Entscheidungsdatum: 18.01.2017
1. NV: Über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG entscheidet auch im Verfahren vor dem BFH der Berichterstatter als Einzelrichter .
2. NV: Für die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann an die Grundsätze angeknüpft werden, die für die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO entwickelt worden sind .
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Bundesfinanzhofs -Kostenstelle- vom 7. November 2016 KostL 1429/16 (IV B 43/16) wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
I. Die Kostenschuldnerin, Erinnerungsführerin und Antragstellerin (Kostenschuldnerin) hatte gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2003 vom 4. März 2005 erfolgreich Sprungklage erhoben. Die vom Beklagten (Finanzamt --FA--) gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 9. Dezember 2004 2 K 896/04 eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. September 2007 IV R 68/05, BFHE 219, 7, BStBl II 2008, 483). Grund für die Aufhebung der Vorentscheidung war die unterlassene Beiladung der Gesellschafter der Kostenschuldnerin.
Ohne Bindungswirkung hatte der BFH dem FG im zweiten Rechtsgang die Aussetzung des Verfahrens wegen eines vorgreiflich durchzuführenden Verfahrens über die der Kostenschuldnerin zuzurechnenden Einkünfte aus einer Beteiligung an der X-GmbH & Co. KG (Untergesellschaft) nahegelegt. Das FG setzte das Verfahren dementsprechend zunächst aus. Im November 2013 erging ein geänderter Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus der Untergesellschaft für 2002, mit dem die Einkünfte der Kostenschuldnerin aus der Beteiligung auf 333.183,46 € festgestellt wurden. Gleichzeitig erging ein Bescheid zur Feststellung der Einkünfte aus der Untergesellschaft für 2003, mit dem ein Verlustanteil der Kostenschuldnerin von 45.536.257,66 € festgestellt wurde. Das FA ging davon aus, dass im Rahmen der Einkünftefeststellung für die Kostenschuldnerin für das Streitjahr 2003 wegen nicht übereinstimmender Gewinnermittlungszeiträume der für 2002 festgestellte Gewinnanteil aus der Untergesellschaft zu berücksichtigen sei, während der für 2003 festgestellte Verlustanteil aus der Untergesellschaft erst die Einkünfte der Kostenschuldnerin im Feststellungszeitraum 2004 mindere. Das FA erließ deshalb am 15. Juni 2015 einen geänderten Einkünftefeststellungsbescheid 2003 gegenüber der Kostenschuldnerin, in dem Beteiligungseinkünfte aus der Untergesellschaft in Höhe von 333.183,46 € berücksichtigt wurden. Die Verfahrensbeteiligten und das FG gingen davon aus, dass der geänderte Bescheid vom 15. Juni 2015 zum Gegenstand des Verfahrens geworden sei, weshalb die Kostenschuldnerin ihren Klageantrag umstellte und nunmehr beantragte, den Bescheid vom 15. Juni 2015 dahingehend zu ändern, dass die im Grundlagenbescheid für 2003 festgestellten Verlustanteile von 45.536.257,66 € anstelle der im Grundlagenbescheid für 2002 festgestellten Gewinnanteile von 333.183,46 € berücksichtigt werden. Das FG wies die Klage durch Urteil vom 14. April 2016 6 K 2373/07 ab. Die Kosten des Verfahrens wurden der Kostenschuldnerin auferlegt.
Wegen Nichtzulassung der Revision erhob die Kostenschuldnerin Beschwerde und kündigte in der Beschwerdeschrift an, eine ausführliche Begründung nachzureichen. Später teilte sie mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juli 2016 mit, nach Auffassung der Gesellschafter habe sich die Nichtzulassungsbeschwerde im Ergebnis inhaltlich erledigt, so dass ein Gesellschafterbeschluss (mit entsprechendem Kostenvorschuss) für die Fortsetzung des Verfahrens nicht zustande gekommen sei. Die Gesellschaft verfüge nicht über ausreichende liquide Mittel, um das Verfahren führen zu können. Eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolge daher nicht mehr. Der Senat verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 6. September 2016 IV B 43/16 wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig und erlegte die Kosten des Verfahrens der Kostenschuldnerin auf.
