Entscheidungsdatum: 01.12.2010
1. NV: Begehrt der Antragsteller PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens und hat er innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht durch eine nach § 62 Abs. 4 FGO vor dem BFH vertretungsberechtigte Person das statthafte Rechtsmittel eingelegt, so verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
2. NV: Dies setzt voraus, dass der Antragsteller beim Prozessgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist einen PKH-Antrag nebst Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO und entsprechenden Belegen vorlegt.
3. NV: Bei verspäteter Vorlage eines PKH-Antrags ist dem Antragsteller eine Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen, solange das Vertretungsverhältnis besteht.
I. Der Antragsteller war neben einer weiteren natürlichen Person (S) Gesellschafter einer mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1992 gegründeten GbR. S schied zum 31. Dezember 2005 aus der GbR aus. Nachdem die GbR für die Jahre 1992 bis 2002 Verluste in Höhe von insgesamt 133.548 € erklärt hatte, stufte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) deren Tätigkeit als Liebhaberei ein. Der gegen den Bescheid vom 9. Juni 2005 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging nach Ausscheiden des S von einer Vollbeendigung der GbR aus und legte --unter Beiladung des S-- die im März 2006 im Namen der GbR erhobene Klage rechtsschutzgewährend als Klage des Antragstellers aus. In der Sache hatte die Klage jedoch keinen Erfolg. Das FG-Urteil vom 18. Mai 2010 wurde dem zu jener Zeit anwaltlich vertretenen Antragsteller am 8. Juni 2010 zugestellt. Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist am 8. Juli 2010 hat der dabei entgegen einer entsprechenden Belehrung in der angegriffenen FG-Entscheidung nicht gemäß § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vertretene Antragsteller am 12. Juli 2010 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Zeitgleich (12. Juli 2010) hat der Antragsteller beim Bundesfinanzhof (BFH) einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG gestellt, ohne eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Mit Schreiben vom 22. Juli 2010 hat die Vertreterin des Antragstellers vor dem FG, eine Rechtsanwältin, gegenüber dem FG die Niederlegung des Mandats erklärt.
Nach gerichtlichem Hinweis auf den verspäteten Eingang von Nichtzulassungsbeschwerde und PKH-Antrag beim BFH und Übersendung eines Formularvordrucks zur Abgabe der genannten Erklärung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. August 2010 (Eingang beim BFH am 19. August 2010) den ausgefüllten Formularvordruck vorgelegt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, weder aus gesundheitlichen Gründen handlungsfähig noch über die Schritte seiner Rechtsanwältin informiert gewesen zu sein. Die Nichtzulassungsbeschwerde habe er am 7. Juli 2010 zur Post gegeben. Das FG-Urteil habe er von seiner Rechtsanwältin ohne Eingangsdatum erhalten.
Nach Ansicht des FA ist der PKH-Antrag abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH seien bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu erfüllen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers sei unzulässig, weil dieser bei Einlegung der Beschwerde nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Außerdem sei kein Grund für die Zulassung der Revision erkennbar.
II. 1. Der Antragsteller konnte den Antrag auf Bewilligung von PKH selbst wirksam stellen; für einen derartigen Antrag besteht kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2009 IV S 3/09 (PKH), Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R679; BFH-Beschluss vom 27. Juli 2010 III S 28/09 (PKH), juris).
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH wird abgelehnt.
a) Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist weder innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO eingelegt worden noch war der Antragsteller --trotz entsprechender Belehrung durch das mit der Beschwerde angegriffene FG-Urteil-- bei der (verspäteten) Einlegung der Beschwerde entsprechend den Anforderungen des § 62 Abs. 4 FGO vertreten. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde kommt nicht in Betracht.
aa) Begehrt der Antragsteller PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens und hat er innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht durch eine nach § 62 Abs. 4 FGO vor dem BFH vertretungsberechtigte Person das statthafte Rechtsmittel eingelegt, so verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies setzt voraus, dass beim Prozessgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist ein PKH-Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege vorgelegt werden; hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten Vordrucke zu benutzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. November 2009 X S 30/09 (PKH), BFH/NV 2010, 232, m.w.N.). Dabei kann sich ein Antragsteller nicht auf Unkenntnis berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Juli 2002 VII B 98/02, BFH/NV 2002, 1337).
