Entscheidungsdatum: 21.11.2013
NV: Die Grundsätze über die Anerkennung von Verträgen zwischen nahe stehenden Personen gelten auch, wenn eine GbR, an der zwei Brüder zu je 50 % beteiligt sind, an deren Söhne je eine Wohnung vermietet.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Grundstücksgemeinschaft (GbR), erzielt durch die Vermietung von im gemeinschaftlichen Eigentum der beiden je zur Hälfte an der Klägerin beteiligten Gesellschafter AX und BX stehenden Grundstücke Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Streitig ist, ob der Gewinnfeststellung (§§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung --AO--) für 1998 bis 2001 (Streitjahre) zwei Mietverhältnisse mit den Söhnen der Gesellschafter zugrunde gelegt werden können.
In den bestandskräftigen Feststellungsbescheiden für die Streitjahre stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend den von der Klägerin eingereichten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung fest und verteilte die Einkünfte entsprechend dem Beteiligungsverhältnis je zur Hälfte auf die beiden Gesellschafter. Eine bei der Klägerin für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung ergab, dass die beiden im Dachgeschoss des Objektes in G gelegenen Wohnungen Nrn. 5 und 6 von den Söhnen C X (geboren am … September 1975, Vater: A X) und D X (geboren am … November 1974, Vater: B X) bewohnt wurden und lediglich in 1998 und 1999 Mieten in Höhe von jeweils 9.600 DM als Einnahmen erklärt wurden, ohne dass allerdings entsprechende Zahlungen nachgewiesen werden konnten. Die auf die beiden Dachgeschosswohnungen entfallenden Werbungskosten wurden in allen geprüften Jahren in voller Höhe abgezogen. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass die beiden Mietverhältnisse mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen seien.
Dem folgend setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den jeweils nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Feststellungsbescheiden ohne Berücksichtigung der für die beiden Dachgeschosswohnungen ursprünglich anerkannten Verluste fest. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zu Recht seien die aus den streitigen Mietverhältnissen resultierenden Verluste im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt geblieben. Konkrete Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Söhne im Zeitraum ihrer angeblichen finanziellen Unterstützung durch die beiden Väter seien nicht erfolgt, die Vorlage geeigneter Unterlagen unterblieben. Dem Senat sei insbesondere keine verlässliche Feststellung möglich gewesen, ob die längst volljährigen Söhne der beiden GbR-Gesellschafter im gesamten Streitzeitraum (D X) bzw. bis zum 31. Oktober 1999 (C X) überhaupt unterhaltsbedürftig gewesen seien (§ 1601 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Es bestünden durchgreifende Zweifel, ob die beiden streitigen Mietverhältnisse --orientiert an den Maßstäben des Fremdvergleichs-- ernsthaft vereinbart und entsprechend dem Vereinbarten auch tatsächlich durchgeführt worden seien.
Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der konkreten Gestaltung der Mietverhältnisse auf die von ihr vorgelegten beiden schriftlichen Mietverträge vom November 1995 stütze, seien diese auf Vermieterseite nicht unterschrieben und daher mangels einer auf vertragliche Bindung angelegten Willensbekundung der Klägerin nicht als Grundlage einer derartigen Rechtsbeziehung geeignet. Fremde Dritte, die die aus einem Mietverhältnis resultierenden gegenseitigen Rechte und Pflichten schriftlich fixieren wollten, würden auf einer Unterzeichnung des Mietvertrages durch den Vermieter (oder einen von diesem Bevollmächtigten) bestehen. Diese Verfahrensweise sei nach den Feststellungen des FA mit den übrigen Mietern des Hauses auch so praktiziert worden. Die fehlende Rechtsverbindlichkeit ergebe sich bzgl. DX zusätzlich daraus, dass die schriftliche Vereinbarung vom November 1995 nicht von diesem selbst, sondern von seinem Cousin C X "als Mieter" unterzeichnet sei, ohne dass dessen Vertretungsbefugnis durch einen entsprechenden Zusatz im Mietvertrag oder sonstige schriftliche Regelungen klargestellt werde. Unter Berücksichtigung der von D X unterzeichneten "Tatsachenerklärung nebst eidesstattlicher Versicherung" stehe noch nicht einmal fest, ob dieses Mietverhältnis --entsprechend dem Klagevorbringen-- mit der Klägerin oder --wie in der Erklärung angegeben-- mit dessen Vater bestanden habe. Mit den jeweiligen laufenden Forderungen aus dem Mietverhältnis (monatliche Miete sowie Nebenkosten) korrespondierende Barabhebungen vom Konto des Mieters CX seien nicht nachgewiesen.