Mit Kostenrechnung vom 7. November 2016 KostL 1429/16 (IV B 43/16) setzte die Kostenstelle des BFH für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Gerichtskosten nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) von 86.272 € fest. Dabei wurde ein Streitwert von 11.467.360 € zugrunde gelegt.
Mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 17. November 2016 hat die Kostenschuldnerin Erinnerung gegen die Kostenrechnung eingelegt und zugleich den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung der Erinnerung anzuordnen.
Zur Begründung führt sie aus, dem Kostenansatz liege ein falsch berechneter Streitwert zugrunde. Dieser betrage höchstens 688.041,62 €. In entsprechender Anwendung des § 238 der Abgabenordnung sei lediglich die Zinsdifferenz anzusetzen, die sich aus dem beantragten Ansatz des Verlustes im Jahr 2003 und dem tatsächlich erfolgten Ansatz im Jahr 2004 ergebe. Das FG habe im erstinstanzlichen Vergütungsfestsetzungsbeschluss auf dieser Grundlage einen Wert von 688.041,62 € ermittelt. Außerdem seien fehlerhaft 2,0 Gebühren angesetzt worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei wegen Mittellosigkeit der Kostenschuldnerin zurückgenommen worden. Einer Erwähnung des Wortes "Rücknahme" habe es nicht bedurft, weil die Rücknahmeabsicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sei. Daraus folge, dass nur eine 1,0 Gebühr nach Nr. 6501 des Kostenverzeichnisses angesetzt werden dürfe. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes seien mithin zu bejahen. Die Vollziehung der Kostenrechnung hätte außerdem eine unbillige Härte zur Folge, weil die Kostenschuldnerin nicht über ausreichend liquide Mittel verfüge.
Am 25. November 2016 hat die Kostenschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen beantragt. Über den Antrag ist noch nicht entschieden.
II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung ist unbegründet und war deshalb abzulehnen.
1. Über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG entscheidet, wie über die Erinnerung selbst, der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 66 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 GKG; vgl. BFH-Beschluss vom 20. Februar 2013 X E 8/12, Rz 7). Dies gilt nach § 1 Abs. 5 GKG auch im Verfahren vor dem BFH.
2. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Kostenschuldnerin erhobenen Erinnerung sind nicht erfüllt.
a) Erinnerungen gegen den Kostenansatz haben nach § 66 Abs. 7 Satz 1 GKG keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung jedoch ganz oder teilweise anordnen (§ 66 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GKG). Unter welchen Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, regelt das GKG nicht. Im Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit kann insoweit jedoch an die Grundsätze angeknüpft werden, die für die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entwickelt worden sind (ebenso Beschluss des Sächsischen FG vom 21. April 2010 3 Ko 531/10, unter II.2.). Die aufschiebende Wirkung ist danach anzuordnen, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung bestehen oder wenn deren Vollziehung für den Kostenschuldner eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken; die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe müssen dabei nicht überwiegen.
b) Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung.
aa) Der Streitgegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde IV B 43/16 ergibt sich aus dem zuletzt beim FG gestellten Antrag, den nunmehr angefochtenen Feststellungsbescheid 2003 vom 15. Juni 2015 dahingehend zu ändern, dass Beteiligungseinkünfte aus der Untergesellschaft in Höhe von ./. 45.536.257,66 € anstelle bisher berücksichtigter Einkünfte von 333.183,46 € zugrunde zu legen seien.
bb) Der Streitwert im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Bei unverändertem Streitgegenstand ist der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens mit dem Streitwert des ersten Rechtszugs identisch.
Den Streitwert von Anfechtungsklagen wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß § 52 Abs. 1 GKG bemisst der BFH in ständiger Rechtsprechung nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich --im Sinne einer Vereinfachungsregelung-- mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt. Der vorgenannte Prozentsatz ist bei Streit um die Höhe des Gewinns allerdings keine feste Größe. Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkung nicht gerecht wird. Sind Verluste einer Fondsgesellschaft streitig, deren Geschäftsmodell die Verlusterzielung ausdrücklich vorsieht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Verlustanteile der Gesellschafter bei deren Einkommensteuerfestsetzung hohe andere Einkünfte ausgleichen und sich deshalb mit dem Spitzensteuersatz einkommensteuermindernd auswirken (BFH-Beschluss vom 14. April 2016 IV E 1/16, m.w.N.).
