Entscheidungsdatum: 05.10.2018
1. NV: Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
2. NV: Ist die Bewertung eines Unternehmens streitig, so ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen.
Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. März 2018 6 K 6206/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) dadurch verletzt, dass es ermessensfehlerhaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert der Beteiligung des Klägers an der A-AG zum Stichtag am 26. Oktober 2000 abgesehen hat.
a) Nach der --bei der Prüfung eines Verfahrensmangels maßgeblichen-- Rechtsauffassung des FG war im Streitfall für die Bestimmung des im Rahmen des § 17 des Einkommensteuergesetzes steuerfreien Wertzuwachses maßgeblich, mit welchem Wert die Beteiligung des Klägers an der A-AG zum Stichtag 26. Oktober 2000 anzusetzen war. Das FG hat den zwischen den Beteiligten streitigen Wert der A-AG zum Stichtag 26. Oktober 2000 in Höhe von höchstens 2.045.167,52 € aus den Beteiligungsverkäufen von den Mitgesellschaftern X an Y am 1. Oktober 2001 und von Y an die ... KG sowie an die L-KG am 3. Dezember 2001 hergeleitet. Nach der Auffassung des FG sei zwar auch "denkbar", dass der Wert der A-AG zum Stichtag 26. Oktober 2000 höher als 2.045.167,52 € gewesen sei; das FG habe hierfür aber keine ausreichenden Anhaltspunkte.
b) Während das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben muss, steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hat es die nötige Sachkunde selbst, braucht es einen Sachverständigen nicht hinzuziehen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Dezember 2011 VIII B 88/11, BFH/NV 2012, 600; vom 3. Mai 2001 III B 52/00, BFH/NV 2001, 1419). Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholende Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung (ZPO) zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 600; in BFH/NV 2001, 1419). Das ist gemäß § 81 Abs. 1 FGO regelmäßig der Fall, wenn die Bewertung eines Unternehmens streitig ist. Hiervon absehen kann das FG nur dann, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 600; in BFH/NV 2001, 1419, jeweils m.w.N.).
c) Vor diesem Hintergrund beruht die Nichteinholung eines Sachverständigenbeweises im Streitfall auf einem Ermessensfehler.
Das FG hat in den Entscheidungsgründen nicht dargelegt, dass es über die nötige Sachkunde verfügt, um die Unternehmensbewertung selbst vornehmen zu können. Zwar hat der Kläger insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beantragt, sondern mit seinem Schriftsatz vom 16. März 2016 lediglich auf dessen mögliche Einholung hingewiesen. Er hat aber der Sache nach stark gestiegene Unternehmenswerte behauptet und hierzu vorgetragen, dass sich auf der Grundlage einer Berechnung nach IDW S1 zum 1. Januar 2000 ein Ertragswert des Unternehmens in Höhe von 32.667.000 € ergebe (s. auch Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2016, S. 11 am Ende: Kläger bemisst Unternehmenswert zwischen 22 Mio. € und 35 Mio. €). Auch das FG schließt die Möglichkeit ("denkbar") nicht aus, dass der Unternehmenswert der A-AG zum Stichtag höher als die vom Gericht zugrunde gelegten 2.045.167,52 € war. Anders als das FG und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) meinen, handelt es sich um eine Bewertungsfrage, deren Beantwortung aufgrund der Komplexität von Wertermittlungen bei Beteiligungen an nicht börsennotierten AG besondere, branchenbezogene Sachkunde voraussetzt, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit der Einholung eines vom Gericht bestellten Sachverständigengutachtens zu dem konkreten Unternehmenswert hätte aufdrängen müssen. Dies gilt insbesondere, weil im fraglichen Zeitraum die drastischen Schwankungen am Beteiligungsmarkt eine Wertermittlung zum Stichtag als schwierig erscheinen lassen. Die beiden vom FG berücksichtigten Beteiligungsveräußerungen fanden zudem erst mit einem zeitlichen Abstand von rund elf bzw. dreizehn Monaten zu dem maßgebenden Stichtag statt.
2. Der Senat hält es für sachgerecht, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.