Entscheidungsdatum: 29.06.2011
NV: Hat der Steuerpflichtige mit Baumaßnahmen unter Verwendung der vorhandenen Bausubstanz bisher nicht vorhandene und zur Vermietung vorgesehene Wohneinheiten sowie fremdgewerblich zu nutzende Gewerbeeinheiten geschaffen, handelt es sich nicht um nach dem FördG besonders geförderte Modernisierungsmaßnahmen oder um nachträgliche Herstellungsarbeiten "an" einem Gebäude, sondern um die Herstellung "von" unbeweglichen Wirtschaftsgütern, für die er Sonderabschreibungen nach § 3 Satz 1, § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 FördG lediglich zu einem Satz von 20 % oder 25 % beanspruchen kann .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Jahr 1994 für 1,55 Mio. DM ein Grundstück in X erwarb und sich gegenüber der Treuhandanstalt verpflichtete, die aufstehenden Gebäude zu sanieren und zu modernisieren. Dabei handelt es sich um z.T. schon im 19. Jahrhundert errichtete Baulichkeiten, die im Verlauf der Zeit weiter umgebaut und mit Anbauten versehen wurden. Das in Volkseigentum überführte Grundstück wurde in der DDR durch einen VEB vollständig für eigenbetriebliche Zwecke genutzt. Ab dem Jahr 1993 wurden die mittlerweile leer und unter Denkmalschutz stehenden Gebäude von einer Tochtergesellschaft der Treuhand verwaltet und verwertet. Die Klägerin führte ab 1998 Baumaßnahmen durch, die im Jahr 2002 abgeschlossen wurden. Es entstanden in dem im Wesentlichen erhalten gebliebenen Gebäudekomplex zwei abgeschlossene Wohnungen und vier abgeschlossene Gewerbeeinheiten zur fremdgewerblichen Nutzung.
In den Streitjahren (1997 bis 2000) investierte die Klägerin etwas mehr als 3,5 Mio. DM in das Objekt, von denen ca. 1,6 Mio. DM durch öffentliche Fördermittel gedeckt wurden. Bereits ab dem Jahr 2001 begann sie mit der Vermietung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest und berücksichtigte Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) auf die Teilherstellungskosten von 40 %. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung folgte das FA dem Prüfer, dass es sich bei der Gesamtbaumaßnahme nicht um nachträgliche Herstellungskosten, sondern um geringer begünstigte Kosten der Herstellung anderer Wirtschaftsgüter handele. Dementsprechend änderte das FA die Feststellungsbescheide der Streitjahre.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1626 veröffentlichten Urteil aus, die Baumaßnahmen seien nicht als Modernisierungsmaßnahmen oder andere nachträgliche Herstellungskosten zu fördern. Vielmehr habe die Klägerin zwei neue Wirtschaftsgüter hergestellt, für die sie nur Sonderabschreibungen bis zu 25 % oder 20 % beanspruchen könne.
Hiergegen richtet sich die Revision, die auf die Verletzung von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b und Abs. 2 Satz 3 FördG gestützt wird. Nach der Rechtsauffassung der Klägerin gebe es im Fördergebietsgesetz nach seinem Normzweck die Kategorie des anderen Wirtschaftsguts nicht. Deshalb seien nachträgliche Herstellungskosten auch dann anzunehmen, wenn die Baumaßnahmen so umfassend seien, dass dadurch ein anderes Wirtschaftsgut, jedoch kein bautechnisch neues Gebäude entstehe. Die Auffassung des FG werde dem Förderzweck nicht gerecht. Ziel sei es gewesen, die Modernisierung und Instandsetzung von vorhandenen Gebäuden im Fördergebiet zu begünstigen. Außerdem seien die Gebäude im 19. Jahrhundert schon einmal ähnlich der jetzt erreichten Nutzung verwendet worden (nämlich zu Wohnzwecken und --Anfang des 20. Jahrhunderts-- als Dampfwäscherei gewerblich).
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Änderungsbescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1997 bis 2000 vom 15. November 2002 und 13. Juli 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2005 dahingehend abzuändern, dass die Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1997 in Höhe von 181.408 DM, für das Jahr 1998 in Höhe von 583.625 DM, für das Jahr 1999 in Höhe von 195.482 DM und für das Jahr 2000 in Höhe von 191.402 DM festgestellt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zutreffend ist das FG in Übereinstimmung mit dem FA von einer Förderbarkeit der Baumaßnahmen lediglich gemäß § 3 Satz 1, § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 3 FördG und nicht als Modernisierungsmaßnahme oder andere nachträgliche Herstellungsarbeiten ausgegangen (§ 3 Satz 1, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG). Denn dadurch wurden abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter erstmals erstellt.
1. Gemäß § 3 Satz 1 FördG sind sowohl die Anschaffung und die Herstellung von (1. Alternative) wie auch Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungskosten an (2. Alternative) abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern begünstigt. Den Umfang der Begünstigung regelt § 4 FördG (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Oktober 2005 IX R 37/04, BFH/NV 2006, 1067, unter II.2.). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FördG und § 3 FördG kann der Steuerpflichtige Sonderabschreibungen von bis zu 40 % nur für Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten in Anspruch nehmen, bei Herstellung von Wirtschaftsgütern indes nur bis zu 25 % oder 20 % (§ 4 Abs. 2 Satz 2 FördG).