Von der typisierten Berechnung für das Streitjahr ist auch dann auszugehen, wenn die konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen vorgetragen sind. Selbst wenn ein Verlust festgestellt worden ist und dieser sich nachweislich auf die Steuerfestsetzung des Streitjahrs nicht auswirkt, verbleibt es bei der typisierten Streitwertberechnung. Das Feststellungsverfahren soll von derartigen Ermittlungen freigehalten werden, so dass sie bei der Bemessung des Streitwerts erst recht nicht in Betracht kommen können (BFH-Beschluss vom 12. November 2015 IV E 8/15, m.w.N.). Dementsprechend kann auch nicht in Betracht kommen, gegenläufige Auswirkungen eines streitigen Verlustanteils in anderen Jahren als dem Streitjahr zu berücksichtigen. Der Streitwert ist in solchen Fällen deshalb entgegen der Auffassung der Kostenschuldnerin nicht nur nach dem eingetretenen Zinsnachteil zu bestimmen.
cc) Danach ist die Bemessung des Streitwerts im Streitfall mit 11.467.360 € aus Sicht der Kostenschuldnerin nicht zu beanstanden. Er ergibt sich aus der Anwendung eines pauschalen Satzes von 25 % auf den streitigen Gewinn von 45.869.441 €.
Dass das FG, wie die Kostenschuldnerin vorträgt, für das erstinstanzliche Verfahren von einem niedrigeren Streitwert ausgegangen ist, bindet den BFH nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. April 2012 II E 3/12, Rz 8, m.w.N.).
dd) Nicht zu beanstanden ist auch der Ansatz einer 2,0 Gebühr nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 6. September 2016 IV B 43/16 als unzulässig verworfen. Der Entscheidungsausspruch ist für den Kostenansatz und damit für die Anwendung des Kostenverzeichnisses bindend. Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses ordnet für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde den Ansatz einer 2,0 Gebühr an. Eine Gebühr nach § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG beläuft sich für den Streitwert von 11.467.360 € auf 43.136 €, so dass insgesamt eine Gebühr von 86.272 € festzusetzen war.
ee) Es kommt nicht in Betracht, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG ganz oder teilweise von der Erhebung von Kosten abzusehen. Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Als unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht kommen nur erkennbare Versehen oder materielle Verstöße gegen eindeutige Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts in Betracht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. November 1987 II E 1/87, BFH/NV 1988, 324, und vom 18. November 1993 VIII E 7-8/93, BFH/NV 1994, 571, m.w.N.).
Eine derart fehlerhafte Sachbehandlung durch den BFH, die ursächlich für die Entstehung zumindest eines Teils der angeforderten Gerichtskosten gewesen sein könnte, wird weder mit der Erinnerung bezeichnet noch ist sie sonst erkennbar. Insbesondere ist der Senat zu Recht davon ausgegangen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zurückgenommen worden war. Wird von einem Angehörigen eines rechts- oder steuerberatenden Berufs nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde mitgeteilt, dass eine Begründung der Beschwerde nicht mehr erfolge, kann dieses Vorbringen nicht als Rücknahme gewertet werden. Denn es bezieht sich nur auf die Begründung des Rechtsmittels, nicht aber auf das Rechtsmittel selbst, bringt also die Rücknahmeabsicht eines prozessual erfahrenen Bevollmächtigten entgegen der Auffassung der Kostenschuldnerin gerade nicht unzweifelhaft zum Ausdruck.
c) Angesichts dessen, dass die Kostenschuldnerin nach den vorstehenden Erwägungen durch die angefochtene Kostenrechnung nicht in ihren Rechten verletzt sein kann, kann die Vollziehung der Kostenrechnung auch keine unbillige Härte für die Kostenschuldnerin bedeuten. Ebenso wie eine AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO wegen unbilliger Härte der Vollstreckung nicht in Betracht kommt, wenn an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide keine Zweifel bestehen (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2011 I S 7/11), ist demgemäß auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Kostenerinnerung abzulehnen, wenn keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung bestehen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).