bb) Diesen Anforderungen genügte das verspätet --nach Ablauf der in § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde-- eingegangene und dabei unvollständige PKH-Gesuch des Antragstellers nicht. Deren Beachtung war auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil der Antragsteller nach gerichtlichem Hinweis u.a. vorgetragen hat, das Datum der Zustellung des FG-Urteils bei seiner Rechtsanwältin und damit den Ablauf der Beschwerdefrist nicht gekannt zu haben. Denn ein eventuelles Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, etwa in Gestalt einer ungenügenden Unterrichtung ihres Mandanten, muss sich der Antragsteller zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Insoweit gilt nichts anderes als bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde. Das Mandatsverhältnis mit der Vertreterin des Antragstellers im Verfahren vor dem FG bestand jedenfalls über den Tag des Ablaufs der Beschwerdefrist (8. Juli 2010) fort, denn Umstände, nach denen der hier maßgebliche Mandatsvertrag (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 2002 VII R 7/01, BFHE 198, 36, BStBl II 2002, 426) bereits vor der von der Rechtsanwältin mit Schreiben vom 22. Juli 2010 gegenüber dem FG erklärten Mandatsniederlegung und auch vor Ablauf der Beschwerdefrist dem Antragsteller gegenüber gekündigt worden wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Solange das Vertretungsverhältnis noch fortbesteht, kann das Verschulden des Vertreters dem Vertretenen zugerechnet werden (BFH-Urteil in BFHE 198, 36, BStBl II 2002, 426). Der Hinweis des Antragstellers auf seinen schlechten Gesundheitszustand macht es --ungeachtet der Frage, inwieweit seine Erkrankungen in den Vorjahren oder die mit Schriftsatz des Antragstellers vom 27. November 2010 weiter vorgebrachten ärztlichen Behandlungstermine im Oktober und November 2010 noch bzw. schon während des Laufs der Beschwerdefrist zum Tragen kamen-- gleichfalls nicht entbehrlich, dass der grundsätzlich an keine Frist gebundene PKH-Antrag in der hier vorliegenden Situation innerhalb der Beschwerdefrist zu stellen war. Denn nach den vom Antragsteller geschilderten Umständen lag die maßgebliche Ursache für dessen Versäumnis in der angeblichen Unkenntnis des Datums der Urteilszustellung. Andererseits ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch aus dem Zeitablauf Hinweise darauf, dass dem Antragsteller von seiner Vertreterin vor dem FG (zunächst) eine Vertretung auch im Beschwerdeverfahren zugesichert worden sein könnte, und er deshalb erst nach Fristablauf einen PKH-Antrag hatte stellen können. Allein der Umstand, dass die Niederlegung des Mandats erst nach Ablauf der Beschwerdefrist dem FG mitgeteilt worden ist, rechtfertigt eine solche Annahme nicht.
cc) Hat demnach der Antragsteller seinen PKH-Antrag nicht ordnungsgemäß gestellt, so kommt auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht. Ist die Beschwerde somit unzulässig, kann offenbleiben, ob --wie das FA vorgetragen hat-- der Beschwerde auch in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg beschieden wäre. Ebenso kommt es nicht mehr auf die vom Antragssteller mit Schriftsatz vom 27. November 2010 vorgetragenen Umstände einer Durchsuchung und daraus folgende mögliche Rückschlüsse auf die finanzielle Situation des Antragstellers an, wenn dem PKH-Antrag --wie dargelegt-- schon ungeachtet der finanziellen Verhältnisse des Antragstellers nicht stattzugeben ist.
dd) Soweit der vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. November 2010 gestellte Fristverlängerungsantrag dahin zu verstehen sein sollte, dem Antragsteller Gelegenheit zur weiteren Begründung seines PKH-Antrags bis 31. Januar 2011 zu geben, ist auch dieser Antrag abzulehnen. Nachdem der Antragsteller nicht --wie erforderlich-- innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einen (vollständigen) PKH-Antrag gestellt hat, kommt es auf eine weitergehende Antragsbegründung nicht mehr an.