Daneben bestünden weitere gewichtige Beweisanzeichen gegen die Annahme der von der Klägerin behaupteten Zahlungsmodalitäten. So sei im Rahmen der Betriebsprüfung eine im Juli 1999 angefertigte Notiz einer bei der Klägerin beschäftigen Buchhalterin aufgefunden worden, wonach im Jahr 1998 keine Zahlung von Nebenkosten durch die beiden Söhne der GbR-Gesellschafter erfolgt sei und daher die bereits vorbereitete, diesen Umstand berücksichtigende Aufstellung der Einnahmen aus Nebenkosten 1998 nicht dem FA vorgelegt werden sollte. Die Bedenken würden durch den Umstand verstärkt, dass hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 die beiden Mietverhältnisse im Rahmen der für diese Jahre abgegebenen Feststellungserklärungen völlig unberücksichtigt geblieben seien, ohne dass die Klägerin eine plausible Begründung für diese inkonsequente Handhabung zu geben vermocht habe. Nachhaltig erschüttert werde schließlich die Glaubwürdigkeit der von der Klägerin zum tatsächlichen Vollzug der Mietverhältnisse vorgetragenen Angaben durch die erstmalige Vorlage des auf CX lautenden "Mietbuches" im Anschluss an die Aufhebung des ursprünglich auf den im April 2011 anberaumten Verhandlungstermins. Es bleibe unerfindlich, wieso der vom FA von Anfang an kontinuierlich geforderte Nachweis im späteren Verlauf des Klageverfahrens doch noch vorgelegt worden sei. Es existierten gute Gründe für die Annahme, dass das Mietbuch nachträglich in dem Bestreben erstellt worden sei, hiermit die Erfolgschancen der eingelegten Klage zu verbessern. Unter diesen Umständen könne aber das vorgelegte Mietbuch nicht als Beweis für die darin ausgewiesenen Zahlungen anerkannt werden.
Angesichts der Vielzahl der dargelegten Unstimmigkeiten und Widersprüche und deren essentieller Bedeutung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptpflichten eines Mietvertrages könne nicht mehr von kleineren Unregelmäßigkeiten ausgegangen werden, die der Anerkennung eines Angehörigen-Mietverhältnisses bei Durchführung des Fremdvergleichs grundsätzlich nicht entgegenstünden.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese lediglich geltend macht, das FG habe es unter Verletzung rechtlichen Gehörs unterlassen, zur Bekräftigung der vorgelegten Mietbücher die Söhne der Gesellschafter persönlich zu hören. Hätte das FG dies getan, hätte es zu einer anderen Gesamtwürdigung der streitbefangenen Mietverhältnisse kommen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG sowie die geänderten Feststellungsbescheide für die Jahre 1998 bis 2001 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Mietverträge mit den Söhnen der Gesellschafter anerkannt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG die Mietverträge mit den Söhnen der Gesellschafter der Klägerin nicht anerkannt.
1. Die steuerliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahe stehenden Personen ist u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m.w.N.).
Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahe stehenden Personen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt. Es ist daher geboten, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahe stehenden Personen strenge Anforderungen zu stellen. Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 AO und § 76 Abs. 1 FGO. Er ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch --wie im Streitfall-- unter Angehörigen stattgefunden hat, ob aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Erst das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben oder aber um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt (BFH-Urteile vom 31. Juli 2007 IX R 8/07, BFH/NV 2008, 350; vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699). Die revisionsrechtliche Überprüfung der (hierfür notwendigen) Gesamtwürdigung des FG durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen (Indizien) einbezogen und dabei nicht gegen Denkansätze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192).
Maßgebliche Beweisanzeichen bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes) zugehörig sind, bilden insbesondere die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleichs (BFH-Urteil in BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m.w.N.). Jedenfalls die Hauptpflichten der Vertragsparteien müssen klar und eindeutig vereinbart worden sein und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106).
Zudem ist ein Fremdvergleich anzustellen bei Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und einer Personengesellschaft, die von einem Angehörigen beherrscht wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1988 IV R 29/86, BFHE 155, 543, BStBl II 1989, 500; BFH-Beschlüsse vom 22. April 2002 IX B 186/01, BFH/NV 2002, 1155; vom 15. Juni 2000 XI B 123/99, BFH/NV 2000, 1467, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Mietverhältnisse mit den Söhnen der Gesellschafter der Klägerin zutreffend nicht der Besteuerung zugrunde gelegt.
Zu Recht wendet das FG die Grundsätze des Fremdvergleichs auf den Streitfall an. Zwar hat die Gesellschaft keinen beherrschenden Gesellschafter, jedoch sind beide Gesellschafter zugleich Angehörige beider Mieter (§ 15 Abs. 1 Nrn. 3, 5, 7 AO). Insoweit beherrscht zwar nicht ein Angehöriger die Gesellschaft. Es fehlt aber in gleicher Weise an dem für Verträge unter fremden Dritten typischen Interessengegensatz. Denn die Gesellschafter sind selbst Angehörige, sodass ihr gegenseitiges Handeln in der Geschäftsführung wie auch ihr Verhältnis zu den Mietern typischerweise die jeweiligen Angehörigenverhältnisse beeinflusst.
Auch die Anwendung der Grundsätze des Fremdvergleichs im Einzelnen auf die streitbefangenen Mietverhältnisse ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte das FG die fehlende Unterschrift des Vermieters in Abweichung zu den Verträgen mit den sonstigen Mietern des Hauses als Indiz gegen eine ernsthafte Vereinbarung werten, ebenso die Vertretung eines Cousins durch den anderen ohne nachweisbare Vollmacht.
Möglich ist weiter die Würdigung des FG, die Mietverträge seien mangels feststellbarer Mietzahlungen nicht tatsächlich wie vereinbart durchgeführt worden. Insoweit hat das FG eine umfassende Beweiswürdigung aller ihm vorliegenden Umstände vorgenommen. Es hat dabei auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) oder seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt. Angesichts des sich ihm bietenden Gesamtbildes der Verhältnisse des Streitfalls musste sich dem FG --ohne entsprechenden Beweisantrag-- die Vernehmung der Söhne/ Mieter nicht aufdrängen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin mangels entsprechender Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren ihr Rügerecht verloren hat und ob die Rüge außerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 2 FGO) erfolgt ist (dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 100, § 118 Rz 66, § 120 Rz 66).