2. Nach dem auch für das Fördergebietsgesetz geltenden Begriff der Herstellung in § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) bedeutet Herstellen eines Wirtschaftsguts das Schaffen eines neuen, bisher nicht vorhandenen Wirtschaftsguts; darunter ist --neben der Neu- oder Erst-Herstellung eines Wirtschaftsguts-- auch die Zweitherstellung und die Funktions-/Wesensänderung jeweils vorhandener Wirtschaftsgüter zu verstehen (vgl. zur Geltung des § 255 HGB im Fördergebietsgesetz BFH-Urteil vom 24. Juni 2008 IX R 49/06, BFH/NV 2008, 1839; zum Begriff der Herstellung BFH-Urteil vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543).
a) So verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige die Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht an einem unbeweglichen Wirtschaftsgut vornimmt, sondern --auch unter Verwendung vorhandener Bausubstanz-- solche Wirtschaftsgüter (z.B. zur Fremdvermietung vorgesehene Wohnungen oder fremdgewerblich genutzte Einheiten) erstmals erstellt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die durchgeführten Baumaßnahmen bautechnisch zu einem Neubau (eines Gebäudeteils) geführt haben (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 1839, und vom 18. September 2007 IX R 31/05, BFH/NV 2008, 762).
b) Wenn die Revision demgegenüber meint, das Gesetz kenne keine Kategorie des "anderen Wirtschaftsguts" im Sinne des neuen Wirtschaftsguts als aliud, ist dem so nicht beizupflichten. Das Gesetz unterscheidet durchgehend zwischen der Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern und Modernisierungsmaßnahmen und anderen nachträglichen Herstellungskosten an abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern, z.B. in § 3 Satz 1 und in § 4 Abs. 2 Satz 3 FördG.
o Im ersten Fall wird ein Wirtschaftsgut geschaffen, indem es z.B. als Gebäude neu errichtet oder indem unter Verwendung alter Bausubstanz ein neuer oder anderer Nutzungs- und Funktionszusammenhang begründet wird, der Steuerpflichtige z.B. --wie hier-- aus einem bislang betrieblich genutzten Gebäude Wohnungen und fremdbetrieblich genutzte Einheiten schafft.
o Im zweiten Fall bleibt das Wirtschaftsgut unverändert; "an" ihm werden Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten durchgeführt, indem der Steuerpflichtige z.B. an seinem zu fremden Wohnzwecken genutzten Gebäude Sanierungsarbeiten durchführt.
c) Dem entspricht auch der Normzweck. Wenn die Revision demgegenüber auf die Gesetzesmaterialien Bezug nimmt und daraus ableitet, es sollte gegenüber den ursprünglich im Entwurf bezeichneten Fördergegenständen mit der dann Gesetz gewordenen Formulierung "unbewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter" eine Erweiterung der begünstigten Investitionen einhergehen und keine Einschränkung (s. dazu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 12/562, S. 32 f., 72), so führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung.
Bereits § 2 FördG des Regierungsentwurfs zum Steueränderungsgesetz 1991 wollte (u.a.) die Anschaffung und Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern begünstigen (s. BTDrucks 12/219, S. 13). Die Erweiterung des Investitionsvolumens liegt deshalb nicht darin, wie der Gesetzgeber den Fördergegenstand (als "Gebäude" oder "unbewegliches Wirtschaftsgut") umschreibt, sondern darin, in welchem Umfang er abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter begünstigen will. War nämlich zunächst lediglich beabsichtigt gewesen, unbewegliche wie bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter als Anlagevermögen und damit in einem ganz bestimmten Nutzungs- und Funktionszusammenhang (nämlich nur eigenbetrieblich genutzte Gebäude) zu fördern (BTDrucks 12/219, S. 13), so erweitert die --Gesetz gewordene-- Fassung den Förderrahmen, indem sie auch zu Wohnzwecken oder eigen- oder fremdbetrieblich genutzte Immobilien einbezieht (s. dazu auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 IV R 48/07, BFHE 228, 408, BStBl II 2010, 799; Blümich/ Stuhrmann, § 3 FördG Rz 2 und 3). Wäre also die zunächst geplante Fassung Gesetz geworden, wären die Baumaßnahmen im Streitfall von vornherein nicht begünstigt: Die Gebäude gehören nicht zum Anlagevermögen eines Betriebsvermögens.
Überdies lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, das Gesetz wolle einen Vermögensgegenstand "Gebäude" unabhängig vom jeweiligen Nutzungs- und Funktionszusammenhang fördern. Vielmehr erwähnt der Finanzausschuss in seiner Beschlussempfehlung --übereinstimmend mit der schließlich zum Gesetz gewordenen Fassung-- die "Herstellung oder Anschaffung" eines "anderen abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts" (so BTDrucks 12/562, S. 72 zu Art. 5).
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend eine Förderung der im Streitfall durchgeführten Baumaßnahmen als Modernisierungsmaßnahmen und nachträgliche Herstellungskosten an abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern gemäß § 3 Satz 1, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG von 40 % der Teilherstellungskosten abgelehnt und nur eine solche von 20 % oder 25 % der Teilherstellungskosten gemäß § 3 Satz 1, § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 3 FördG gewährt. Die Klägerin hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, mit den Baumaßnahmen unter Verwendung der vorhandenen Bausubstanz der ehemaligen Betriebsgebäude zwei bisher nicht vorhandene, baulich getrennte und in sich abgeschlossene Wohneinheiten sowie vier fremdgewerblich genutzte Einheiten hergestellt und damit Wirtschaftsgüter neu geschaffen. Wenn die Revision demgegenüber einwendet, die Gebäude seien auch früher einmal zu Wohnzwecken genutzt worden, kann sie damit nicht gehört werden. Es kommt darauf an, in welchem Nutzungs- und Funktionszusammenhang die Gebäude standen, als sie erworben wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren die Gebäude aber spätestens seit dem Jahr 1970 durchgehend für eigenbetriebliche Zwecke genutzt worden.