Entscheidungsdatum: 19.03.2014
1. NV: Die Rechtsfrage, ob bestimmte Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung (nicht) ausreichen, ist nicht klärungsbedürftig.
2. NV: Zur schlüssigen Rüge einer verfahrensfehlerhaft vom FG unterlassenen Aktenbeiziehung ist darzutun, dass der Antrag auf Beiziehung entgegen der Würdigung des FG hinreichenden Anlass zur weiteren Erforschung des Sachverhalts gegeben hat.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder der Sache nach nicht vor oder die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage:
"Reichen folgende Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 17 Abs. 2 UStDV nicht aus:
1. Doppel der Rechnung
2. Empfangsbestätigung durch den Abnehmer oder seinen Beauftragten
3. Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern?
4. Bestätigung des Frachtführers über die Verbringung ins innereuropäische Ausland"
ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärungsfähig.
a) Welche Unterlagen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß "§ 17 Abs. 2 UStDV" [gemeint: § 17a Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) --UStDV--] ausreichen oder nicht ausreichen, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort hierauf ergibt sich bereits aus dem Gesetz und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
aa) Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurden die Waren im Streitfall durch das Speditionsunternehmen K und N versandt, sodass für die Nachweisvoraussetzungen § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV einschlägig ist.
Danach soll der Unternehmer den Nachweis wie folgt führen:
"1. durch das Doppel der Rechnung (§ 14, § 14 a des Gesetzes) und
2. durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1."
§ 10 Abs. 1 UStDV regelt, dass der Unternehmer in sog. Versendungsfällen den Nachweis regelmäßig wie folgt führen soll:
"1. durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Postlieferungsschein oder deren Doppelstücke, oder
2. durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers. Der sonstige Beleg soll enthalten:
a) den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung,
b) den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,
c) die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstands,
d) den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung in das Drittlandsgebiet,
e) den Empfänger und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
f) eine Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg auf Grund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind,
g) die Unterschrift des Ausstellers."
Von dieser Rechtslage ist das FG ausgegangen und hat festgestellt, dass ordnungsgemäße Versendungsbelege des Spediteurs nicht vorlagen, weil auf den Bescheinigungen der Firma K und N weder der Auftraggeber der Versendung noch Zeit und Datum der Versendung enthalten sind.
bb) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Satz 1 zu führen, kann er den Nachweis gemäß § 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV auch nach den Absätzen 2 oder 3 wie folgt führen:
"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes)
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."
Die von der Klägerin in ihrer Rechtsfrage bezeichneten Belege reichen danach nicht zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Versendungslieferung aus. Es fehlt an einem handelsüblichen Beleg i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (Lieferschein).
cc) Ob die Versagung der Steuerbefreiung allein auf einen Verstoß gegen formelle Nachweisvoraussetzungen gestützt werden kann, wenn aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, vierter Leitsatz) ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da nach der nicht angegriffenen Würdigung des FG (S. 10 des Urteils) nicht einmal feststeht, ob dem Grunde nach innergemeinschaftliche Lieferungen vorlagen. Es blieb vielmehr letztlich ungeklärt, was die Abnehmerin mit der verkauften Ware gemacht hat.
b) Darüber hinaus wäre die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht klärbar.
aa) Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden und vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2013 XI B 17/13, juris; vom 21. Januar 2005 VIII B 163/03, BFH/NV 2005, 835; vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524). Denn zulassungsrechtlich kann es keinen Unterschied machen, ob das FG seine Entscheidung nur auf eine tragende Begründung gestützt hat, die nicht zu einer Zulassung führen kann, oder ob es eine Begründung hinzugefügt hat, die an sich die Möglichkeit einer Zulassung eröffnete.
bb) Im Streitfall hat das FG sein Urteil nicht nur damit begründet, dass bereits objektiv keine innergemeinschaftlichen Lieferungen vorliegen (II.2.b des FG-Urteils) und der Belegnachweis nicht erbracht wurde (II.2.c des FG-Urteils), sondern außerdem damit, dass die Klägerin den Buchnachweis gemäß § 17c UStDV nicht geführt habe (II.2.c des FG-Urteils), da der Tag der Lieferung (§ 17c Abs. 2 Nr. 5 UStDV) und die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet und der Bestimmungsort (§ 17c Abs. 2 Nrn. 8 und 9 UStDV) nicht aufgezeichnet wurden. Zu der Begründung des fehlenden Buchnachweises, die für sich genommen die Klageabweisung trägt, hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund dargelegt.
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2014 X B 181/13, juris; vom 10. Mai 2012 X B 57/11, BFH/NV 2012, 1307, m.w.N.).
Die Klägerin hat zwar das BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06 (BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511) als Divergenzentscheidung bezeichnet und dessen Leitsatz ("Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden zählt nicht zu den Erfordernissen für einen im Sinne des § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis. Davon zu unterscheiden ist die Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung durch das Finanzamt bei Vorliegen konkreter Zweifel im Einzelfall") als tragenden Rechtssatz zitiert. Sie hat diesem Rechtssatz aber keinen Rechtssatz aus dem Urteil des FG gegenübergestellt, der diesem Rechtssatz widersprechen würde.
b) Mit ihrem Vortrag, wonach die vom FG vertretene Auffassung, dass aus den vorliegenden Bescheinigungen nicht eindeutig eine Beauftragung der Firma K und N durch die Firma S erkennbar sei, nicht zutreffe, wendet sich die Klägerin im Kern gegen die Würdigung des FG zum Vorliegen des Belegnachweises und rügt damit eine vermeintlich unrichtige Rechtanwendung durch das FG. Ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Rechtsanwendung kann aber nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Rechtanwendungsfehler des FG hat die Klägerin indes nicht dargelegt.
3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Das Vorbringen der Klägerin, das FG habe zu Unrecht ihren Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten abgelehnt und dadurch die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) verletzt, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Zur schlüssigen Rüge einer verfahrensfehlerhaft vom FG unterlassenen Aktenbeiziehung ist darzutun, dass der Antrag auf Beiziehung entgegen der Würdigung des FG hinreichenden Anlass zur weiteren Erforschung des Sachverhaltes gegeben habe. Hierzu ist im Einzelnen darzulegen, welche konkreten, entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den beizuziehenden Akten hätten ergeben sollen und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf der unterlassenen Aktenbeiziehung beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297).
b) Das FG hat den Beweisantrag auf Hinzuziehung von Akten eines angeblichen Schadensersatzanspruches der Bundesrepublik Deutschland gegen die Firma S. mangels konkret benannter Tatsachen als Ausforschungsbeweisantrag behandelt und deshalb unbeachtet gelassen. Die Klägerin hätte insoweit ausführen müssen, aus welchen Gründen ihr Beweisantrag trotz fehlender Angabe des Gerichts und des Aktenzeichens als hinreichend substantiiert hätte beurteilt werden müssen und aus welchen Gründen unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 IV B 139/10, BFH/NV 2012, 263; vom 8. Juni 2011 IX B 157/10, BFH/NV 2011, 1510). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die bloße Behauptung, dass eine Aktenbeiziehung das von der Klägerin gewünschte Ergebnis eines Nachweises der Voraussetzungen von umsatzsteuerfreien Lieferungen an die Firma S. gebracht hätte.
4. Von der Darstellung des Sachverhaltes und einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.