erhalten sollte. Dem habe der Generalmietvertrag gedient. Die Annahme einer Geschäftsveräußerung diene der Steuervereinfachung, auf die es nach der Rechtsprechung ankomme. Auf den Käufer seien Teile des wirtschaftlichen Risikos übergegangen. Auch in anderen Fällen sei eine Geschäftsveräußerung ohne Übergang von Mietverhältnissen bejaht worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 12. April 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 68.831,12 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das FG habe die Annahme einer Geschäftsveräußerung zutreffend verneint. Der Erwerber habe nicht das Unternehmen der Klägerin fortgeführt. Vielmehr sei das wirtschaftliche Risiko für die Dauer von zehn Jahren bei der Klägerin verblieben. Es fehle an einer hinreichend ähnlichen Tätigkeit.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht eine Geschäftsveräußerung verneint, so dass eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksübertragung vorliegt, die zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG führte.
1. Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer.
a) § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in nationales Recht und ist dementsprechend richtlinienkonform auszulegen. Danach können die Mitgliedstaaten "die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen".
b) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a, und vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.a) setzt die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG entsprechend dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes (Slg. 2003, I-14393) die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2010 V R 22/09, BFH/NV 2011, 854).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH zutreffend entschieden, dass die Klägerin ihr Vermietungsunternehmen auch nach der Veräußerung selbst weitergeführt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sind die Mietverhältnisse nicht auf den Erwerber übergegangen. Somit hat der Erwerber nicht die Vermietungstätigkeit der Klägerin fortgeführt, sondern ein eigenes Vermietungsunternehmen begründet. Zudem hat die Klägerin ihre Vermietungstätigkeit nach der Übertragung unverändert fortgesetzt. Dass sie nicht mehr als Eigentümerin, sondern als Zwischenmieterin vermietete, ist für die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit im Verhältnis zu den Mietern ohne Bedeutung. Damit fehlt es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung bereits am Erfordernis einer Unternehmensübertragung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.