Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 18.03.2010


BFH 18.03.2010 - V B 57/08

Nichtzulassungsbeschwerde - Grundsätzliche Bedeutung - Verfahrensfehler


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
18.03.2010
Aktenzeichen:
V B 57/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 22. Mai 2008, Az: 16 K 300/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Es ist bereits geklärt, dass für eine wirtschaftliche Eingliederung das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft ausreicht; das gilt insbesondere bei deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung .

2. NV: Für die Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, hat der Kläger vorzutragen, dass er die unterlassene Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt, eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung beantragt habe .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung gestützt, setzt die Zulassung voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148). Darüber hinaus muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2006 II B 147/05, BFH/NV 2006, 1320).

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Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Rechtsfrage aufwirft, ob es für die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung als Voraussetzung einer umsatzsteuerlichen Organschaft ausreiche, wenn "einer Kapitalgesellschaft neben den im eigenen Gebäude genutzten Räume weitere Büroräume ohne wesentliche Funktion vermietet werden", ist diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn nach den tatsächlichen und den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts --FG-- (§ 118 Abs. 2 FGO) handelt es sich bei den Räumen --nach Funktion und Umfang-- um für die GmbH wesentliche Büroräume.

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Die Rechtsfrage ist auch nicht klärungsbedürftig. Nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung ist geklärt, dass für die wirtschaftliche Eingliederung ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung genügt. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus (vgl. BFH-Urteile vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434; vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFH/NV 2010, 773). Das gilt insbesondere --wie im Streitfall-- bei deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl II 2009, 256).

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2. Die Klägerin hat keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO dargelegt. Zur Darlegung der Divergenz muss die Klägerin tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung u.a. des BFH oder eines FG andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69; vom 22. März 2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719).

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Dem BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 128/01 (BFH/NV 2002, 1058) ist zwar der Rechtssatz zu entnehmen, dass allein nach den Verhältnissen des Streitjahres zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer Organschaft erfüllt sind, das FG hat jedoch keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Im Einklang damit hat es die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse des jeweiligen Streitjahres berücksichtigt, indem es davon ausgegangen ist, dass die im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2000 festgestellten Nutzungsverhältnisse auch noch in den Streitjahren fortbestanden.

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3. Mit der Rüge, das FG habe ihren Beweisantrag im Schriftsatz vom 17. September 2007 übergangen und dadurch seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO verletzt, hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schlüssig dargelegt.

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a) Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 22. Mai 2008 hat die Klägerin keinen Beweisantrag gestellt oder wiederholt. Der in der mündlichen Verhandlung protokollierte Antrag aus dem Schriftsatz vom 17. September 2007 betrifft lediglich den Klageantrag. In dem Schriftsatz hat die Klägerin zwar die unterbliebene Inaugenscheinnahme der räumlichen Verhältnisse durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bemängelt, darin ist aber kein an das FG gerichteter (konkludenter) Beweisantrag zu sehen.

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b) Abgesehen davon ist § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte --ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Die schlüssige Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, erfordert daher jedenfalls bei einer --wie im Streitfall-- fachkundig vertretenen Klägerin die Darlegung, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35; vom 14. Dezember 2006 VI B 7/06, BFH/NV 2007, 496; vom 21. März 2003 VIII B 293/02, BFH/NV 2003, 1192; vom 16. Februar 1998 VIII B 46/97, BFH/NV 1998, 875).

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Die Klägerin hätte daher vortragen müssen, dass sie die unterlassene Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt, eine Protokollierung der Rüge verlangt und --im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen-- eine Protokollberichtigung beantragt habe (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 496; vom 17. Dezember 2004 VIII B 152/04, BFH/NV 2005, 1102). Dies ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 22. Mai 2008 nicht geschehen. Die Klägerin macht nicht geltend, dass sie das Übergehen ihres Beweisantrags gerügt und die Protokollierung dieser Rüge beantragt habe. Es ist auch weder ersichtlich noch dargetan, weshalb ihr dies in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht möglich gewesen sein soll.