Entscheidungsdatum: 15.09.2011
NV: Die Privatverwendung eines gemischt privat und unternehmerisch genutzten Gegenstandes ist gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG nur steuerbar, wenn der Unternehmer hinsichtlich des unternehmerischen (wirtschaftlichen) Verwendungsanteils zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Hieran fehlt es, wenn der Unternehmer als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Hausverwalterin tätig. Bis einschließlich 2006 wurden ihre Umsätze nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) nicht besteuert.
Für das Streitjahr 2007 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber davon aus, dass die Klägerin die hierfür maßgebliche Umsatzgrenze überschritten habe und setzte dementsprechend Umsatzsteuer für die durch die Klägerin erbrachten Leistungen fest. Dabei berücksichtigte das FA die im Rahmen der 1 %-Regelung ermittelte private Nutzung eines im Jahr 2004 angeschafften betrieblichen PKW. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2011, 1379 veröffentlichten Urteil statt. Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten PKW gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG sei bei der Berechnung des Umsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht zu berücksichtigen. Hierfür spreche, dass § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG voraussetze, dass der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand, der für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werde, zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt habe. Die Vorsteuerabzugsberechtigung sei Tatbestandsvoraussetzung der unentgeltlichen Wertabgabe mit der Folge, dass bei fehlendem Vorsteuerabzugsrecht keine sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vorliege und die nichtunternehmerische Verwendung somit nicht steuerbar sei.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision, die es auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Zur Begründung seines Antrags trägt es vor, unentgeltliche Wertabgaben seien bei der Berechnung des Gesamtumsatzes i.S. von § 19 Abs. 1 UStG zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie teilt die Auffassung des FG.
II. Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Für die Umsätze der Klägerin ist nach § 19 Abs. 1 UStG keine Umsatzsteuer zu erheben.
1. Nach § 19 Abs. 1 UStG wird
"...für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer ... von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17 500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. ..."
Unionsrechtlich setzt sich der zugrunde zu legende Umsatz gemäß Art. 288 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) aus folgenden Beträgen ohne Mehrwertsteuer zusammen:
"...
1. Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, soweit diese besteuert werden;
2. Betrag der gemäß Artikel 110, Artikel 111 und Artikel 125 Absatz 1 sowie Artikel 127 und Artikel 128 Absatz 1 mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreiten Umsätze;
3. Betrag der gemäß den Artikeln 146 bis 149 sowie den Artikeln 151, 152 und 153 von der Steuer befreiten Umsätze;
4. Betrag der Umsätze mit Immobilien, der in Artikel 135 Absatz 1 Buchstaben b bis g genannten Finanzgeschäfte sowie der Versicherungsdienstleistungen, sofern diese Umsätze nicht den Charakter von Nebenumsätzen haben.
Veräußerungen von körperlichen oder nicht körperlichen Investitionsgütern des Unternehmens bleiben bei der Ermittlung dieses Umsatzes jedoch außer Ansatz."
2. Wie das FG zu Recht entschieden hat, ist die Privatnutzung eines Unternehmensgegenstandes im Streitfall kein Umsatz i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 UStG. Ein derartiger Umsatz käme nur nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG in Betracht, dessen Voraussetzungen aber nicht vorliegen.
a) Nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt
"die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen".
Die Vorschrift beruht auf Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach werden den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt
"die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen ... oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat".
b) Die Steuerbarkeit der Verwendung eines Unternehmensgegenstandes setzt voraus, dass der Gegenstand bei der Unternehmensnutzung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Hieran fehlt es, wenn die unternehmerische Nutzung aufgrund einer für diese bestehende Steuerfreiheit nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Daher ist z.B. die Privatnutzung eines Gegenstandes durch einen Arzt, der nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Umsätze erbringt, nicht nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG steuerbar (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. März 2009 XI R 69/07, BFHE 224, 192, BStBl II 2009, 496, unter II.2.).
c) Danach liegen auch im Streitfall die Voraussetzungen für eine Steuerbarkeit der Privatnutzung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nicht vor. Zwar hat die Klägerin das auch privat genutzte Fahrzeug im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht für Umsätze verwendet, die ohne Recht auf Vorsteuerabzug steuerfrei sind. Dem gleichgestellt ist jedoch die Verwendung für eine wirtschaftliche Tätigkeit, für die die Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird, da es auch dann an der von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vorausgesetzten Berechtigung zum Vorsteuerabzug fehlt. Da die Voraussetzungen für die Besteuerung der privaten Kfz-Nutzung bereits dem Grunde nach nicht vorlagen, kam es im Streitfall nicht mehr darauf an, dass die sog. 1%-Regelung für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein geeigneter Maßstab ist, um die Kosten auf Privatfahrten und unternehmerische Fahrten aufzuteilen (BFH-Urteile vom 19. Mai 2010 XI R 32/08, BFHE 230, 272, BStBl II 2010, 1079, unter II.2.a; vom 11. März 1999 V R 78/98, BFHE 188, 160, Leitsatz 2, unter II.3.).